Die Causa Krah spaltet die AfD und ihr Vorfeld

Kaltstellen oder nicht? Die Causa Krah spaltet die AfD und ihr Vorfeld

Nach Bekanntwerden von Spionagevorwürfen gegen einen Mitarbeiter steht der AfD-Politiker Maximilian Krah unter Druck. Die Parteiführung hat sich dafür entschieden, den Spitzenkandidaten für die Europawahl nicht zu ersetzen. Werben will sie mit ihm aber auch nicht. Damit macht sie es niemandem recht.

Maximilian Krah AfD - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Ein Bild aus besseren Zeiten: Maximilian Krah, Tino Chrupalla und Alice Weidel (von links) im Juli 2023 beim AfD-Parteitag in Magdeburg.

Imago / Frank Hoermann / Sven Simon

«Vielen Dank, lieber Max», rief der AfD-Parteichef Tino Chrupalla am Samstagnachmittag in die Donauhalle im baden-württembergischen Donaueschingen. Eigentlich hätte Maximilian Krah dort seinen grossen Auftritt haben sollen. Doch wie angekündigt blieb der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl im Juni dem Wahlkampfauftakt seiner Partei fern – und war doch der grosse Anwesende.

Chrupalla bedankte sich bei Krah, dass er durch seine Abwesenheit die Sache der Partei und nicht sich in den Mittelpunkt gestellt habe. Seit am Dienstag bekanntwurde, dass ein langjähriger Mitarbeiter Krahs im Europäischen Parlament der Spionage für China verdächtigt wird, ist der Druck auf Krah gross. Gewusst haben will er von der Tätigkeit seines mittlerweile entlassenen Assistenten nichts.

Krah bleibt Spitzenkandidat

Um aber den Wahlkampfauftakt seiner Partei nicht weiter zu belasten, einigten sich Krah und die beiden Vorsitzenden der AfD, Alice Weidel und Chrupalla, nach einem Sechs-Augen-Gespräch am Mittwoch darauf, dass Krah nicht nach Donaueschingen kommen würde. Geworben wird mit ihm auf Plakaten und in Werbevideos auch nicht – «um den Wahlkampf sowie das Ansehen der Partei nicht zu belasten», wie es danach in einer Mitteilung hiess. Gleichwohl bleibt er formell Spitzenkandidat. Mit ihrer salomonischen Entscheidung wollten die Parteichefs es allen Lagern in der Partei recht machen. Letztlich erreichten sie aber wohl das Gegenteil.

Die einen halten es für schädlich, dass sich die Partei nicht solidarischer hinter ihrem Spitzenkandidaten versammelt. Die anderen sehen in Krah auch nach der Entscheidung der Parteiführung eine bleibende Belastung für die Wahlen in diesem Jahr. Schliesslich wird im Juni nicht nur das Europäische Parlament neu gewählt, sondern im September auch drei neue Länderparlamente in Ostdeutschland. Besonders in Sachsen und in Thüringen, aber auch in Brandenburg hofft die AfD auf gute Ergebnisse wie nie zuvor.

Die Enttäuschung unter Krahs Kritikern ist auch deshalb gross, weil Weidel bei der Versammlung der Bundestagsfraktion am Dienstag noch ganz anders geklungen haben muss. Sie, die sonst die Dinge eher laufen lasse, habe die Causa Krah schliesslich selbst auf die Tagesordnung gesetzt, berichtet ein Teilnehmer. Man habe sie dabei nur so verstehen können, dass man Krah die Spitzenkandidatur nehmen müsse, um von der Partei Schaden abzuwenden.

Chrupalla gegen Weidel

Es kam dann anders als von den einen erhofft und den anderen befürchtet. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Aber offenbar hatte Weidel nicht den Mut, sich gegen Chrupalla durchzusetzen und es im Bundesvorstand zum Schwur kommen zu lassen. Ihr Kollege im Partei- und Fraktionsvorsitz sieht in der Causa Krah bislang in erster Linie kein Politikum, sondern vor allem eine juristische Angelegenheit. Gegen Krah selbst lägen schliesslich keine Vorwürfe vor. Deshalb müsse für ihn die Unschuldsvermutung gelten, betonte Chrupalla beim Wahlkampfauftakt.

Unstrittig zwischen Krah-Gegnern und -Loyalisten ist, dass das Aufkommen der Vorwürfe gegen seinen langjährigen Mitarbeiter wenige Wochen vor der Europawahl kaum ein Zufall sein könne. Schliesslich sei der verhaftete Ex-Assistent Jian G. schon vor Jahren aufgefallen, als er deutschen Geheimdiensten seine Dienste anbot. Schon damals habe man ihn für einen Agenten Pekings gehalten.

Dass man erst jetzt und damit in einem wichtigen Wahljahr gegen ihn vorgehe, lässt viele über politische Motive spekulieren. So etwa äusserte sich der Abgeordnete Stefan Keuter. Ihn hatte die Fraktionsführung am Donnerstag ins Rennen geschickt, als es im Bundestag um eine mögliche ausländische Beeinflussung der AfD ging.

Parteifreunde kritisieren Krah scharf

Es sind freilich nicht nur wahltaktische Fragen, die die AfD in der Causa Krah spalten. Wegen Zweifeln an seiner Unabhängigkeit von russischer und chinesischer Einflussnahme war der Widerstand gegen Krahs Wahl auf den ersten Listenplatz der Europawahl von Anfang an gross. Viele sahen in ihm eine tickende Zeitbombe.

In der «I told you so»-Fraktion ist der Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter eine besonders laute Stimme. Schon vor dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Krahs Mitarbeiter veröffentlichte er auf seiner Homepage eine detaillierte Rezension von Krahs politischer Programmschrift «Politik von rechts – ein Manifest». Darin geisselt Kleinwächter die weltanschauliche Übereinstimmung von Krah und der Kommunistischen Partei Chinas. Sein Manifest sei antiwestlich.

Tatsächlich sieht Krah in China und Russland ein Bollwerk gegen den universalen Machtanspruch des von ihm abgelehnten «woken Westens». Unter kulturellen Vorbehalt gestellte Menschenrechte sollen an die Stelle des westlichen Universalismus treten, eine multipolare Weltordnung samt Interventionsverbot die freie Selbstbestimmung der Völker ersetzen. Damit überzeugt er auch in seiner Partei nicht jeden. «Ich jedenfalls will den Praxistest seiner Ansichten in Deutschland niemals erleben müssen», schloss der Parteifreund Kleinwächter seine Besprechung.

Das zeigt, dass es in der AfD in entscheidenden Fragen der Aussen- und Sicherheitspolitik nicht einfach nur Flügel und Strömungen gibt wie in anderen Parteien auch. Letztlich handelt es sich hier um zwei weltanschaulich verschiedene Parteien. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, aber auch der Überfall der Hamas auf Israel und wie sich Deutschland jeweils dazu stellen solle, hat den tiefen Graben zwischen den beiden Flügeln offengelegt. Die einende Ablehnung etwa der vorherrschenden Migrationspolitik kann ihn nicht länger verdecken.

Der Identitäre Sellner spricht sich für Krah aus

Gerade weil Krah aber Exponent einer Richtung ist, die das liberale Paradigma ablehnt, ist die Unterstützung für ihn im neurechten Vorfeld der AfD gross. Der österreichische Identitäre Martin Sellner etwa warnte die Partei jetzt sinngemäss davor, in die ihr gestellte Falle zu tappen. Man wolle die innerparteilichen Kräfte kaltstellen, die eine souveräne Aussenpolitik wollten, sagte er in einem auf Telegram verbreiteten Video.

Darin geisselte er das «Einknicken» der AfD. «Der Spitzenkandidat Krah soll in den Giftschrank gestellt werden.» Das sei der Versuch des bundesrepublikanischen «Establishments», sich eine Rechtspartei zurechtzuschnitzen. Nachdem die Rufe nach einem Verbot leiser geworden seien, gehe es jetzt darum, sie ideologisch zu kastrieren. «Dazu muss man die Partei nicht einmal unterwandern.» Es genüge, immer wieder dieselben Personen – Björn Höcke, Petr Bystron oder eben Maximilian Krah – zu attackieren.

Das führe dazu, dass in der Partei sich das Gefühl breit mache, man müsse nur diese Leute loswerden, um in Ruhe gelassen zu werden. Sellner warnt eindringlich vor diesem Schluss. Die AfD würde dann zur blossen Widerstandsattrappe. Die Anhänger der Partei sollten Druck machen, dass Krah nicht kaltgestellt werde, appellierte er.

Ähnlich hatte sich zuvor schon Götz Kubitschek geäussert, einer der Gründer des Instituts für Staatspolitik in Schnellroda. Krah ist mit dem vom deutschen Inlandgeheimdienst als rechtsextrem eingestuften Think-Tank in der sachsen-anhaltischen Provinz wie andere AfD-Politiker aus dem Osten Deutschlands eng verbunden. Im von Kubitschek betriebenen Antaios-Verlag erschien auch sein Buch «Politik von rechts».

Neurechter Publizist warnt die AfD, Krah zu opfern

In einem online veröffentlichten Beitrag für das vom Institut für Staatspolitik herausgegebene Magazin «Sezession» warnte Kubitschek die Partei jetzt davor, der Öffentlichkeit nachzugeben und Krah zu opfern. Wie weite Teile der AfD insinuierte er eine Kampagne. Schliesslich sei der festgenommene Mitarbeiter Krahs bereits seit 2014 beobachtet worden. Bezeichnenderweise habe man gerade jetzt alles zusammengetragen, um zuzuschlagen.

Wie Sellner geisselt er die Hoffnung auf nachlassenden Druck als Irrweg. «Kein AfD-Politiker solle sich von irgendjemandem, der ausserhalb der Partei steht, in eine Abgrenzung zu denjenigen Parteifreunden treiben lassen, die in zwei und in vier Monaten als Spitzenkandidaten zur Wahl stehen», schrieb Kubitschek der AfD-Führung ins Stammbuch.

Sich von der deutschen Öffentlichkeit prinzipiell abzukoppeln, empfahlen Kubitschek und Co. der AfD auch in anderen Fragen. Nur so könne die Partei aus eigener Kraft mehrheitsfähig werden, lautet der immer wieder erteilte strategische Rat. Ob er sich bei den in diesem Jahr anstehenden Wahlen angesichts der Schwere der im Raum stehenden Vorwürfe bewährt, muss sich erst noch zeigen.

Einen ersten leichten Dämpfer mass jetzt eine neue Umfrage im Auftrag des ZDF zur Europawahl. Gemäss dieser fiel die AfD nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Krahs Mitarbeiter um einen Prozentpunkt auf 15 Prozent zurück. Doch wie Parteifunktionäre und sympathisierendes Vorfeld sind viele Wähler der AfD für Vorwürfe, die von den etablierten Parteien und staatlichen Stellen vorgebracht werden, nicht mehr empfänglich – selbst dann, wenn es um den Verdacht des Landesverrats im Raum der Partei geht.

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