Biathlet Benedikt Doll: „Bleib' doch noch ein bisschen!“

Vielleicht sollte Benedikt Doll die Stöpsel, die er sich vor seinen Rennen in die Ohren steckt, in den kommenden Tagen öfter tragen. Den Satz „Bleib doch noch ein bisschen“ wird er nach dem Gewinn der Einzel-Bronzemedaille bei der Biathlon-Weltmeisterschaft noch einige Male hören müssen.

Dabei hatte der 33-Jährige vor Saisonbeginn angekündigt, erst nach der WM in Nove Mesto, die am Sonntag endet, mitzuteilen, ob er Ski und Gewehr in diesem Jahr einmotten wird oder in die Verlängerung geht. Beim Deutschen Skiverband (DSV) wünschen sie sich Letzteres. Bundestrainer Uros Velepec kündigte halb im Scherz an, mit Dolls Frau Miriam sprechen zu müssen, um ihn vom Weitermachen zu überzeugen.

Unumstrittener Leader

Mit Benedikt Doll würde nicht nur der erfahrenste und derzeit erfolgreichste Biathlet abtreten, sondern auch der unumstrittene Leader der Mannschaft. Er war es, der vor dem WM-Auftakt eine motivierende Rede vor dem Team gehalten hat, bei der es „jedem ein bisschen den Rücken runtergelaufen ist“, wie DSV-Sportdirektor Felix Bitterling verriet.

In die Karten schauen ließ sich Benedikt Doll auch im Moment der größten Erschöpfung und Erleichterung nicht. 20 Kilometer hatte er sich im WM-Einzelrennen durch den weichen Schnee gekämpft, viermal sein Kleinkaliber-Gewehr angelegt, zweimal im Liegen, zweimal im Stehen auf die fünf schwarzen Scheiben gezielt und nur eine verfehlt.

Gut zehn Minuten musste er danach warten, bis der letzte Norweger die Ziellinie überquert hatte. Sechs von ihnen waren gestartet, aber nur zwei liefen schneller als Doll: Johannes Thingnes Bö, der seine 19. WM-Goldmedaille gewann, und dessen älterer Bruder Tarjei.

Nicht nur für Benedikt Doll, der 2012 sein Weltcup-Debüt gab, war der dritte Platz eine Bestätigung dafür, dass er noch mit der Weltspitze mithalten kann. Sondern auch für die Arbeit des gesamten deutschen Teams, das nach der ersten WM-Woche, als die Medaillen ausblieben, mit dem Skimaterial und dem Schießstand gehadert hatte. Nach einer großen Aussprache aller Beteiligten platzte der Knoten.

„Ich weine innerlich“

Als feststand, dass er sich seinen Wunsch, den er vor der WM formuliert hatte, an mindestens einer Siegerehrung teilnehmen zu wollen, erfüllt hatte, wanderte Benedikt Doll von Interview zu Interview. Ob da wirklich ein Tränchen in seinen Augen schimmerte oder es nur das grelle Licht der riesigen Flutlichtmasten der Vysocina-Arena war, das darin glänzte, bleibt sein Geheimnis. Allen Grund dafür, emotional zu werden, hatte er.

Sechs Jahre musste der Sprintweltmeister von 2017 auf seine dritte Einzelmedaille warten, nachdem er bei den Olympischen Spielen 2018 ebenfalls Bronze gewonnen hatten. „Ich weine innerlich“, sagte er und grinste. Doch er blieb auch selbstkritisch: „Beim letzten Schießen habe ich einen Tick zu lange gezielt und bin aus dem Rhythmus gekommen. Das war nicht optimal.“

Der Schwarzwälder, der mit seinem Vater einen Koch-Blog zu den Themen Ernährung, Genuss und Ausdauersport betreibt, tüftelt gern. Als es in den letzten Weltcup-Rennen vor der WM beim Schießen haperte, stellte er das Gewehr ein paar Tage in die Ecke. „Aber dann wollte ich meine Fehler ausmerzen“, berichtete er, dafür habe er vor allem die technischen Grundlagen trainiert. „Das ist keine Raketenwissenschaft, sondern das, was man als junger Biathlet schon lernt.“

Wissenschaftlich arbeiten kann der Baden-Württemberger aber auch. Nach der Karriere im Spitzensport will er nicht nur mehr Zeit für seine Familie haben, sondern sich auch wieder dem Studium widmen. Der Wirtschaftsingenieur hat bereits einen Bachelor in Marketing und Vertrieb abgeschlossen, nun will er sich im Bereich der „technischen Gebäudeausstattung“ weiterbilden“, sagt er, „Heizung, Lüftung, Klima, Steuerung, das interessiert mich.“

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