Wie im ganzen Land fehlen auch in der Eifel Fachkräfte. Aktuell sind laut der Agentur für Arbeit Trier im Eifelkreis 43 Stellen im Gesundheitswesen offen. Ohne ausländische Fachkräfte wäre diese Zahl weitaus höher. Allein im Eifelkreis arbeiten 240 Ausländer im Gesundheitswesen.
Andrea Knoche, die seit 19 Jahren eine Ergotherapie-Praxis in Waxweiler betreibt, sah sich aufgrund des Fachkräftemangels gezwungen, auch im Ausland nach Unterstützung zu suchen. Schließlich holte sie die türkischen Ergotherapeutinnen Gülin Gürsel und Özgecan Işik nach Deutschland. Die beiden jungen Frauen haben einen großen Schritt gewagt: Aus den türkischen Millionenstädten Istanbul und Antalya zog es sie ins kleine Dorf Schwirzheim in der Eifel.
Start mit Hürden: Bürokratie und AnerkennungsverfahrenDer Wechsel nach Deutschland verlief schleppend und zäh. Bevor Gülin Gürsel und Özgecan Işik als Ergotherapeutinnen arbeiten konnten, mussten sie über Monate Dokumente hin- und herschicken. Trotz ihres Studiums der Ergotherapie und ihrer Sprachkenntnisse zog sich das Anerkennungsverfahren bei beiden lange hin.
Gülin, die im April 2023 nach Deutschland kam, hatte bereits einige Jahre als Ergotherapeutin in der Türkei gearbeitet. Um in Deutschland arbeiten zu dürfen, musste sie den sogenannten Anerkennungslehrgang absolvieren. Dabei werden die fehlenden Kenntnisse bei Nachschulungen erlernt. Dank ihrer Vorerfahrung konnte sie den Lehrgang verkürzen und im August abschließen. Obwohl die Anerkennung schneller erfolgte, verzögerte die Ausstellung ihres Aufenthaltstitels den offiziellen Arbeitsbeginn bis Oktober.
Die Atmosphäre in der Stadt ist anders. In der Eifel ist es ganz ruhig und ganz langsam.
Auch Özgecan erlebte Ähnliches: Nach ihrer Ankunft im September 2023 legte sie im Mai ihre Prüfungen ab und erhielt im August ihre Anerkennung, durfte jedoch erst Wochen später in der Praxis starten. Inzwischen arbeiten beide Vollzeit in Waxweiler.
Kontrast: Eifel contra türkische GroßstadtDas Leben in der Eifel bietet ihnen nun eine Ruhe und Sicherheit, die in ihrer Heimat schwer zu finden ist. Özgecan, die in der 2,5-Millionen-Stadt Antalya aufwuchs, schätzt die Stille im 450-Seelen-Dorf Schwirzheim. "Die Atmosphäre hier ist ganz ruhig und langsam," sagt sie.
Ich gucke aus Gewohnheit immer hinter mich, ob da jemand ist
Auch für Gülin, die acht Jahre in Istanbul gelebt hat, ist der neue Alltag in Deutschland eine erholsame Abwechslung: "In Istanbul wäre es undenkbar gewesen, bei Dunkelheit allein spazieren zu gehen. Hier kann ich abends im Dunkeln rausgehen, ohne Angst," berichtet sie. Eine Vorsichtsmaßnahme hat Gülin allerdings noch nicht ablegen können: "Ich gucke aus Gewohnheit immer hinter mich, ob da jemand ist."
Busfahren als Geduldsprobe in der EifelEine zusätzliche Hürde ergab sich durch die Führerscheinregelung: Ihr türkischer Führerschein war in Deutschland nur sechs Monate gültig. Danach mussten sie ihn umschreiben lassen. Das Umschreiben bedeutet in Deutschland eine theoretische und praktische Prüfung. Da sie dies nicht wussten, war der Führerschein zunächst weg. Das Auto blieb stehen und beide Frauen waren auf den Bus angewiesen.
Der öffentliche Nahverkehr stellte sie jedoch bald auf die Probe: In Schwirzheim fahren die Busse oft nur zu Schulzeiten, abends oder am Wochenende ist es schwierig, einen Anschluss zu finden. Für ihre Fahrten zur Arbeit nach Waxweiler mussten sie früh aufstehen, um die Verbindung nicht zu verpassen. Oftmals standen beide eine Stunde wartend in Prüm, wenn der Anschlussbus nur eine Minute zu früh abgefahren war. Inzwischen haben beide einen deutschen Führerschein und können wieder selber fahren.
Freiheit statt Visa-ZwangDas Leben in Deutschland ist für die beiden Frauen ungezwungener. Sie sind im vergangenen Jahr viel gereist, waren unter anderem in Holland, Belgien und Luxemburg. Beide genießen diese neue Reisefreiheit. Während sie von der Eifel aus ganz Europa bereisen können, ist das in der Türkei nicht einfach so möglich. Dort braucht man für viele Reisen ein Visum, welches es kurzfristig nicht einfach so gibt, erzählen die beiden Türkinnen.
Die Schwierigkeiten im Alltag werden durch die große Hilfsbereitschaft der Dorfbewohner ausgeglichen. Ob bei einer Autopanne, an einem Ticketschalter oder bei der Wohnungssuche – immer wieder erfahren die beiden Frauen Unterstützung. Einmal blieb das Auto mit leerem Tank bei Schönecken stehen, und sofort hielt ein junger Mann an und brachte Benzin von der Tankstelle. Auch ihre Patientinnen und Patienten unterstützen sie geduldig, wenn es Verständigungsprobleme gibt oder kleine Missverständnisse entstehen.
Ein Stück Heimat in der Eifel gefundenHeute fühlen sich Gülin und Özgecan in der Eifel heimisch. "Vielleicht ziehen wir irgendwann nach Prüm, wo abends mehr los ist," sagen die beiden. Doch für den Moment genießen sie die Ruhe und den engen Zusammenhalt in Schwirzheim.