Sieg gegen den drohenden Spott: Der FC Bayern knuddelt Flankengott Cancelo

2 Feb 2023
Sieg gegen den drohenden Spott Der FC Bayern knuddelt Flankengott Cancelo

02.02.2023, 08:30 Uhr

Mit Neuzugang Joao Cancelo in der Startelf spielt der FC Bayern wie ausgewechselt. Nach drei Liga-Ausrutschern läuft im DFB-Pokal alles nach Plan. Der Portugiese hinterlässt direkt mächtig Eindruck, nicht nur wegen einer traumhaften Flanke zum erlösenden 1:0.

Die Fußballer des FC Bayern wussten, was die Stunde geschlagen hatte. Und sie hatten spürbar keine Lust, sich einem erneuten Sturm der Häme und des Spotts auszusetzen. Den hätte es gegeben, wären die Münchner im DFB-Pokal beim FSV Mainz 05 gescheitert. "Natürlich haben wir alle Druck, wenn wir nicht gewinnen", hatte Sportvorstand Hasan Salihamidžić vor Anpfiff bei Sky gesagt. Also rückten die Stars aus München ihr deutlich verrutschtes Krönchen zurecht, rafften sich und donnerten mit 4:0 über den Bundesliga-Konkurrenten hinweg. Ein Statement gegen all die Untergangshymnen, die leise angestimmt worden waren. Den Nachhaltigkeitscheck für das Erwachen des Rekordmeisters gibt es am Sonntag, wenn es zum VfL Wolfsburg geht, der im Achtelfinale dieses Wettbewerbs bei den isco-losen Party-Berlinern aus Köpenick (1:2) gescheitert war.

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Die Münchner, denen man nach einer vergeigten englischen Woche in der Bundesliga mit drei Remis durchaus attestieren durfte, angeknockt zu sein, verwehrten sich nach dem souveränen Sieg in Mainz jedem Gefühl der Erleichterung. Erleichterung, das hätte ja bedeutet, dass sich da Sorgen aufgestaut hätten. Doch einen solchen Eindruck wollte das Kollektiv unbedingt vermeiden. Allen voran Joshua Kimmich. Der hatte zuletzt laut Alarm geschlagen und das eigentlich in Dortmund, bei der Borussia, beheimatete Mentalitätsfass kurzerhand nach München geschleppt. Der Weckruf des Nationalspielers hatte positive Vibes im Team ausgelöst, wie er selbst beobachtete: "Wir haben von Beginn an gezeigt, dass wir unbedingt als Sieger vom Platz gehen wollten." Auch das Ergebnis einer mysteriösen Teamsitzung, über die es sehr erstaunliche, weil unterschiedliche Berichte zum Teilnehmerkreis gibt. Fand sie ohne Trainer statt? Oder mit (mehr dazu hier)? Man weiß es nicht. Offenbar auch nicht mal in München selbst.

Kimmich findet: "Es macht Spaß zu gewinnen"

Egal, Kimmich befand, dass die Umsetzung des Vorhabens sehr gut gelungen war. "Der Sieg war wichtig, auch die Art und Weise, wie wir gewonnen haben. Es macht Spaß zu gewinnen." Eine Erkenntnis, die den Rekordmeister durch die nächsten Wochen tragen soll, wenn es unter anderem - oder vor allem - in der Champions League zum Gigantengipfel mit dem formschwachen 889,5-Millionen Euro schweren Ensemble um Weltmeister Lionel Messi, Neymar und den womöglich schwerer verletzten Kylian Mbappé (Bayerns Gesamtmarktwert liegt übrigens bei 995,70) von Paris St. Germain kommt. Einer, der in den nächsten Wochen eine Schlüsselrolle einnehmen soll, ist Neuzugang Joao Cancelo. Er kam gerade erst als Leihgabe von Manchester City und dürfte im Sommer sehr teuer werden, wenn er denn fest verpflichtet werden soll. Die Kaufoption soll angeblich bei 70 Millionen Euro liegen.

Seinen gigantischen Wert, immer in den enthemmten Dimensionen des Fußballs gesprochen, legte er in der 17. Minute in eine wunderbare Flanke von der rechten Seite. Mit einem kleinen Wackler und einer überraschenden Tempoverschärfung verschaffte er sich ausreichend Platz (sein Trainer wollte eigentlich einen Rückpass sehen), hob den Blick, erspähte den Ex-Mainzer Eric-Maxim Choupo-Moting am langen Pfosten und lupfte den Ball schließlich exakt dorthin. Aus spitzem Winkel veredelte der Stürmer die Hereingabe. Der Auftakt zum Erlösungs-, Pardon, Spaßauftritt der Münchner. Locker und flockig ging den Männern von Trainer Julian Nagelsmann das Handwerk plötzlich wieder vom Fuß. Vergessen war der Berg an Problemen, der am Spitzingsee begann (mit Manuel Neuers fataler Skitour) und bis nach Paris wuchs (zu Serge Gnabrys Ausflug zur Fashion Week). Vergessen waren die Mahnungen, die das Team von der Führungsetage der Säbener Straße und dem Tegernsee (dort rüffelte Uli Hoeneß) erreichten. Jamal Musiala (30.), Leroy Sané (44.) und Alphonso Davies (83.) erhöhten mit teilweise schön herausgespielten Treffern.

Der über weite Strecken chancenlose und von der Münchner Wucht und Aufstellung mit fünf offensiven Spielern überraschte FSV verpasste den ersten Einzug ins Viertelfinale seit 2018. Der aufgewühlte Trainer Bo Svensson sah zu allem Überfluss wegen Meckerns Rot (81.), sein Abwehrspieler Alexander Hack nach wiederholtem Foulspiel Gelb-Rot (86.). "Wir waren die erste Halbzeit nicht da, das war nicht Mainz 05", sagte der Mainzer Sportdirektor Martin Schmidt.

"Er hat ein großes Herz, große Leidenschaft"

"Für uns war es ein wichtiger Schritt", befand Nagelsmann, der seine Anspannung bei vergebenen Chancen zu Beginn nicht verbergen konnte, "nicht nur im Wettbewerb, sondern auch, um mit dem Sieg im neuen Jahr anzukommen." Es war, wir erinnern uns, tatsächlich der erste. Seine Mannschaft habe dabei "eine sehr gute Einstellung auf dem Feld" gehabt. Als Sinnbild nannte der Trainer seinen Neuzugang: "Er hat ein großes Herz, große Leidenschaft." Und man fragt sich ja wirklich, was zwischen ihm und Pep Guardiola passiert ist, dass der Starcoach bereit war, diesen herausragenden Außenverteidiger ziehen zu lassen. In englischen Medien wird darüber spekuliert, dass eine Rote Karte gegen Fulham im November zum großen Bruch zwischen dem Katalanen und seiner Stammkraft geführt haben könnte. Guardiola kritisierte den Spieler hernach öffentlich. Was den Bayern noch eine kleine Warnung sein dürfte: Auch in der portugiesischen Nationalmannschaft hatte er in der K.-o.-Runde bei der WM in Katar seinen Stammplatz eingebüßt. Parallel zu Superstar Cristiano Ronaldo.

Diese Was-war-Szenarien sind nichts für die Münchner Gegenwart. In der war nur Platz für Glückseligkeit und Bewunderung. "Für das erste Spiel bei einer neuen Mannschaft war das gleich ein ziemlich guter Auftritt", sagte Thomas Müller in seiner typischen Thomasmüllerhaftigkeit. "Die ersten zwei, drei Aktionen waren unglaublich kreativ. Er hat einfach eine sehr gute Ruhe am Ball, was wir gerade gegen tiefstehende Gegner brauchen", lobte Nagelsmann: "Er hat auch gut verteidigt und war extrem fleißig. Er hat viele tiefe Läufe gemacht, was uns zuletzt ein wenig gefehlt hat." Der von seinen Teamkollegen mehrfach geherzte und geknuddelte Cancelo wollte sein groß besungenes Debüt indes nicht überdramatisieren. Es sei zwar schon eine gute Flanke gewesen, "aber wie Choupo-Moting sie vollendet hat, war nochmal besser". Alle Zweifel abgeräumt. Vorerst.

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