Titelchance gegen Werder Bremen Bayer Leverkusen will nicht auf der Couch Deutscher Meister werden

Leverkusen · Bayer Leverkusen kann am Sonntag gegen Werder Bremen seine erste deutsche Meisterschaft der Clubgeschichte feiern. Warum die Werkself am Vortag aber noch mit den ärgsten Verfolgern mitfiebert.

Garant für den Sieg in der Europa League gegen West Ham United: Die eingewechselten Victor Boniface (rechts) und Jonas Hofmann markierten die Tore beim 2:0-Erfolg.

Foto: dpa/Marius Becker

Sehr viele Jahre klebte der Makel des „ewigen Zweiten“ an der Bayarena. Manifestiert im Begriff „Vizekusen“. Nicht nur hatte das kleine Unterhaching im Jahr 2000 dafür gesorgt, dass Bayer Leverkusen am letzten Spieltag noch die Meisterschale in Richtung München schicken musste; zwei Jahre später verspielte der Verein auch einen Fünf-Punkte-Vorsprung an den letzten drei Spieltagen und wurde „nur“ Vize im DFB-Pokal und in der Champions League. In den Jahren danach hallten die Fangesänge der gegnerischen Fans entsprechend laut durch die Stadien der Fußball-Bundesliga: „Nie deutscher Meister, Ihr werdet nie deutscher Meister“. Diese Gesänge sind in den vergangenen Jahren immer leiser geworden und schließlich ganz verstummt. Selbst die Fans des 1. FC Köln – nicht unbedingt bekannt als große Freunde des Nachbarn an der Stadtgrenze – hatten das einstmals populäre Liedgut beim Besuch im Oktober 2023 nicht mehr im Repertoire.

Am Sonntag können die Bayer-Profis nun endgültig dafür sorgen, dass das auch künftig so bleibt. Denn mit einem Sieg gegen Werder Bremen (Sonntag, 17.30 Uhr/DAZN) kann die Truppe von Trainer Xabi Alonso den Meistertitel schon am 29. Spieltag perfekt machen. Einer, den das besonders freuen dürfte, ist Rudi Völler. Der aktuelle Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und langjährige Bayer-Funktionär hat die „Vizekusen“-Zeit aus nächster Nähe erlebt. „Der Begriff ist mir ein bisschen auf den Keks gegangen. Aber da muss man wohl manchmal durch. Wir haben es ja auch vorher nie geschafft, aber das ist dann vorbei“, sagte der 63-Jährige bei einem Termin in Bonn gegenüber dem GA.

Leverkusen steht vor dem Gewinn der Meisterschaft

Am Donnerstagabend verfolgte Völler neben Bayer-Chef Fernando Carro auf der Tribüne der Bayarena, wie Leverkusen sogar die Chance auf das Triple wahrte: Mit einem 2:0-Erfolg über West Ham United stieß die Werkself das Tor zum Halbfinale der Champions League weit auf. Und im DFB-Pokal steht das Team sogar schon im Endspiel. „Der Club hat einen wunderbaren Kader zusammengestellt und – das ist letztendlich auch das ganz große Geheimnis – mit Xavi einen überragenden Trainer verpflichtet, der wirklich aus einer sehr, sehr guten Mannschaft eine überragende Mannschaft geformt hat“, lobte Völler, der auch am Sonntag wieder in der Bayarena sitzen wird.

Einen kleinen Vorgeschmack auf die mögliche Bundesliga-Krönung lieferten die Bayer-Anhänger schon nach der Europapokal-Partie, als sie die feiernden Spieler vor der Tribüne mit „Deutscher Meister wird nur der SVB“ und „Und deutscher Meister werden wir in diesem Jahr“ aus der Vereinshymne begrüßten. „Beim Gesang der Fans habe ich Gänsehaut bekommen“, sagte Jonas Hofmann. Der Mittelfeldspieler war in der 76. Minute eingewechselt worden, nur sieben Minuten später erzielte er selbst das 1:0 und bereitete das 2:0 vom ebenfalls eingewechselten Victor Boniface vor (90.+1), so dass Bayer nun mit besten Aussichten zum Rückspiel am kommenden Donnerstag (21 Uhr/RTL) nach London fliegt.

Geschichte schreiben für Verein und Fans

Mit Blick auf den Sonntag hatte der Matchwinner einen großen Wunsch: keine Sofa-Meisterschaft. „Wir haben das Glück, dass alles perfekt für Sonntag gestellt ist. Ich hoffe, wir können es selber entscheiden“, erklärte er in den Katakomben. „Wir wollen das nicht irgendwie auf der Couch bei einem Glas Wasser einen Tag vorher“, denn dort könne man „gar nicht so die Emotionen rauslassen“. Deswegen drücke er am Samstag sogar den Verfolgern Bayern München und VfB Stuttgart die Daumen (beide 16 Punkte Rückstand).

Auch Erfolgstrainer Alonso fiebert dem ersten Matchball entgegen: „Die Vorfreude ist groß. Sie kann nicht größer sein“, meinte er: „Wenn wir gewinnen, sind wir Meister. Wir müssen Vollgas geben. Wir haben 90 Minuten, um etwas sehr Spezielles zu erreichen.“ Dass sein Team angesichts der ersten Titelchance verkrampfen könnte, glaubt der Bayer-Coach nicht. „Wir sind sehr stabil im Kopf, motiviert, aber nicht übermotiviert“, sagte er. Und außerdem könne und wolle man am Sonntag zwar alles klar machen, „aber zum Glück haben wir noch viele Chancen“.

Seine Akteure jedenfalls sind fest entschlossen, gleich die erste Möglichkeit auch zu nutzen. „Wir wissen, dass wir Geschichte schreiben können. Für den Verein, für die Fans, für uns selbst“, sagte Mittelfeld-Chef Granit Xhaka: „Wir werden alles dafür tun, den Sack zuzumachen.“ Und dann, meint Hofmann, „wird es hoffentlich unbeschreiblich nach dem Spiel“. Im Stadion – nicht auf dem Sofa.