„Kafka“: Einer der Free TV-Höhepunkte des Jahres

26 Mär 2024
Kafka

Kafka (r., gespielt von Joel Basman) hat seine liebe Not mit den Frauen wie Milena (Lisa Fries). Foto: NDR /Superfilm Wien

„Wenn er (..) endlich etwas fertigstellt, dann wird das eine Zierde ihres Verlags sein, Herr Wolf, Herr Rowohlt - dann wird das etwas sein, das die Menschen nie aufhören werden zu lesen - das verspreche ich Ihnen!“ So spricht Max Brod, der wohl bekannteste Sidekick des deutschsprachigen Literaturbetriebs, Anfang der 1910er-Jahre über das Schaffen seines besten Freundes Franz Kafka.

Die Existenz der sechsteiligen Serie „Kafka“, die das deutsche Erste am Dienstag, dem 26., sowie am Mittwoch, dem 27. März, jeweils von 20.15 bis 22.30 Uhr anlässlich des 100. Todestags des Prager Schriftstellers ausstrahlt, belegt die Hellsichtigkeit von Brods Prophezeiung. Auch wenn jene Szene beziehungsweise deren genauer Wortlaut vermutlich nicht historisch belegbar sind. Entscheidend jedoch ist, dass sie, wie diese fantastische Produktion nachvollziehbar macht, genau so stattgefunden haben könnte. Und dass Kafkas schmales Werk aus lediglich 350 Seiten abgeschlossenen Texts die Menschen ja tatsächlich nach wie vor berührt, erschüttert, fasziniert.

Die von Bestsellerautor Daniel Kehlmann (nach der Kafka-Biographie von Reiner Stach) geschriebene und von David Schalko in Szene gesetzte Mini-Serie versucht, Leben, Werk und Innensicht des jung verstorbenen Schriftstellers zu erfassen, die Essenz seines Daseins wie Schaffens zu destillieren – dabei aber auch das heutige Nachdenken über Kafka mit zu reflektieren. Und, was soll man sagen: Das Ergebnis dieses ambitionierten Versuchs ist wunderbar überzeugend geraten, gewissermaßen analog zu Kafkas Werk – berührend, erschütternd und faszinierend.

All dies, ohne dass man jemals das Gefühl hätte, hier versuche jemand, diesen berühmten Vertreter der literarischen Moderne zu imitieren. Ebenso wenig ist „Kafka“ eine starr vor Ehrfurcht absolvierte Hommage. Nein, diese Serie ist eine äußerst lebendige, eigenwillige und auch humorvolle Auseinandersetzung mit dem vielleicht bekanntesten Unglücklichen der deutschsprachigen Literatur.

Bild einer geschundenen Künstlerseele

Gespielt wird Kafka von Joel Basman: Der liefert eine derart eindrückliche Performance dieses Ausnahmekünstlers und dieses zerquälten, durch Hemmungen, Schrullen und Selbstzweifel fast lebensunfähig erscheinenden Menschen, dass man bei Erwähnung des Schriftstellers in Zukunft vermutlich stets Basmans Bild vor seinem inneren Auge haben wird. Ein schräger Vogel ist dieser schreibende Versicherungsbeamte mit seinem keckernden Lachen, den Ernährungsmarotten, seiner Distanz zur Welt und der spröden, gegenüber Vertrauten aber überraschend unverstellten Art.

Ebenso stimmig sind die ihn umgebenden Protagonisten gezeichnet und gespielt. Überhaupt glänzt die Produktion durch eine illustre Besetzung - stellvertretend seien Nicholas Ofczarek als Kafkas herrischer Vater oder David Kross als begeisterungsfähiger Max Brod genannt.

Eben jenem Brod hinterließ Kafka auf dem Sterbebett seine unveröffentlichten Manuskripte: Mit der Vorgabe, sie zu verbrennen. Dass sich Brod daran bekanntermaßen nicht hielt, damit wird er hier auf einer extra Erzählebene von einem TV-Journalisten konfrontiert. Ein geschickter Erzählgriff, um auch den öffentlich-medialen Diskurs zum untrennbaren Kafka-Brod-Komplex abzubilden, das eng Verschlungene dieser beiden Schicksale.

Die Serie ist vielstimmig erzählt: So sind die Episoden nach den zentralen Menschen (und Orten) im Leben des Schriftstellers benannt: „Max“ die erste, „Felice“ (nach dessen On-Off-Verlobter Felice Bauer) die zweite. Dazu kommt eine leicht unzuverlässige Erzählerstimme, die immer wieder neu ansetzt, die eigene Erzählposition reflektiert, sich auch mal direkt an das Publikum wendet oder sogar in Interaktion mit den Figuren tritt. Was nicht manieriert erscheint, sondern federleicht daherkommt.

Ebenfalls staunen lässt die geradezu zwingende, organische Verschränkung von Biografischem mit literarischen Inhalten. „Kafka“ ist von einer solchen Originalität, aber auch handwerklichen Brillanz - etwa bei Bildsprache, Montage, Kostüm und Ausstattung -, dass man die Produktion schon jetzt zu den TV-Höhepunkten des Jahres 2024 zählen darf.

Quelle: KNA

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