Premiere im Skifliegen: Der „Monsterbakken“ verleiht Flügel

Endlich fliegen. So weit, wie es geht. Für Katharina Althaus ist es ein Kindheitstraum. Sie hat sich in ihrem Sport nichts sehnlicher als weite Flüge auf einer großen Schanze gewünscht. Jahrelang hat die dreimalige Skisprung-Weltmeisterin der jüngsten Nordischen Titelkämpfe von Planica davon geträumt. Am Sonntag ist er in Erfüllung gegangen.

Zwar nicht ganz so, wie sich das die 26 Jahre alte Oberstdorferin vorgestellt hat. Doch immerhin: Jetzt sind auch die Frauen en vogue. Sie machen es wie die Männer. Fahren den „Monsterbakken“ von Vikersund hoch, schauen tief hinunter ins Tal – und nehmen in der Anlaufspur Tempo auf, um kurz danach abzuheben.

Skifliegen auf Norwegens größter Schanze – ein Genuss für all diejenigen, die es können. Dass die Frauen es nun auch dürfen, ist mehr als überfällig. Katharina Althaus war eine der treibenden Kräfte, die sich für die Gleichberechtigung im Skifliegen stark gemacht haben. Ja, es stimmt: Nicht nur Halvor Egner Granerud, der aktuelle Dominator der an diesem Wochenende zu Ende gegangenen Raw-Air-Serie, kann famos Skifliegen. Auch die Frauen können es. Allen voran die derzeit Beste ihres Fachs, Ema Klinec. Die wagemutige Athletin aus der Skisprungnation Slowenien hat am Sonntag das geschafft, was Katharina Althaus verwehrt geblieben ist: mehr als 200 Meter weit zu fliegen.

Natürlich hat es Rekorde gegeben. Kein Wunder, denn es war die Premiere im Frauen-Skifliegen. Ema Klinec hat ihren Konkurrentinnen eine Lektion erteilt. Ruhig und gekonnt ist die Slowenin die Schanze runtergeflogen. Sie hat den Flug, dem passenden Luftpolster sei Dank, so weit es geht nach unten gezogen. 226 Meter im ersten Versuch, 223,5 Meter im zweiten. Weltklasse, Weltspitze, Weltrekord.

„Die 200 sind ein Kindheitstraum“

Einmal über 200 Meter fliegen – das hat sich Katharina Althaus immer vorgenommen. In Vikersund hat es nicht geklappt. Auf 194 und 190 Meter weit trug es die Allgäuerin jeweils, womit sie Platz vier belegte. Die magische 200-Meter-Marke blieb für sie unerreicht. Auch Selina Freitag (188 und 170,5 Meter) und Anna Rupprecht (173 und 142,5 Meter) vermochten es nicht, die Schallmauer zu durchbrechen. „Mein Traum ist leider nicht ganz in Erfüllung gegangen“, sagte Katharina Althaus in der ARD. „Ich habe mir gewünscht, dass ich einen Zweihunderter dabei habe.“ Gedanken an ein Karriereende, über das schon nach ihrem Goldrausch bei der WM in Planica spekuliert worden war, sind für die ehrgeizige Skispringerin damit perdu. „Ich muss auf jeden Fall weitermachen. Die 200 sind ein Kindheitstraum, den will ich mir schon erfüllen.“ Und versprach: „Ich werde alles dafür reinlegen.“

Dies hat Ema Klinec auf geradezu vorbildliche Art und Weise gemacht. Weder die Norwegerin Silje Opseth noch die Japanerin Yuki Ito vermochten in ihre Sphären vorzudringen. Und weil mit dem historisch ersten Skifliegen der Frauen auch die Raw-Air-Serie am Wochenende zu Ende gegangen ist, darf sich Ema Klinec nicht nur über sportliche Flüge in neue Dimensionen freuen. Auch wirtschaftlich hat sich für sie die Reise ins Mutterland des Nordischen Skisports gelohnt, denn der Gesamtsieg ist gleichbedeutend mit einer Prämie von 40.000 Euro.

Die Gruppe der Frauen, die erstmals und ganz offiziell Skifliegen durften, war klein und überschaubar. Lediglich 15 Springerinnen waren für die Premiere zugelassen. Fast hätte es noch einen Eklat gegeben, denn weil die Japanerin Ito beim vorangegangenen Wettkampf bei Ampelrot losgefahren war, wurde sie zunächst disqualifiziert. Dadurch hatte sie ihre Top-15-Plazierung und damit das Startrecht verloren. Doch die Gilde hat Stärke gezeigt. Einer Petition aller Trainer wurde stattgegeben. Ito durfte fliegen. Eine gute Entscheidung – ebenso wie die Entscheidung, dass nun auch die fliegenden Frauen von den ganz großen Bakken abheben dürfen.

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