Live: Bundestag stimmt über Selbstbestimmungsgesetz ab

19 Tage vor

Quelle: reuters

Der Bundestag hat einen Gesetzesentwurf beschlossen, der vorsieht, dass Geschlechtseinträge und Vornamen künftig per Erklärung gegenüber dem Standesamt geändert werden können. 374 Abgeordnete haben dafür gestimmt, 251 Abgeordnete dagegen. Elf Personen haben sich enthalten.

Selbstbestimmungsgesetz - Figure 1
Foto heute.de

Änderungen müssen demnach drei Monate im Voraus angemeldet werden und auch Jugendliche ab 14 Jahren sollen die Erklärung dazu selbst ausfüllen können.

Bislang müssen trans- und intergeschlechtliche Menschen dafür Begutachtungen mit intimen Fragen durchlaufen, was von den Betroffenen oftmals als entwürdigend empfunden wird. Das bisherige Transsexuellengesetz soll aufgehoben werden.

Warum das Transsexuellengesetz in der Kritik steht?

Das Transsexuellengesetz, welches bisher galt, stammt aus dem Jahr 1980. Betroffene mussten bis dato eine langwierige und kostspielige Prozedur mit Gutachten und Gerichtsbeschluss über sich ergehen lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag samt Vornamen ändern lassen wollten.

Bis 2011 mussten sich transgeschlechtliche Menschen dafür sogar noch sterilisieren lassen. Die geltende Rechtslage verletze die Würde des Menschen, sagt der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann. Auch der deutsche Psychotherapeutentag spricht sich seit längerem dafür aus, Hürden für Betroffene abzubauen.

Das Geschlecht oder den eigenen Vornamen ändern zu lassen soll künftig einfacher werden. Das Kabinett hat das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet. Kritische Stimmen bleiben.24.08.2023 | 2:30 min

Was ist mit Menschen unter 18 Jahren?

Bei Kindern unter 14 Jahren sollen die Eltern die nötige Erklärung beim Standesamt einreichen können. Jugendliche ab 14 Jahren können dies selbst tun, allerdings nur mit Einverständnis der Eltern. Gibt es hier innerfamiliäre Konflikte, kann das Familiengericht die Entscheidung treffen. Maßstab soll das Kindeswohl sein.

Die Jugendlichen, oder bei Unter-14-Jährigen die Eltern, müssen zudem eine Erklärung abgeben, dass sie sich zuvor haben beraten lassen. Diese Beratung kann durch einen Psychologen oder die Kinder- und Jugendhilfe erfolgen.

Wie oft kann der Geschlechtseintrag geändert werden?

Eine zahlenmäßige Begrenzung ist nicht vorgesehen. Allerdings soll es eine Sperrfrist von einem Jahr geben - erst danach ist eine erneute Änderung möglich. "Dies dient dem Übereilungsschutz und soll die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches sicherstellen", heißt es in dem Entwurf. Für das Inkrafttreten der Änderung des Geschlechtseintrags gilt eine Drei-Monats-Frist.

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Wie sind die Positionen zum Gesetz?

Nyke Slawik von den Grünen sprach sich klar für das Selbstbestimmungsgesetz aus. In der Bundestagsdebatte kritisierte sie, dass die Änderung ihres "Personenstandes" und ihres Vornamens zwei Jahre lang beantragt habe und sie dafür "knapp 2.000 Euro" gezahlt habe. Das bisherige Transsexuellengesetz bezeichnete sie daher als "unmenschliche Hürde".

CDU-Politikerin Mareike Lotte Wulf hat sich eindeutig gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz ausgesprochen. Sie kritisiert, dass das Gesetzesvorhaben "möglichem Missbrauch" nichts entgegensetze, da man "Vorname und Geschlechtseintrag voraussetzungslos" ändern könne. Zudem vernachlässige der Staat durch das neue Gesetz seine "Schutzfunktion gegenüber Kindern und Jugendlichen", so Wulf.

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SPD-Familienpolitikerin Anke Mennig betonte in ihrer Rede, dass das Selbstbestimmungsgesetz niemandem etwas wegnehme, sondern Unrecht beseitige. Auch Kinder und Jugendliche hätten genauso wie Erwachsene, "ein Recht darauf sich frei zu entfalten und dazu zähle auch die geschlechtliche Identität." Daher seien Minderjährige im Gesetzesentwurf bewusst mitgedacht worden, so Mennig weiter.

Auch Sahra Wagenknecht (Bündnis Sahra Wagenknecht, BSW) kritisiert einen möglichen Missbrauch der Namens- und Geschlechtsänderung durch das geplante Gesetzesvorhaben. Darüber hinaus bemängelt sie, dass eine freie Geschlechtswahl "im Kriegsfall" nicht gelte.

Im Kriegsfall bleiben Männer dann eben doch Männer.

Sahra Wagenknecht, BSW

Quelle: AFP, ZDF, dpa

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