Posthum veröffentlichte Memoiren: Stoiber soll laut Schäubles ...

27 Tage vor
Posthum veröffentlichte Memoiren Stoiber soll laut Schäubles Erinnerungen Merkel-Sturz geplant haben

Bis heute arbeitet sich die Union an Merkels Entscheidungen im Sommer 2015 ab. Laut nun bekannt gewordenen Erinnerungen von Wolfgang Schäuble wurde es für die Kanzlerin eng: Edmund Stoiber soll gegen sie intrigiert haben.

Stoiber - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

03.04.2024, 14.24 Uhr

Bundeskanzlerin Angela Merkel im September 2015 bei Selfies mit Asylsuchenden: »Das waren starke Statements«

Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

Angela Merkel hat in ihrer Zeit als Kanzlerin die CDU stark geprägt – vom aufgehobenen Fraktionszwang bei der »Ehe für alle« bis zum deutlich christlicheren Flüchtlingskurs. Nicht allen in der Partei gefiel der Kurs. Wie vergiftet die Atmosphäre zum Teil war, schildern nun die Memoiren des verstorbenen CDU-Politikers Wolfgang Schäuble. Demnach soll ihn der ehemalige CSU-Chef Edmund Stoiber auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise zu einem Sturz von Merkel gedrängt haben.

In vom »Stern« veröffentlichten Auszügen schildert Schäuble, die Lage in der Union sei im Herbst 2015 schwierig geworden. »Höhepunkt war der CSU-Parteitag, als der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende (Horst Seehofer) der Kanzlerin wie einem Schulmädchen die Leviten las«, heißt es dort. »Inzwischen wurde auch Edmund Stoiber aktiv und feuerte Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an. Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden.«

»Aus humanitären und europapolitischen Gründen richtig«

Er habe das entschieden abgelehnt, schreibt Schäuble. »Wie Jahrzehnte zuvor bei Kohl blieb ich bei meiner Überzeugung, dass der Sturz der eigenen Kanzlerin unserer Partei langfristig nur schaden könnte, ohne das Problem wirklich zu lösen. Das war mein Verständnis von Loyalität, das nach heutigen Maßstäben vielleicht ein wenig antiquiert erscheint.«

Stoiber war von 1993 bis 2007 bayerischer Ministerpräsident und von 1999 bis 2007 Vorsitzender der CSU. In der Flüchtlingskrise äußerte er wiederholt Kritik an Merkels Kurs.

Gegenüber dem SPIEGEL lehnte Stoiber eine Stellungnahme zum »Stern«-Bericht ab: »Ich habe mit wenigen Kollegen in meinem Leben so viele persönliche und vertrauliche Gespräche seit den 80er Jahren bis in die letzten Jahre hinein geführt, wie mit meinem langjährigen und eng verbundenen Kollegen Wolfgang Schäuble«, schrieb er. »Berichte darüber habe ich niemals kommentiert und das gilt für mich natürlich auch heute nach seinem Tod weiter«, fügte er hinzu.

In den vom »Stern« veröffentlichten Passagen bekräftigt der im Dezember gestorbene Schäuble seine grundsätzliche Unterstützung für Merkels Entscheidung, im Herbst 2015 die deutschen Grenzen für Schutzsuchende offen zu halten, äußerte aber auch Kritik an ihrem Handeln bei dem Thema. »Als die Kanzlerin am 4. September 2015 die im Rückblick für diese Krise zentrale Entscheidung traf, die Grenzen angesichts der katastrophalen Zustände am Bahnhof von Budapest, wo Flüchtlinge zu Tausenden gestrandet waren, weiterhin offen zu halten, fand ich dies aus humanitären und europapolitischen Gründen richtig«, schreibt er.

Er habe Merkel nach Kräften unterstützt, und auch ihren Satz »Wir schaffen das« habe er richtig gefunden. »Das waren starke Statements. Sie hätten eben nur von einer Vielzahl weiterer Maßnahmen und Anstrengungen begleitet werden müssen, um zu verdeutlichen, dass diese einmalige Notmaßnahme unwiederholbar war.« Im Unterschied zur Kanzlerin habe er es für richtig gehalten, »den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken und klarzumachen, dass der Einsatz für die Flüchtenden eben auch mit Kosten und Opfern verbunden ist«. Er sei gelegentlich frustriert darüber gewesen, »dass Merkel in mancherlei Hinsicht beratungsresistent blieb. Nach meiner Einschätzung hätte sie ganz andere Möglichkeiten gehabt, um wirklich politisch zu führen und nicht nur zu reagieren.«

Das Schäuble-Buch »Erinnerungen. Mein Leben in der Politik« erscheint kommende Woche. Der CDU-Politiker war am zweiten Weihnachtstag im Alter von 81 Jahren gestorben. Schäuble war in seiner langen politischen Karriere Kanzleramtschef, Bundesinnen- und -finanzminister, CDU-Vorsitzender und Bundestagspräsident gewesen. Zuletzt war er einfacher Abgeordneter im Bundestag, dem er 51 Jahre lang angehörte – so lange wie kein anderer Abgeordneter in der deutschen Parlamentsgeschichte. Er wurde in seiner Heimatstadt Offenburg beigesetzt.

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