Die ZDF-Serie „Füxe“: Ein Mann will nach oben

ZDF

Zu Beginn des Wintersemesters zeigt sich eine Seite des Immobiliendilemmas wieder deutlich. Bezahlbarer Wohnraum ist für viele, auch für Studenten Mangelware. Glücklich, wer ein WG-Zimmer findet oder ein Zimmer im Studierendenwohnheim. Privilegiert, wessen Eltern eine Wohnung auf Zeit kaufen. Die meisten aber müssen sehen, wo sie bleiben.

So auch Adem Kameri (Valon Krasniqui), angehender Student der Betriebswirtschaftslehre. Beim WG-Vorstellungsgespräch, das eher einem Verhör gleicht, fällt er durch. Er will lernen, die anderen halten es mehr mit Chillen. Er will Karriere, seine Mitbewohner in spe wollen „sich einbringen“. Woanders ist ihm seine Herkunft im Weg. In Deutschland geboren, aber kosovarischer Herkunft – Adem bekommt nur Absagen. Mina (Roxana Samadi), die er in der Jugendherberge kennenlernt, hat solche Probleme nicht.

Zwar stammt ihre Familie aus Iran, aber sie sind Ärzte, entsprechend ist das finanzielle Polster. Mina kann es sich leisten, neben dem Jurastudium ehrenamtlich in der Wohnungsvermittlung für Geflüchtete zu helfen, meint Adem. Seine Eltern, Vater Enis (Kasem Hoxha) und Mutter Hasani (Hanife Sylejmani), haben ihr Leben lang geackert für die Chance, Adem ein Studium zu ermöglichen. Von den Bildungsmöglichkeiten in Deutschland halten sie das Höchste. Sie glauben fest daran: Wer durch Leistung Meriten erwirbt, dem zeigt sich hierzulande soziale Durchlässigkeit. Neben Gott ist es die Meritokratie, der Verdienstadel, der ihren Glauben bildet. Familien halten zusammen.

Warum so ausführlich auf die Exposition dieser ungewöhnlichen Serie über junge Menschen am Beginn ihres Lebens- und Karrierewegs eingehen? Weil man, sieht man die eher spektakulär scheinenden Werbebilder der ZDF-Mini-Serie „Füxe“, ziemlich auf den Holzweg gerät. Es kann sein, dass Verteidigern und Verächtern sogenannten Corpswesens hierbei gleichermaßen der Kamm schwillt. Den einen, weil sie zu merken meinen, dass hier nationalkonservative Studentenverbindungen und ihre Traditionen pauschal der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Den anderen, weil sie meinen werden, dass linke und liberale Studenten hier ungerechterweise als Schluffis und Protestler denunziert werden.

Kein „Abgehängter“ sein

Die Geschichte(n), die dieser Vierteiler erzählt, ist vielschichtiger und grundsätzlicher. Was macht der Wunsch nach Aufstieg mit einem intelligenten, fleißigen und zielstrebigen jungen Mann, der die Mechanismen der Machtnetzwerke erkennt und um keinen Preis ein „Abgehängter“ sein will? Den die Unterwürfigkeit und Demut, die seinem Vater im Berufsleben abverlangt wurde, schmerzt? Wer Privilegien genießt, kann sich leicht aufs hohe moralische Ross setzen, darum geht es auch. Wer hier „Seelenverkauf“ wittert, sitzt vielleicht in einer gemütlich beheizten, von den Altvorderen finanzierten Wohnung. Oder saß einmal.

Es ist kein Zufall, dass „Füxe“ für das „Kleine Fernsehspiel“ von einem unbekümmert scheinenden Nachwuchsteam realisiert wurde, das augenscheinlich eigene Lebenswirklichkeit verarbeitet und nicht jede Szene mit „Bildungsauftrag“ garniert. Haltungen hat „Füxe“, aber sie schwanken, jedenfalls im Fall von Adem. Am Rechtsaußenrand ziehen sie eindeutig die Grenze. Adem hat immer noch kein Zimmer gefunden in Marburg. Als er auf die Anzeige des „Corps Gothia“ stößt, ändert er, der vielfach Abgewiesene, seinen Namen kurzerhand in Adam Kamer. Nur zwei Buchstaben, einer ausgetauscht, einer weggelassen, verändern seine Aussichten fundamental.

Die altehrwürdige Villa, von den Alumnis finanziert, in der die Corpsstudenten wohnen, pauken, kneipen und, so scheint es, in ideeller Gemeinschaft ihren Charakter in „geistiger Unabhängigkeit“ schulen, imponiert ihm. Er zieht ein, trainiert für seine erste Mensur mit scharfen Klingen, ext das Bier und ist bereit zu glauben. Er spricht Sprüche nach, die Ähnlichkeit mit Rechtsaußen-Parolen haben. Für ihn hat „Treue, Ehre, Kameradschaft“ keine fatale historische und ideologische Konnotation (in diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass „Treue“ politisch-militärisch wie zivilgesellschaftlich im demokratischen Deutschland Verfassungstreue bedeutet oder bedeuten sollte).

Die „Gothia“ freilich sieht sich als Corps freigeistiger, unabhängiger Staatsbürger. Weltoffen, alle willkommen heißend, so wird geworben. Die primitiveren männerbündischen Sprüche zeigen sich vor allem im volltrunkenen Zustand der jungen Studenten. Adem überzeugt nach und nach nicht nur das Praktische des Arrangements (einhundertfünfzig Euro Miete alles inklusive), auch die Hierarchie und der für ihn folkloristische Anstrich mit Farben, Pomp, Zeremonien und Traditionen sprechen ihn an. In der Vermögensverwaltung eines der alten Herren findet er einen Karrieresprung-Nebenjob.

Dass er ausgerechnet einen Immobilienfonds verwaltet und mit „Entmietungen“ zu tun bekommt, nimmt er billigend in Kauf. Dafür hilft er Mina, in die er sich verliebt hat, beim Übersetzen und der Wohnungssuche für eine alleinerziehende albanische Mutter. Der Namensschwindel fliegt auf. Es könnte aber sein, dass Adems Identitätswechsel, seine Rücksichtslosigkeit und Ellbogenstrategie ihn für den Alumni-Vermögensverwalter Alfons Mayer (Richard van Weyden) gerade zum heißen Assistenten-Kandidaten macht.

Hier und da ist „Füxe“, trotz der Mehrschichtigkeit, etwas kursorisch geraten. Im Bemühen, jedem der Corpsbrüder eigene Biographien anzudichten, sind die Charaktere zum Teil bilderbuchartig geraten (Regie David Clay Diaz und Susan Gordanshekan, Buch Joe Hofer und David Clay Diaz, Kamera Dino Osmanovic). Manches wirkt zu verengt. Positiv aber ist zu vermerken, dass Adem, der Held, am Ende eben nicht die Voraussehbarkeit des Ausgangs bedient. Dass es mit dem Geistesadel in dieser, ihrem Selbstverständnis nach, Elite im Zweifel nicht weit her ist, zeigt sich in einer Szene, in der Vincent dem Vorarbeiter einer Fassadenmalertruppe herablassend Scheine in die Hand drückt, unmittelbar.

Füxe findet sich in der ZDF-Mediathek.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten