The Ocean Race: Doppel-Interview mit Sanni Beucke und Kevin ...

12 Feb 2023
Ocean Race

Kurz vor dem spannenden Zieldurchgang auf Etappe zwei geben “Holcim – PRB”-Skipper Kevin Escoffier und Susann Beucke in exklusiven Interviews mit YACHT online Auskunft über ihre bisherigen Erfahrungen, ihr Teamwork, das Boot und die Erfolgsaussichten.

Während die heiße Schlussphase auf Etappe zwei dem Showdown entgegensegelt, lassen wir “Holcim – PRB”-Skipper Kevin Escoffier und Susann Beucke von ihren bisherigen Erfahrungen berichten. Die folgenden Interviews mit dem erfahrenen Ocean-Race-Sieger und seinem Lehrling entstanden zwei Tage vor dem Etappenfinale. Sie geben gute Einblicke in die Erlebnisse der Olympia-Zweiten und Offshore-Senkrechtstarterin Susann Beucke bei ihrer Ocean-Race-Premiere. Kevin Escoffier berichtet über die Schlüssel zu den bisherigen Leistungen von Team Holcim – PRB und die Leistungen von Sanni Beucke. Die Interviews sind in Auszügen zu lesen und in voller Länge im Video-Clip zu sehen.

Susann Beucke happy bei ihrer Ocean-Race-Premiere im Team Holcim – PRB

Susann Beucke: “Ich hatte mich aufs Härteste eingestellt. Das ist in jedem Fall übertroffen worden”

Sanni, erfüllt die Ocean-Race-Premiere nach dem ersten Einsatz auf Etappe zwei Deine Erwartungen?

Als ich in die Etappe reingegangen bin, hatte ich gar keine Erwartungen, weil ich so gar keine Ahnung hatte, was auf mich zukommt. Deswegen ist es schwer zu beantworten, ob meine Erwartungen erfüllt worden sind oder nicht. Auf jeden Fall ist es interessant, wie sehr Freud und Leid hier draußen auf dem Ozean beeinander liegen. Die menschliche Herausforderung ist unglaublich. Ich hatte mich aufs Härteste eingestellt und das ist auf jeden Fall übertroffen worden.

Hast Du Überraschungen erlebt?

Mich überrascht es jeden Tag, wie sehr der Kopf dieses Rennen ausmacht, wie sehr die Müdigkeit meine Gedanken beeinflusst, wie sehr meine Stimmung auf die Stimmung der Crew übertragbar ist und wie sehr man da aufpassen muss. Wie nah schöne und niederschmertternde Momente, in denen es kalt und nass ist und man einfach nicht mehr kann, beieinander liegen. Das ist unheimlich schön, aber auch sehr hart auf eine ganz besondere Art und Weise. Das Boot überrascht mich jeden Tag. Es ist wahnsinnig schnell und es macht wahnsinnig Spaß, es zu segeln.

Wie läuft eine Wache bei Euch ab?

In meiner Wache, die drei Stunden lang ist, sieht es so aus, dass ich herauskomme und mich die erste Viertelstunde mit der Person unterhalte, die gerade vor mir an Deck war. Wir tauschen uns darüber aus, wie der Wind war und wie die Positionen sind. Dann werden meistens die nächsten zwei Stunden die Segel getrimmt. Oft steht noch ein Segelwechsel an, bevor meine Wache zu Ende ist. Das bedeutet: Noch einmal alles an Ölzeug anziehen, rauf auf den Bug, einmal komplett nass werden, unter Deck die ganzen Taschen umpacken. Das heißt, sie von A nach B zu bewegen, damit wir das Gewicht vom Boot anders trimmen.

Hast Du Schlafprobleme wie viele andere Segler, die mit den harschen Bewegungen der Boote und der sehr lauten Akkustik zu kämpfen haben?

Ich habe echt Glück und gar keine Schlafprobleme. Ich hatte eher damit zu kämpfen, als es so heiß war. Da konnte ich schwer einschlafen, hatte bei der Hitze Probleme, den Körper runterzukühlen. Das Gerumpel vom Boot macht mir eigentlich gar nichts aus.

Was genießt Du besonders, was gar nicht?

Es gibt wahnsinnig schöne Momente hier draußen auf dem Wasser. Aber auch wahnsinnig viele Momente, in denen man nicht mehr kann. Wenn es kalt ist, wenn der Kopf sagt: ‚Ich will nicht mehr.‘ Ich kann das gar nicht an einem speziellen Moment festmachen. Ich kann nur sagen, dass diese Momente extrem nahe beieinander liegen. Und dieses Spiel im Kopf zwischen ‚Alles ist super und ich freue mich sogar über einen kleinen Sonnenstrahl, der auf mein Gesicht fällt‘ zu ‘Ich merke, wie müde ich bin und wie schlechte Laune, also einen schlechten Moment ich habe‘ – das ist super interessant. Das passiert alles jeden Tag im Zehn-Minuten-Tag.

Wie hast du deine Äquatortaufe erlebt?

Unsere Äquatortaufe – also die unserer Anbord-Reporterin Georgia Schofield und meine, denn wir waren die beiden Neulinge – war recht unspektakulär. Ehrlicherweise war das etwas an Bord, was ohnehin gemacht werden musste. Die Jungs haben Fische in dem Tunnel gefunden, der die Fallen vom Mast ins Cockpit führt. Diese doch relativ unangenehme Aufgabe wurde kurzfristig in eine Äquatortaufe umgemünzt (lacht). Da es so eine unangenehme Aufgabe war, wurde sie natürlich an uns beide übertragen. Ich konnte das verstehen und habe diese Herausforderung mit einem knirschenden Lächeln angenommen. Es war schnell erledigt. Zumindest stinkt das Boot jetzt nicht mehr.

Wie gefällt Dir der enge Kampf im Finale von Etappe zwei? Als Olympionikin kennst du solche Situationen vermutlich gut?

Die Boote liegen extrem eng beieinander. Ich finde es mega cool, weil ich es vom olympischen Segeln so gewohnt bin, dass dann alles einfach schnell entschieden wird und erst vor der Zielgeraden klar ist, wer gewonnen hat oder wer Letzter ist. Das macht es spannender. Ich denke, manche Teammitglieder würden die Ergebnisse jetzt schon gerne mehr in trockenen Tüchern wissen. Aber mir macht es Spaß, dass es noch so eng ist.

Einige Teams musste ihren Proviant etwas rationieren, weil die beiden ersten Etappen insgesamt mehrere Tage länger dauerten als geplant. Habt Ihr noch Reserven?

Am Anfang hatten wir viel zu viel Essen eingepackt. Das ist uns am Ende zugute gekommen. Das Blöde ist, das wir keine Schokolade mehr haben. Das macht manche Teammitglieder etwas nervös an Bord. Aber ich habe noch mein eigenes Lakritz von zuhause eingepackt. Das bewahre ich mir sicher in meiner Tasche und habe das dann für harte Momente immer griffbereit.

Wie hast Du deinen neuen Skipper Kevin Escoffier bei deiner ersten Ocean-Race-Etappe erlebt? Wird er seinem Spitznamen „Positiver Kevin“ gerecht?

Kevin ist ein sehr erfahrener Skipper und weiß einfach in jeder Situation, was zu tun ist. Deswegen vertraue ich ihm super doll. Er ist ein super Leader, weil er einfach immer mit anpackt, immer mit vollem Herzen dabei ist. Es macht Spaß, mit ihm zu segeln.

Susann Beucke in der Auseinandersetzung mit den Elementen

“Es wird so verdammt hart werden!”

Du willst auch die Köngsetappe dieser Ocean-Race-Auflage von Kapstadt nach Itajai für Team Holcim – PRB bestreiten. Es geht nonstop vorbei an allen drei legendären Kaps. Fühlst Du Dich dafür gerüstet?

Das habe ich mich auch schon gefragt. Wie das fünf Wochen aushaltbar ist? Kevin sagt aber immer, dass sich ein Mensch an alle Situationen gewöhnen kann. Ich glaube, da hat er recht. Die Bedingungen, die ich hier am Anfang als hart wahrgenommen habe, die sind jetzt für mich easy. Es wird so verdammt hart werden. Ich weiß nicht, wie ich es schaffen werde, aber irgendwie wird es schon gehen. Das ist die ehrliche Antwort.

Glaubst du daran, dass Euer Team das Ocean Race gewinnen kann?

Ich bin der festen Überzeugung, dass das Team Holcim – PRB das Ocean Race gewinnen kann. Aus einem einfachen Grund: Weil wir richtig gut sind. Weil wir das Boot dazu haben. Weil wir das Team dazu haben. Weil wir die Motivation dazu haben. Und weil unser Song ‘Unstoppable‘ von Sia ist. Wer auf die Lyrics gehört hat – ‚I am a Porsche with no breaks‘ (dt.: Ich bin ein Porsche ohne Bremsen): Das ist Team Holcim – PRB!

Kevin Escoffier: “Der Schlüssel für unsere Position ist, dass wir Leute haben, die hart arbeiten und Erfahrungen aus dem Ocean Race mitbringen”

“Holcim - PRB”-Skipper Kevin Escoffier

Kannst Du die Schlüssel für Eure bisherigen Erfolge bei diesem Ocean Race nennen?

Wir sind sehr glücklich, hier im Spiel zu sein. Und wir sind froh, gegen vier weitere Boote antreten und mit ihnen kämpfen zu können. Ich glaube, das ganze Team Holcim – PRB hat sehr hart dafür gearbeitet, dass wir so ein gutes Boot zum Segeln haben. Es ist schnell und zuverlässig. Die Schlüssel für unsere Position sind, dass wir hart arbeitende Leute haben, die Erfahrung aus dem Ocean Race mitbringen. Das hat uns geholfen, in Alicante startklar zu sein. Punkt zwei ist die Crew. Wir sind vorher nicht viel zusammen gesegelt, haben aber eine sehr talentierte Crew. Wir haben beispielsweise jemanden an Land, der sich nur um das Boot an seinem Liegeplatz kümmert. Für mich bedeutet das Ocean Race, dass du auf jeder neuen Etappe ein bisschen besser als auf der vorherigen sein musst. Das gilt insbesondere für die Geschwindigkeit des Bootes.

Du bestreitest Regatten solo, zweihand und mit Crews – was gefällt dir am besten?

Ich denke, es sind keine unterschiedlichen Sportarten, weil es ja immer Segeln ist. Aber es sind unterschiedliche Übungen. Ich genieße, was wir jetzt gerade tun. Das ist weniger stressig als Einhandsegeln. Du hast mehr Zeit für den Genuss am Segeln als beim Solo-Einsatz. Ich bin sehr glücklich, wieder am Ocean Race teilzunehmen.

Bist Du mit Deiner Crew zufrieden?

Ich bin sehr happy mit der Crew. Sowohl im Leistungsbereich als auch auf der menschlichen Seite. Wir wissen, dass das Ocean Race ein sehr langes Rennen ist. Wir haben viele Crews erlebt, die gut gestartet sind, bevor es auf der menschlichen Seite schwierig wurde. Wenn das passiert, kannst du so viel leisten, wie du willst… Für mich sind beide Seiten wichtig. Und ich denke, dass wir auf den bisherigen beiden Etappen auch beides haben. Drücken wir die Daumen, dass es so bleibt.

Welches Zeugnis würdest du deinem Teammitglied Susann Beucke bei ihrer ersten Ocean-Race-Etappe ausstellen?

Susann hat hart gearbeitet. Wir wissen, dass sie eine Offshore-Seglerin werden will. Sie hat im vergangenen Jahr den Figaro-Circuit bestritten. Natürlich liegt noch viel Arbeit vor ihr, aber sie arbeitet hart. Es gibt nichts wie das Ocean Race, um eine vertikale Lernkurve zu absolvieren und einmal zu den besten Offshore-Seglern zu gehören. Aktuell hat Susann die Fähigkeiten und das Gefühl einer olympischen Seglerin, aber immer noch viel zu lernen. Aber es ist auch schön, jemanden in der Crew zu haben, der sehr motiviert ist zu lernen und gute Fragen stellt. Ich freue darauf, sie beim schnellen Lernen weiter zu pushen.

Hier geht es in der Schlussphase von Etappe zwei zum Tracker und den letzten Zwischenständen vor dem Zieldurchgang in Kapstadt.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten