Nvidia überholt Intel beim Jahresumsatz

22 Feb 2024
NVIDIA
KI-Boom Gehen Nvidia jetzt die Großkunden von der Stange?

Nvidia macht dem lateinischen Ursprung seines Namens alle Ehre. Konkurrenten kommen aus dem Neid nicht heraus. Doch lassen sich die Rekordzahlen durch den KI-Boom fortschreiben?

Jensen Huang, der aktuelle Tech-Superstar im Silicon Valley, musste einst von seinen Freunden Chris Malachowsky und Curtis Priem überredet werden, Nvidia zu gründen. „Ich liebte meinen Job und hatte eine junge Familie zu versorgen“, erinnert sich Huang, der seit 31 Jahren an der Spitze von Nvidia steht. Tatsächlich rauschte das junge Unternehmen, das sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Grafikkarten-Geschäft neu zu definieren, zum Start mehrfach knapp am Bankrott vorbei. In den Anfangsjahren lautete das inoffizielle Firmenmotto „Unser Unternehmen steht dreißig Tage vor dem Aus“.

Von Neid – der Firmenname steht für sowohl für das Kürzel von Nächste Version (NV), als auch für den lateinischen Begriff für Neid – war lange nichts zu spüren. Danach etablierte sich das Silicon Valley Unternehmen als zuverlässiger Anbieter für Grafikkarten für Computer – ein zyklisches Geschäft. Zehn Jahre nach Gründung lag der Umsatz bei zwei Milliarden Dollar. Nun ist Nvidia zu den ganz großen Namen der Welt aufgestiegen, läuft von Rekord zu Rekord und liefert sich mit Internet-Größen wie Amazon und Google ein Kopf an Kopf Rennen beim Börsenwert.

Vor anderthalb Jahren hat es den Turbo eingelegt, dank dem überraschenden Aufstieg von generativer Künstlicher Intelligenz, losgetreten von OpenAI. So wie beim kalifornischen Goldrausch, als die Anbieter von Spitzhacken und Schaufeln das große Geschäft machten, verdient sich Nvidia nun mit Spezialchips für generative Künstliche Intelligenz eine goldene Nase. Und der Neid, nicht nur bei der Konkurrenz von AMD und Intel, ist groß. Der Marktanteil von Nvidia bei KI-Chips wird auf über achtzig Prozent geschätzt.

Am Mittwoch, bei der Vorlage der aktuellen Quartalszahlen, erreichte Nvidia den nächsten Meilenstein. Nachdem das Unternehmen bereits zum wertvollsten Chipanbieter der Welt aufgestiegen war und Mitte Februar nach Microsoft und Apple vorübergehend der drittwertvollste US-Konzern nach Börsenwert war, hat Nvidia nun auch den Halbleiter-Veteran Intel, ein Urgestein des Silicon Valley, nicht nur beim Quartal, sondern auch beim Jahresumsatz überholt. Intel setzte im vergangenen Kalenderjahr 54 Milliarden Dollar um.

Nvidia hat im Finanzjahr 2024, das am 28. Januar endete, knapp 61 Milliarden Dollar umgesetzt. Und dabei sagenhafte 29 Milliarden Dollar an Gewinn eingestrichen. Intel, das heftig in neue Fabriken investiert, wies nur 1,7 Milliarden Dollar aus.

Analysten erwarten für das neue Finanzjahr den Marsch auf den 100 Milliarden Dollar Jahresumsatz. „Wir kommen bei der Nachfrage nicht hinterher, obwohl es etwas besser geworden ist“, sagte Huang am Mittwoch bei der Diskussion der Quartalszahlen. Im vergangenen Quartal gelang ein weiterer großer Umsatzsprung auf 22,1 Milliarden Dollar, mehr als das Dreifache gegenüber dem

Vergleichszeitraum des Vorjahres, wo man 6 Milliarden Dollar erreicht hatte. Doch Investoren fragen sich nervös, wie lange sich dieser Sprint noch durchhalten lässt, gegenüber dem dritten Quartal gelang „nur“ ein Zuwachs von vier Milliarden Dollar an Umsatz.

Entweicht die Luft schon wieder aus der generativen Künstlichen Intelligenz, schließlich ist gerade das Silicon Valley für seine Tendenz zu spekulativen Blasen berüchtigt? Haben die sogenannten Hyperscaler, die Anbieter von gigantischen Rechenzentren wie Amazon, Microsoft oder Google erstmal ihren Bedarf an KI-Beschleunigern gedeckt? Und fahren Wettbewerber wie AMD und Intel, die mit eigenen Produkten zur Verfolgungsjagd ansetzen, dem Quasi-Monopolisten demnächst in die Parade? Mehr noch: Amazon, Google und Microsoft entwickeln inzwischen ihre eigenen KI-Chips und lassen diese von Auftragsfertigern produzieren, ahmen also das Geschäftsmodell von Nvidia nach. Gehen diese Großkunden in naher Zukunft von der Stange?

Huang versuchte am Mittwoch, diese Bedenken zu zerstreuen. Das Geschäft mit seinen sogenannten „Hopper-Chips“ läuft weiter glänzend. „Die Wachstumsbedingungen in diesem Jahr und darüber hinaus sind exzellent“, unterstrich der Nvidia-Chef.

Nvidia teilt derzeit seine Produkte wie in einer Mangelwirtschaft zu. Interessenten müssen nachweisen, dass sie diese tatsächlich für den Ausbau ihrer Rechenzentren als Beschleuniger von KI verwenden und nicht auf Vorrat horten. Im aktuellen Quartal erwartet das Unternehmen einen Umsatz von 24 Milliarden Dollar. Auch über die Konkurrenz macht sich Huang keine allzu großen Sorgen. Noch in diesem Jahr wird sein Unternehmen mit seinen „Blackwell-Grafikprozessoren“ die nächste Produktgeneration auf den Markt bringen. Details dazu wird es Mitte März auf Nvidias Entwicklerkonferenz geben.

Der Markt, so Huang, sei gigantisch. Zwar erwirtschaftet Nvidia derzeit über die Hälfte seines Rechenzentrengeschäfts mit Hyperscalern, den großen Cloud Anbietern also. Aber: „Rechenzentren werden zu KI-Rechenzentren und das nicht nur bei den Hyperscalern, sondern in jeder Industrie“, behauptet der Nvidia-Chef. „Das sind Hunderte Milliarden Dollar, die in den Aufbau einer globalen KI-Infrastruktur fließen.“ Und dabei stehe man erst im ersten Jahr eines Zyklus, der laut Huang durchaus zehn Jahre und länger dauern kann.

Mit anderen Worten: Selbst wenn sich mehr Konkurrenz formen sollte, der Markt ist groß genug. Zumal alle vom gleichen Engpass betroffen sind, der Kapazität von Auftragsherstellern wie Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC). Einfach mal den Wettbewerber mit Masse und Preiskampf zu übertrumpfen, geht nicht. „Nvidias Produkte sind hochspezialisiert, Preiskampf wird schwer“, meint Chris Rolland, Halbleiteranalyst beim Finanzhandelsstrategen Susquehanna International Group. „Wettbewerber wie AMD haben zudem nicht das Software Ecosystem, das Nvidia um sich herum aufgebaut hat.“ Er glaubt, dass die Konkurrenz mindestens ein halbes Jahrzehnt braucht, bevor man Nvidia richtig Paroli bieten kann.

Auch dem Argument, dass man beim Anwenden der Künstlichen Intelligenz Modelle zunehmend normale Computerprozessoren verwenden werde – Fachjargon Inferenz – und nicht wie beim Trainieren der Modelle Grafikchips – versuchte Huang, den Wind aus den Segeln zu nehmen.

„Unsere Schätzungen zeigen, dass über 40 Prozent unserer Installationen für Inferenz genutzt werden und das ist noch niedrig gegriffen“, so Huang. Die Industrie bewege sich weg von Computerprozessoren zu Grafikprozessoren, behauptet er. Seine Worte zeigten Wirkung. An der Nasdaq legte Nvidia im nachbörslichen Geschäft um 8,6 Prozent zu, nachdem Anleger in den vergangenen zwei Tagen Gewinne mitgenommen hatten. Zum Höchststand, den Nvidia Mitte Februar erreicht hatte, fehlen nur noch zwei Prozentpunkte.

Auch das einstige Kerngeschäft mit Grafikkarten für PC und Laptops, legte gegenüber dem Vorjahr um 56 Prozent auf rund 2,87 Milliarden Dollar zu. Es stagnierte allerdings im Vergleich zum dritten Quartal.

Der Verkauf von Lösungen für autonomes Fahren – Nvidia hat unter anderem eine Allianz mit Mercedes – kommt weiter nicht richtig in die Gänge. Zwar legte es gegenüber dem dritten Quartal um acht Prozent zu, schrumpfte jedoch im Vorjahresvergleich um 4 Prozent. Mit 281 Millionen Dollar ist es im Vergleich zum Rechenzentrengeschäft ohnehin nur Portokasse.

Wermutstropfen sind die Exportbeschränkungen für China, die die US-Regierung kürzlich ausgeweitet hat. Nvidia muss hier den Balanceakt hinbekommen, diese einzuhalten, zugleich aber den chinesischen Markt nicht zu verlieren. Das Unternehmen verkauft nun weniger leistungsfähige Produkte an das Reich der Mitte. Doch die Frage ist, ob die Kunden das hinnehmen werden.

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