Manor Lords im Test Rasterlos durch das Mittelalter

Düsseldorf · Mit viel Spannung wurde Manor Lords vom Entwickler Slavic Magic erwartet. Neben der Tatsache, dass eine einzelne Person das ganze Spiel entwickelt, schüren die Detailtiefe und das Kampfsystem die Erwartungen. Wir konnten uns das Spiel vorab ausführlich anschauen.

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So schön sieht das Mittelalter-Aufbauspiel Manor Lords aus

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Foto: Slavic Magic/Screenshot

Am Anfang scheint „Manor Lords“, wie jede andere Siedlungssimulation zu sein. Ein Holzfäller sorgt für Bauholz, welches dann für die ersten Häuser bereitgestellt wird. Es gibt ein zusätzliches Lager für Brennholz fürs Eigenheim, ebenso ein Sammellager und auch eine Jägerhütte, damit der Nahrungsvorrat für das erste Jahr reicht. Doch schon früh fällt auf, was das Spiel anders als die Konkurrenz macht: der Ochse.

Für gewöhnlich entstehen die Gebäude auf Knopfdruck, wie etwa bei der Anno-Reihe, oder die Ressourcen werden von den Bauarbeitern direkt genommen und zur Baustelle gebracht, wie es bei Farthest Frontier der Fall war. Manor Lords geht einen anderen Weg. Für den Transport von schweren Baumaterialien wird der Ochse eingesetzt, der dann geduldig zusammen mit seinem Ochsenknecht das entsprechende Material zur Baustelle zieht. Dort angekommen wird es abgeladen und der Weg geht wieder zurück ins Lager, um den nächsten Baumstamm zu holen. Kleinere Materialien wie Steine wiederum können von den Bewohnern getragen werden. Anschließend wird dann das entsprechende Gebäude gebaut.

Stein auf Stein, Balken an Balken

Man kann zuschauen, wie zuerst das Grundgerüst steht und schrittweise die einzelnen Elemente ergänzt werden. Der Entwickler orientiert sich dabei auch daran, wie Gebäude tatsächlich gebaut wurden. Es werden also nicht die Baumaterialien zur Baustelle gebracht und dann entsteht ein Gebäude, sondern die Holzbalken werden miteinander verbaut, die Steine aufeinandergestapelt und zum Schluss kommt das Dach. Natürlich werden die einzelnen Schritte nicht ins tiefste Detail nachgestellt, aber es ist dennoch schön zu sehen, wie viel Mühe sich der Entwickler hierbei gegeben hat, diesen Prozess auch im Spiel abzubilden.

Nachdem die Grundversorgung steht, können die Häuser gebaut werden. Auch hier geht Manor Lords wieder einen eigenen Weg. Da alle Gebäude rasterlos gesetzt werden können, können die Wohnbereiche auch rasterlos geformt werden. Hierfür wird einfach ein Bereich mithilfe von vier Eckpunkten gesetzt, wobei die ersten zwei Punkte die Länge der Häuserreihe bestimmen und die anderen zwei die Tiefe. Ist an einer Seite eine Blockade, etwa durch eine Straße, wird der Bereich automatisch angepasst, sodass ein organisches Bild entsteht.

Die Länge der Häuserreihe ist wichtig für die Anzahl der zu entstehenden Häuser, die Tiefe wiederum für den Anbau von Gemüse und die Zucht von Hühnern und Ziegen. Je tiefer, desto mehr Anbau- und Zuchtfläche gibt es, was wiederum direkten Einfluss auf die Produktion von Gemüse, Eier und Ziegenhäute hat. Diese gibt es nämlich nur, wenn man die Häuser um das entsprechende Upgrade erweitert. Lebensmittelvielfalt ist wichtig für die Zufriedenheit und beschleunigt das Wachsen des Dorfes.

Anstatt dass Gemüse also extra auf einem dafür angelegten Feld beackert wird, wie es beispielsweise bei Banished der Fall ist, kann theoretisch jedes Haus seinen eigenen Gemüsegarten anlegen. Genauso verhält es sich auch mit den Hühnern. Dennoch sollte man nicht anfangen, alle Häuser damit auszustatten. Zum einen ist das Upgrade gerade anfangs relativ teuer, weil der Geldfluss noch nicht da ist, zum anderen kann nur ein Upgrade pro Haus verbaut werden. Spätestens dann, wenn man die Häuser auf Level 2 heraufgestuft hat, wird das ganze komplizierter.

Handwerker arbeiten, wo sie wohnen

In fast allen Simulatoren dieser Art ist man es gewohnt, dass es pro Handwerk ein eigenes Gebäude gibt. Je nachdem, welches Spiel man spielt, gibt es eine Schmiede, einen Bogner, eine Brauerei, eine Weberei oder einen Schneider. Solche Gebäude gibt es auch bei Manor Lords, aber eben doch etwas anders. Es gibt zwar einen Brennofen, um das Eisenerz in Eisenbarren zu schmieden und auch eine Mälzerei als Grundlage für eine erfolgreiche Bierproduktion.

Allerdings gibt es als alternatives Upgrade zu Hühnern, Gemüse und Ziegen ab Hauslevel 2 Berufe, die als Upgrade gekauft werden können. So verwandelt sich der Hinterhof eines Hauses in eine Schmiede und alle Bewohner schwingen sofort den Schmiedehammer, um Rüstung, Schwerter oder Lanzen zu produzieren. Der Schneider fängt an, das Garn in Kleidung zu verwandeln, während der Schuster bei seinen Leisten bleibt und fleißig Schuhe herstellt. Die Überproduktion kann man anschließend beim Handelsposten zum Verkauf bereitstellen, womit etwas Geld in die Dorfkasse fließt, welches dann wiederum für Upgrades verwendet werden kann, oder um fehlende Ressourcen zu kaufen.

Berufe sind Familiensache

Arbeit wird auch nicht einer Person zugewiesen, sondern immer einer Familie, womit es auch schon einen Unterschied zu anderen Simulatoren gibt, in denen immer eine einzelne Person den Beruf ausübt. Die Größe einer Familie bestimmt also auch die letztendliche Produktion. Damit sich mehr Familien im Dorf ansiedeln, ist es wichtig, einen stetigen Nachschub an neuen Häusern zu bauen, die dann bezogen werden können. Nur so erhält man neue Arbeitskräfte, die für die Berufszuweisung notwendig sind.

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Foto: Square Enix

Die Landwirtschaft, für gewöhnlich die Hauptquelle für Nahrung, orientiert sich an den bekannten Mustern. Man markiert eine Fläche, auf der angebaut werden soll. Man kann aber nicht jede Fläche nutzen, sondern muss darauf achten, dass der Boden entsprechende Fruchtbarkeit für die Pflanzen aufweist – die eine Fläche passt besser für Gerste, die andere für Weizen oder Flachs. Außerdem nimmt die Fruchtbarkeit nach jeder Saison ab, wenn man keine Fruchtfolge einbezieht oder die Ackerfläche brachliegen lässt. Ansonsten gibt es auch hier das bekannte Muster: Weizen wird zur Mühle gebracht, in der es zu Mehl gemahlen wird. Von dort aus geht es dann zum Gemeinschaftsofen, in welchem es dann zu Brot gebacken wird. Gerste wiederum wird zum Mälzer gebracht, von wo sich dann der Brauer bedient, um daraus Bier zu brauen, welches in der Taverne getrunken wird.

So entsteht nach und nach eine florierende und zufriedene Dorfgemeinschaft, die fleißig den Wohlstand vermehrt und wächst. Zumindest so lange, bis Banditen und gegnerische Fürsten auftauchen. Was direkt der nächste Punkt ist, den Manor Lords anders macht.

Wo Wohlstand ist, sind auch Neider

Es gibt Banditen und feindlich gesinnte Fürsten. Die Banditen klauen ab und an ein paar Ressourcen, können aber auch das gesamte Dorf überfallen. Wenn man dann nicht schnell seine Truppen formiert und aufgestellt hat, brennen die Banditen mehrere Gebäude nieder und lassen das friedliche Dorf in Flammen aufgehen. Der gegnerische Lord, der sich aber außerhalb der Karte befindet, kann wiederum Regionen für sich beanspruchen und zur Unterstreichung seines Herrschaftsanspruchs auch eine Armee hinschicken. Wenn man etwas dagegen hat, muss man sich mit seiner eigenen Armee in den Weg stellen. Auch bei der Erstellung seiner Armee schlägt Manor Lords einen eigenen Weg ein.

Anstatt dass man eine ständig bereitstehende Armee hat, oder man bestimmte Einwohner explizit zu Soldaten oder Ähnlichem ausbildet, stehen einem in Manor Lords nur Milizen oder Söldner zur Verfügung. Die Söldner muss man aus seinem eigenen Vermögen bezahlen, Milizen wiederum müssen ausgerüstet werden. Und dafür benötigt man, je nachdem, welche Einheit man haben möchte, Bögen, Lanzen, Speere oder Schwerter, genauso wie Schilde oder zusätzliche Rüstung. Diese kann man entweder teuer importieren, oder man stellt diese selber her. Wobei es einem selbst überlassen ist, ob man direkt die gesamte Warenkette erschafft, also vom Erzabbau über das Einschmelzen bis hin zur Produktion, oder ob man die benötigten Rohstoffe einfach einkauft.

Krieg ist schlecht für die Wirtschaft

Je nach Schwierigkeitsgrad kann es schon Sinn ergeben, wenn man möglichst früh anfängt, seine Einheiten ausreichend auszurüsten, um sich gegen feindliche Truppen verteidigen zu können – vorausgesetzt, man wächst schnell genug und hat genügend Männer im Dorf. Ist das der Fall, können die Milizen zusammengerufen werden. Alle Männer (Frauen werden in diesem Spiel nicht zum Dienst an der Waffe gerufen), die dieser Einheit zugeordnet sind, lassen ihre Arbeit ruhen, gehen nach Hause, statten sich mit ihrer Rüstung und Waffen aus und laufen zum festgelegten Sammelpunkt. Dies hat natürlich einen empfindlichen Effekt auf die Wirtschaft, wenn ein großer Teil der Arbeiterschaft nun nicht mehr arbeitet und stattdessen in den Krieg ziehen muss.

Eine weitere Besonderheit ist die taktische Aufstellung der Truppen. Anstatt dass man einzelne Bewohner hat, die dann einfach in die Schlacht geschickt werden, kann man seine Milizen in eine besondere Formation schicken. Das ganze erinnert an Total War. So kann man entscheiden, ob die Einheit lang gezogen steht, um so eine größere Breite, aber eine geringe Tiefe abzudecken, und von wo aus die Bogenschützen auf die Feinde schießen sollen. Truppen können zudem die Moral verlieren und sich, bei einer drohenden Niederlage, vorzeitig zurückziehen oder sogar komplett auflösen. Auch kleinere taktische Elemente, wie den Fokus auf Verteidigen oder das Stürmen der gegnerischen Positionen zu legen, oder die Bogenschützen für eine höhere Treffsicherheit näher an den Feind heranrücken zu lassen, sind bei bisherigen Siedlungssimulationen nicht zu finden. Damit vertieft Manor Lords das Kampf-Element mehr als bei vergleichbaren Spielen.

Aufstieg und Entwicklung sind mitunter zäh

Neue Gebäude und Ressourcen werden in einem Forschungsbaum freigeschaltet. Derzeit erhält man Entwicklungspunkte ausschließlich über das Weiterentwickeln von Häusern. Man muss pro Stufe eine bestimmte Anzahl von Häusern auf gewissen Level erreichen, damit der nächste Forschungspunkt freigeschaltet wird. So wird beispielsweise die Schafzucht ermöglicht, die Köhlerei freigeschaltet oder die Jägerhütte bekommt einen stetigen Bonus. Das Freispielen dieser Entwicklungspunkte ist derzeit noch etwas mühselig und dadurch, dass man diese auch nur über mehr und bessere Häuser bekommt, auch stellenweise eintönig. Ob der Entwickler hier etwas ändern wird, ist nicht bekannt.

Wenn man genügend Einflusspunkte gesammelt hat, kann man Anspruch auf benachbarte Regionen erheben und diese dann auch besiedeln. Man beginnt dort mit einem neuen Dorf, kann aber auch mithilfe einer Packstation Ressourcen aus der benachbarten Region in das neue Dorf bringen.

Manor Lords ermöglicht es zudem, mit seinem eigenen Herrscheravatar durch das Dorf zu flanieren und dabei zuzuschauen, wie die Dorfbewohner ihrer täglichen Arbeit nachgehen. Es existieren zwar derzeit noch keine Interaktionsmöglichkeiten mit den Dorfbewohnern und es ist unklar, ob so was noch kommen wird, dennoch freut man sich, wenn man beobachtet, wie die Dorfbewohner eifrig ihren Aufgaben nachgehen.

Das steckt im Early Access

Da Manor Lords noch in der Entwicklung ist, fehlen auch noch viele Merkmale. Der Forschungsbaum ist noch etwas karg, viele Optionen sind mit einem „Work in Progress“ gekennzeichnet und der Boden kann sich manchmal nicht entscheiden, was er jetzt darstellen möchte. Eine Produktionsübersicht fehlt auch, sodass man nur raten kann, wie viele Ressourcen wohin wandern und was man deaktivieren müsste, um beispielsweise genügend Bretter zu haben, um das nächste Gebäude zu errichten. Das Spiel kommt aber ruckelfrei daher und mit den bisherigen Möglichkeiten kann man damit auch einige Stunden Spaß haben.

Da das Spiel noch in Entwicklung ist, ist aber auch davon auszugehen, dass noch weitere Elemente dazukommen, auch wenn der Entwickler bisher keine Roadmap vorgelegt hat. So sind am Rande der Karte explizite Handelsbanken zu sehen, die einen Hinweis darauf geben, dass zukünftig bestimmte Waren dort günstiger oder teurer als sonst gehandelt werden können. Auch im Forschungsbaum sind viele Punkte noch deaktiviert und kommen vermutlich erst später hinzu.

Manor Lords ist im PC Game Pass enthalten und auf Steam im Early Access. Entwickelt wird das Spiel von Greg Styczen unter dem Firmennamen Slavic Magic.