Aus im Halbfinale in Melbourne: Rätselhafter Djokovic scheitert bei ...

Jannik Sinner ließ es, und das war vielleicht das Beeindruckendste an diesem Tag, nicht nur am Anfang, sondern auch am Ende ganz leicht aussehen. Als wäre das ein Arbeitstag wie jeder andere in der Rod Laver Arena bei den Australian Open im Halbfinale gegen Novak Djokovic: Dienstbeginn um 14.47 Uhr, Feierabend 3:22 Stunden später um 18.09 Uhr.

Der 22 Jahre alte Italiener aus einem kleinen Dorf im Südtiroler Pustertal hat am Freitag den großen Djokovic 6:1, 6:2, 6:7 (6:8), 6:3 bezwungen und steht zum ersten Mal in seiner Karriere im Finale eines Grand-Slam-Turniers. „Es fühlt sich großartig an. Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte Sinner hinterher: „Ich habe im letzten Jahr in Wimbledon im Halbfinale verloren und viel daraus gelernt.“

Und der geschlagene Djokovic? „Das war eines der schlechtesten Grand-Slam-Matches, das ich je gespielt habe“, befand der Serbe, der sich im Turnierverlauf nicht wie er selbst gefühlt habe. Sinner habe „alles besser gemacht“.

Sinner lässt sich nicht beirren

Es war lange ein rätselhafter Auftritt von Djokovic, der in den ersten beiden Sätzen alles andere als gut spielte. Aber auch eine Demonstration der eigenen Stärke von Sinner, der sich von nichts beirren ließ. Selbst nachdem der Serbe den dritten Satz gewonnen und Sinner schon einen Matchball vergeben hatte, war von Nervosität bei ihm nichts zu spüren.

Für Djokovic, den 24-maligen Grand-Slam-Champion, gibt es ja fast immer einen Weg zurück in solche Spiele, vor allem in Melbourne. Zehn Mal hatte er hier zuvor schon im Halbfinale gestanden. Zehn Mal ist er ins Finale eingezogen. Zehn Mal hat er das Endspiel gewonnen. Nun war Schluss gegen Sinner, der drei seiner letzten vier Partien gegen Djokovic gewonnen hat.

Sinner schaffte es von Beginn an, immer wieder in die Grundlinienduelle zu kommen, aus denen er häufiger als Sieger hervorging als sein Gegner, auch beim Aufschlag von Djokovic. Die Statistiken des ersten Satzes lasen sich wie eine Horrorbilanz für den Serben. Sinner machte nur vier Fehler ohne Not, Djokovic 15. Hinzu kamen zwei Doppelfehler von Djokovic und eine Quote beim ersten Aufschlag von 43 Prozent.

Keine Flüche, keine Gefühlsausbrüche

Djokovic hatte zu Beginn des Turniers mit einem Infekt zu kämpfen und anstrengende Matches in den ersten Runden hinter sich. Nie stand er auf seinem Weg ins Halbfinale länger auf dem Platz als in diesem Jahr. Doch gegen Sinner wirkte er nicht kraftlos. Dafür erstaunlich ruhig.

Djokovic, so schien es, ließ die drohende Niederlage einfach so über sich ergehen: ohne Gefühlsausbruch, ohne Fluchen, ohne Signal an den Gegner nach eigenen Punkten. „Ich habe in den ersten zwei Sätzen gemerkt, dass er sich nicht so gut gefühlt hat, und habe einfach weitergemacht“, sagte Sinner.

Die erste Reaktion von Djokovic gab es erst im zweiten Satz beim Stand von 2:4, als er einen Breakball in einem Ballwechsel abwehrte, den er diktiert hatte: Da streckte er den Schläger in den Himmel und forderte das Publikum mit einer Handbewegung auf, Stimmung zu machen. Das war sofort da mit Sprechchören: „Novak, Novak, Novak“, hallte es durch die Arena. Zwei Punkte später hatte Djokovic auch dieses Aufschlagspiel abgegeben mit einem Lob und einer Vorhand, die hinter der Grundlinie im Aus landeten.

Djokovic wehrt Matchball ab

Erst im dritten Satz fand Djokovic zu seinem Spiel, platzierte seine Schläge näher an die Linien und machte vor allem deutlich weniger Fehler. Im Tiebreak hatte Sinner schon einen Matchball, vergab ihn jedoch mit einer Vorhand, die im Netz landete. Djokovic war plötzlich wieder da, ballte die Faust und ließ seinen 14 Jahre jüngeren Gegner erst mal darüber nachdenken, was da gerade passiert war, als er für eine Pause in den Katakomben der Arena verschwand.

Doch Sinner spielte so weiter wie zuvor. Als wäre nichts gewesen. Beim Stand von 2:1 sicherte sich der Italiener im vierten Satz das entscheidende Break. Im letzten Aufschlagspiel dieser Partie servierte er beim Stand von 15:15 seinen ersten Doppelfehler des Spiels. Selbst das brachte ihn nicht aus dem Rhythmus. Zwei gute Aufschläge und eine Vorhand longline später stand er im Finale.

Dort trifft er nun auf den Sieger aus der Partie zwischen dem Deutschen Alexander Zverev und dem Russen Daniil Medwedew. Beide standen im bisherigen Turnierverlauf deutlich länger auf dem Platz als Sinner, der eines schon mal ankündigte für sein erstes großes Finale: „Ich werde hier mit einem Lächeln auf den Platz kommen“, sagte er: „Und mein Bestes geben.“

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