Die Lage am Morgen: Schafft es der Finanzminister nach ...

15 Aug 2024

Ohne Blankoscheck nach Blankenfelde

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner will heute um 15 Uhr seinen Landesverband in Brandenburg im Wahlkampf unterstützen. Nach Blankenfelde-Mahlow soll die Reise gehen, und der Termin ist deshalb bundespolitisch relevant, da der Finanzminister während seines Auftritts nicht weiterverhandeln könnte über die fünf Milliarden Euro, die (angeblich oder tatsächlich) noch im Bundeshaushalt des kommenden Jahres fehlen. Anfang Juli hatte die Bundesregierung zwar den Haushaltsentwurf nach langen und zähen Gesprächen beschlossen, aber seither hat Lindner einige Passagen des Zahlenwerks aufgrund zweier Rechtsgutachten wieder infrage gestellt.

Nancy Faeser - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

Also verhandeln Lindner, Kanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck wieder. Eigentlich sollte ihre Lösung bis Mittwochabend vorliegen. Schafft Lindner trotzdem seine Brandenburg-Reise? Für eine Tour zum Bodensee gestern reichte die Zeit.

Sonnenuntergang in Blankenfelde-Mahlow

Foto:

Soeren Stache / dpa

So viel sei hier verraten: Die Koalition wird eine Lösung finden, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. So wie immer bisher. Weil keiner Schluss machen will, auch wenn keiner mehr Lust auf den anderen hat. Und weil Scholz im Zweifel immer noch eine Idee hat, aus welchem Topf sich fünf Milliarden ziehen lassen, oder mit welcher Gesetzeskonstruktion sich Einnahmen erschließen lassen, die auch Liberale nicht als Steuererhöhungen oder verfassungswidrige Schulden verstehen.

Leider halten diese Kompromisse selten lange. Weil eine Partei findet, sie hat sich zu billig verkauft. Weil Wolfgang Kubicki noch eine Wortmeldung hat. Oder weil wichtige Details ungeklärt blieben, sodass die Unzufriedenen nur an einem Faden ziehen müssen, um den ganzen Pullover aufzuribbeln. Und jenseits von Berlin, wo die Menschen für solche Sperenzchen keine Geduld haben, wächst das Gefühl: Diese Politiker kriegen das einfach nicht hin. Ob sie dann die FDP mit ihrer Stimme belohnen?

In Lindners Reiseziel Blankenfelde-Mahlow hatte die FDP bei der jüngsten Kommunalwahl im Juni laut Amtsblatt  2026 Stimmen (4,4 Prozent) und bekam einen Sitz im Stadtrat. Bei der Europawahl  bekam sie 4,7 Prozent, bei der Kreistagswahl  4,2 Prozent. Raten Sie mal, wer jeweils stärkste Kraft war.

Nancy Faeser - Figure 2
Foto DER SPIEGEL

Mehr Hintergründe zum Haushaltszoff: Wenn zwei sich streiten, freut sich Habeck 

Heikle Verhandlungen

In der dauerhaft explosiven Lage im Nahen Osten ist ein Termin heute sehr verlässlich: Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas wird in einer Sondersitzung vor dem türkischen Parlament in Ankara sprechen. Auch sehr wahrscheinlich ist, dass es heute in Katar eine neue, möglicherweise entscheidende Runde der Verhandlungen um eine Waffenruhe und die Freilassung der von der Hamas entführten israelischen Geiseln geben wird.

Mahmoud Abbas und Recep Tayyip Erdoğan am Mittwoch in Ankara

Foto: Turkish Presidental Press Servic / AFP

Die israelische Regierung will eine hochrangige Delegation nach Doha schicken, die Hamas hat angekündigt, niemanden zu schicken – denn ihre Unterhändler sitzen ohnehin in Katar. Wird eine Einigung gelingen? Davon hängt wohl noch mehr ab, als das Leben der israelischen Geiseln und der Menschen im Gazastreifen, die dem massiven Bombardement aus Israel ausgesetzt sind: Denn eine Einigung könnte entscheidend dafür sein, einen Militärschlag von Iran abzuwenden, der nach der Tötung des Hamas-Chefs Ismail Haniyyeh und einem führenden Kader der Terrororganisation Hisbollah befürchtet wird. Ein Durchbruch bei den Verhandlungen wäre für die Mullahs in Teheran eine Möglichkeit, gesichtswahrend aus der Vergeltungsfalle zu kommen. Denn weder sie, noch Israel oder die Hisbollah im Libanon können zurzeit einen großen Krieg wollen.

Trotzdem dürfte Israels Premier Benjamin Netanyahu, der in einer Koalition mit ultrarechten Kräften steckt, wenig kompromissbereit sein. Und das gilt auch für den Hamas-Chef Yahya Sinwar, dem Architekten des Massakers vom 7. Oktober, der nach Haniyyehs Tötung auch Politchef der Terrororganisation ist – und für den es buchstäblich ums Überleben geht.

Nancy Faeser - Figure 3
Foto DER SPIEGEL

Unser Israel-Korrespondent Thore Schröder schätzt: »Wir werden aller Wahrscheinlichkeit nach keinen schnellen Durchbruch sehen, die Verhandlungen könnten aber dazu dienen, Zeit zu erkaufen, um Iran von einer harten Reaktion abzuhalten.«

Mehr Hintergründe zu Irans Präsident in der Nahostkrise hier: Der Doktor und die Falken 

Buchstabensuppe

Meine Kollegin Eva Lehnen hat mich auf einen Urlaubstrend aufmerksam gemacht, der mir bislang entgangen war: Urlaubsfotos vor Riesenbuchstaben, die den Namen der Ferienstadt bilden. Offenbar werden immer mehr Städte mit solchen Schriftzügen vollgestellt, um den Touristengruppen eine Foto-Option zu bieten. Nicht selten stehen sie vor den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Städte, sodass man es kaum vermeiden kann, die Stadtwerbung auf den Urlaubsfotos mit nach Hause zu tragen.

Schriftzüge in Danzig, Nizza, Merida, Toronto, Calp und Amsterdam: »Wie wäre es mit einem O?«

Foto: [M] DER SPIEGEL / NurPhoto / Getty Images; jeafish Ping / dreamstime / IMAGO; Sergi Reboredo / ZUMA Wire / IMAGO; Rosemarie Stennull / Alamy / mauritius images; Roberto Machado Noa / LightRocket / Getty Images; Frank Cornelissen / IMAGO

Kollegin Eva hat solche Buchstaben »gefühlt in aller Welt« gefunden, »in großen und kleinen Städten, auf Plätzen und vor Sehenswürdigkeiten oder an Strandpromenaden. In Cartagena und Cancún, in Ascona und Aberdeen, in Valencia, in Danzig oder auf der Chalkidiki«. Die Autorin selbst ertappte sich dabei, ihre Mitreisenden begeistert vor die Kulisse des Schriftzuges #KAUNAS zu schleifen und abzulichten.

Nancy Faeser - Figure 4
Foto DER SPIEGEL

Die Stadt Bochum soll für seine »wiedererkennbare Landmarke« in 8,80 Meter Breite und 2,20 Meter Höhe sogar 100.000 Euro ausgegeben haben. Da bin ich erleichtert, dass der umtriebige Bürgermeister meiner rheinischen Heimatstadt Siegburg diesen Trend noch nicht entdeckt hat. Zum Glück liegt unser touristisches Highlight, ein ehemaliges Benediktinerkloster mit fast tausendjähriger Historie, auf einem Hügel, also in sicherer Entfernung vor einer quietschbunten Buchstabenkulisse.

Mehr Städte-Buchstaben hier: »Könnte einer mal bitte durchs A schauen?« 

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz
Verliererin des Tages…

…ist Nancy Faeser. Die Bundesinnenministerin besucht heute auf ihrer »Sicherheitstour« eine Beratungsstelle der Bundespolizei zu Gewalt gegen Frauen. Doch falls Faeser bei ihrem Statement am Vormittag überhaupt Fragen zulässt, werden die sich wohl vor allem um die gestrige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts drehen, das die Verbotsverfügung der Ministerin gegen das rechte Hetzblatt »Compact« vorläufig ausgesetzt hat. Für den Verleger Jürgen Elsässer ein Triumph, und für die AfD auf den letzten Metern vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen auch eine willkommene Unterstützung.

»Compact«-Verleger Jürgen Elsässer mit einem Foto von Innenministerin Nancy Faeser in den Händen

Foto: Jens Kalaene / dpa

Die Opposit..., pardon, der Koalitionspartner FDP hat Faeser dafür auch schon heftig kritisiert – »böse Klatsche«, »peinlich«. Und in der Tat ist es peinlich für die Chefin eines Verfassungsressorts, das besondere Verantwortung für die Wahrung des Grundgesetzes bei allen Maßnahmen der Regierung trägt, einen so scharfen Eingriff in die Pressefreiheit offenbar nicht gerichtsfest vorbereitet und gerechtfertigt zu haben. Ob es in der Hauptverhandlung für sie besser laufen wird?

Nancy Faeser - Figure 5
Foto DER SPIEGEL

Mehr zu den juristischen Hintergründen: Ist Faesers »Compact«-Verbot juristisch heikel? 

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

US-Bürger muss 15 Tage in russisches Gefängnis: Zunächst soll der Mann ausfallend geworden sein – später dann handgreiflich gegen die Polizei: Ein US-Amerikaner ist in Moskau zu einer kurzen Haftstrafe verurteilt worden. Es droht aber ein weiteres Verfahren.

Vater von Fußballstar Yamal soll niedergestochen worden sein: In der spanischen Stadt Mataró ist es Medienberichten zufolge zu einem Angriff auf den Vater von Fußballer Lamine Yamal gekommen. Sein Zustand sei ernst, aber stabil.

Altarstein von Stonehenge kam aus Schottland: Bislang war die Herkunft des Altarsteins in Stonehenge unklar. Jetzt zeigt eine Studie: »Mit einem hohen Grad an Sicherheit« stammt der tonnenschwere Stein aus Schottland. Nur: Wie kam er von dort nach Südengland?

Diesen Text möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

Streit am Esstisch: »Es ist wichtig, den Kindern zu zeigen: Wir geben uns Mühe, das konstruktiv zu klären«

Foto: DragonImages / Getty Images

»Das Beste ist, den Konflikt auf seiner Seite zu beenden« In Beziehungen wird auch mal gestritten. Was können Eltern tun, damit ihre Auseinandersetzungen die Kinder nicht zu sehr belasten? Und welche Fehler sollten sie unbedingt vermeiden? Das erklärt der Pädagoge und Trainer für Paarkommunikation, Christian Pröls-Geiger, im Interview. Hier seine Tipps für eine bessere Streitkultur. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche