Baerbock in Israel: „Armee muss mehr tun, um Zivilpersonen zu ...

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Stand: 09.01.2024, 08:17 Uhr

Von: Maria Sterkl

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Eine Explosionswolke nach einem Bombardement der libanesischen Khiyam-Ebene presst sich an kältere Luftmassen. © AFP

Außenministerin Annalena Baerbock fordert von Israel Mäßigung in Gaza und verurteilt illegale Siedlungen. Sie will einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung sehen.

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Foto Frankfurter Rundschau

Tel Aviv – Inmitten des anhaltenden Kriegs in Gaza und der andauernden Gewalt an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon setzen Israels wichtigste Verbündete, die USA und Deutschland, weiter auf diplomatische Bemühungen. Zeitgleich mit US-Außenminister Antony Blinken bereiste auch Deutschlands Bundesaußenministerin Annalena Baerbock den Nahen Osten.

Es ist die vierte Nahostreise der Außenministerin seit dem Überfall der Terrorgruppen auf Israel am 7. Oktober, und wie üblich war Israel die erste Station. In Jerusalem traf Baerbock zum ersten Mal ihren aktuellen israelischen Amtskollegen Israel Katz, der Anfang Januar dank eines im Koalitionspakt vereinbarten Rotationsprinzips das Amt des Energieministers loswurde und Eli Cohen im Außenministerium ablösen durfte. Auch Israels Staatspräsident Itzchak Herzog nahm Baerbock in Empfang.

Baerbock auf Nahost-Reise: Außenministerin fordert Mäßigung bei Gaza-Offensive Israels

„Es wird immer klarer: Die israelische Armee muss mehr tun, um die Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza zu schützen“, sagte Baerbock nach den Unterredungen. Die Armee „muss Wege finden, die Hamas zu bekämpfen, ohne dass so viele palästinensische Menschen Schaden erleiden“, sagte Baerbock.

Die Ministerin beklagte „das Leid vieler unschuldiger Menschen“ im Gazastreifen und forderte: „Wir brauchen eine weniger intensive Operationsführung.“ Zudem appellierte Baerbock für eine Ausweitung der Kapazitäten für Hilfslieferungen nach Gaza. In den vergangenen drei Monaten starben im Gazastreifen nach palästinensischen Angaben bereits über 22 000 Menschen, jedes dritte Opfer ist laut Hilfsorganisationen ein Kind. Baerbock bekräftigte zwar auch Deutschlands Unterstützung für Israels Selbstverteidigung: „Das legitime Selbstverteidigungsrecht Israels im Rahmen des humanitären Völkerrechts verteidigt Deutschland international überall“, sagte die Ministerin. In Israel stoßen die Appelle nach Mäßigung bei der Militäroperation in Gaza dennoch auf wenig Begeisterung.

AUCH HABECK IM NAHEN OSTEN UNTERWEGS

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) ist am Montag gestartet, um mehrere Länder des Nahen Ostens zu besuchen. Geplant seien Visiten in Oman, Saudi-Arabien, Israel sowie dem Westjordanland, sagte eine Sprecherin in Berlin. Die Reise solle am Donnerstag enden.

Als Themen der Reise nannte sie den Umstieg auf klimafreundliche Energieträger und die Intensivierung der Wasserstoffproduktion. Die Länder des Nahen Ostens seien stark verankert im fossilen Energiesystem, deswegen sei ein Umsteuern wichtig. Auch um die Sicherheitslage und die Bemühungen um Frieden nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel solle es gehen.

In Israel will Habeck den Angaben zufolge in Tel Aviv und Jerusalem Gespräche führen. In Ramallah im Westjordanland soll er den palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje treffen sowie lokale Wirtschaftsvertreter:innen. Dpa

Schwierige humanitäre Lage in Gaza: Baerbock äußert Besorgnis über illegale Siedlungen

Sowohl Staatspräsident Itzchak Herzog als auch Außenminister Katz halten die humanitäre Lage im Gazastreifen für ein Resultat einer schlechten Performance der internationalen Hilfsorganisationen und die hohe Opferzahl in der Zivilbevölkerung für ein Ergebnis der Hamas-Politik, Terrorinfrastruktur nah an zivile Ziele zu bauen. Israels Fokus liegt darauf, die Hamas zu schwächen und die Bedrohung aus dem Gazastreifen auf lange Sicht zu bannen.

Das ist nicht nur Regierungslinie, sondern erfährt auch bei einer breiten Mehrheit der israelischen Bevölkerung Unterstützung – auch wenn das Vertrauen der Israelis in die aktuelle Regierung auf neuen Tiefstwerten angelangt ist.

Am Montag reiste Baerbock ins Westjordanland, in Ramallah traf sie den palästinensischen Außenminister Riad al-Maliki. Ein wichtiger Teil des Besuchs in den besetzten Gebieten galt aber Baerbocks Anliegen, den Blick auf ein Thema zu richten, das im Schatten des Gazakriegs eher wenig Aufmerksamkeit bekommt: die steigende Gewalt radikaler israelischer Siedler:innen gegen Palästinenser:innen. In einem Dorf nördlich von Ramallah ließ die Grünen-Politikerin sich die Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung erklären. Der Ort mit rund 5000 Einwohner:innen ist von mehreren israelischen Siedlungen umgeben, die laut internationalem Recht als illegal gelten.

Annalena Baerbock besucht die vertriebene Bevölkerung von Al-Mazraah Al Qibliyah in der Westbank. © dpa

Ein Bauer des Dorfs erzählte von der Schwierigkeit, seine Felder zu erreichen, weil Siedler:innen die Zugangswege blockiert und ihn und seine Familie mehrmals gewaltsam angegriffen hätten. Die radikalen Siedler:innen hätten außerdem versucht, mehrere Gebäude in Brand zu setzen, darunter auch sein Haus. Die Angst vor weiteren Übergriffen mache das Leben dort unmöglich.

„Die Menschen können aus Angst vor Gewalt, vor radikalen Siedlern, die sich gleich neben ihren Häusern angesiedelt haben, nicht mehr hier wohnen“, sagte Baerbock im Anschluss. „Ihre Kinder können nicht mehr zur Schule gehen und sie können ihre Ernte nicht mehr einholen. Das, was hier passiert, ist illegal.“ Rechtswidrig sei auch der ungebremste Siedlungsbau in den besetzten Gebieten, sagte Baerbock. „Er untergräbt den dauerhaften Frieden und gefährdet die Zweistaatenlösung“, sagte die Außenministerin – und er setze damit auch die längerfristige Sicherheit Israels aufs Spiel.

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