Australian Open: Elena Rybakina im Finale - Die gewaltige ...

26 Jan 2023
Rybakina

Das Vorspiel: Victoria Azarenka gewann die Australian Open 2012 und 2013, und mit diesem Selbstbewusstsein trat sie in die Arena. Vor dem Gang auf den Platz in der Rod-Laver-Arena machte sie in einem Vorraum, den beide Spielerinnen fast zeitgleich betraten, noch ein paar Schlagbewegungen. Dann zog sie sich noch schnell das Trikot von Paris Saint-Germain über. Ihr sechsjähriger Sohn Leo ist ein großer Fan. Alle Augen waren auf die 33-Jährige gerichtet. Azarenka betrat auch als Erste den Platz. Elena Rybakina schien das alles überhaupt nicht zu beeindrucken. Sie lachte sogar ein wenig, als sie das Tennisstadion betrat. Die große Show ist nicht ihr Ding.

Das Ergebnis: Rybakinas Antwort folgte dann auf dem Platz, und nun steht sie zum zweiten Mal in ihrer Karriere im Endspiel eines Grand-Slam-Turniers. Die aktuelle Wimbledonsiegerin gewann das Halbfinale bei den Australian Open gegen Victoria Azarenka aus Belarus 7:6 und 6:3. Die 23-jährige Rybakina, die in Moskau geboren wurde und 2018 vom kasachischen Tennisverband abgeworben wurde, hat in Melbourne einen Lauf. Im Achtelfinale schaffte sie die große Überraschung und besiegte die Weltranglistenerste Iga Świątek glatt in zwei Sätzen. Im Finale am Samstag (ab 9.30 Uhr deutscher Zeit) trifft sie nun auf die Belarussin Aryna Sabalenka.

Last und Lust beim Aufschlag: Eine große Stärke von Rybakina ist ihr Aufschlag. Bis zum Halbfinale hatte sie in diesem Turnier 35 Asse produziert. Das liegt auch an einem präzisen Ballwurf. Mit einer ganz speziellen Technik schafft es die Kasachin, dass sich der Ball in der Luft kaum bewegt. Das hilft ihr, beim Aufschlag mit dem Schläger den perfekten »Sweetspot« zu treffen. Manchmal ist sie aber auch einfach nur eine ganz normale Tennisspielerin mit einem zittrigen Arm. Gut zu beobachten war das – natürlich – bei ihrem ersten Aufschlagspiel. Das begann mit einem Doppelfehler. Dass die 23-Jährige trotzdem 1:0 in Führung ging, lag an drei anschließenden Assen innerhalb von 90 Sekunden.

Das Hallo-Wach-Spiel: Azarenka hatte das Momentum auf ihrer Seite. Im ersten Satz hatte sie einen 3:5-Rückstand aufgeholt. Beim Stand von 5:5 hatte sie drei Breakbälle. Azarenka schien das Spiel mit ihrem einfachen Returntennis und den immer wiederkehrenden Links-rechts-Kombinationen auf ihre Seite ziehen zu können. Doch sie vergab diese große Dreifachchance. Rybakina wehrte alle Breakbälle gegen sich ab. Die Wimbledonsiegerin jagte ihre Gegnerin mit ihren druckvollen Schlägen über die gesamte Breite des Platzes und rettete auch ihren Aufschlag ins Ziel. Zwar konnte Azarenka noch einmal zum 6:6 ausgleichen, doch im Tiebreak war deutlich zu erkennen, dass Rybakina nun voll im Spiel war und ihren Rhythmus gefunden hatte. Sie spielte sicher und variabel. Nach einer Stunde und einer Minute war der erste Satz vorbei – und man ahnte schon, dass dies eine kleine Vorentscheidung war.

Viel Kraft, aber auch viel Gefühl: Wie schon bei ihrem Überraschungscoup gegen Świątek zeigte sich Rybakina auch in diesem Halbfinale von zwei Seiten. Zum einen schmetterte sie die Bälle mit brachialer Gewalt über das Netz. Besonders erwähnenswert an diesem windigen Abend in der Rod-Laver-Arena war ihre beidhändige Rückhand, die Azarenka im zweiten Satz immer häufiger links und rechts um die Ohren flog. Dafür ist die Kasachin bekannt. Aber auch ihr Ballgefühl stellte sie immer wieder eindrucksvoll unter Beweis. Der Spielball zum 4:2 im zweiten Satz war ein Beleg dafür. Rybakina wurde von ihrer Gegnerin mit einem kurzen Ball ans Netz gelockt. Sie rückte vor und spielte einen schwierigen Halbvolley mit der Rückhand butterweich kurz und cross über das Netz. Azarenka lief noch, erreichte den Ball aber nicht mehr.

Der schwierige Coach: Stefano Vuko ist Rybakinas Trainer. In dieser Funktion kann er für seine Spielerin sehr anstrengend sein. Rybakina war wie immer ruhig und zurückhaltend, während Vukov in der Box hektisch und intensiv wirkte. Der Coach gab Kritik und Feedback. »Das kommt davon, wenn du immer so schnell spielst«, sagte er einmal, als Rybakina bei eigenem Aufschlag mit 0:40 zurücklag. Was man auch wissen muss: Nach dem gewonnenen Wimbledonfinale ließ sich Vuko den Namen seiner Spielerin auf den Arm tätowieren. So schlecht kann das Verhältnis der beiden also nicht sein.

Vom Außenplatz ins ultimative Rampenlicht: Grand-Slam-Siegerin Rybakina wurde zu Beginn des Turniers von den Organisatoren bei ihren Spielen auf die Außenplätze angesetzt. Das sorgte für Verwunderung, eine offizielle Erklärung gab es nicht. Die ruhige Kasachin, die nicht gerne über ihre Erfolgsgeschichte und ihre russische Herkunft spricht, blieb wegen der Platznummer cool: »Es ist nicht so wichtig, auf welchem Platz du das Turnier beginnst, sondern auf welchem du es beendest.« Ihre Reise endet nun tatsächlich im Finale der Australian Open und auf einer der größten Bühnen, die die Tenniswelt zu bieten hat.

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