Gleich vier Konzerte wird Rammstein in München spielen – am Mittwoch dieser Woche geht das Spektakel los. Nach Beratungen am Wochenende habe sich der Veranstalter, Propeller Music & Event GmbH, dazu entschieden, dass es bei den Konzerten in München keine „Row Zero“ und keine Afterpartys geben werde. Das teilte ein Sprecher der Olympiapark München GmbH mit. Damit griff das Unternehmen einer möglichen behördlichen Auflage vor.
In WELT AM SONNTAG hatten mehrere Frauen schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann erhoben: Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe, Einsatz von Drogen. WELT AM SONNTAG hatte auch über die jahrelange „Row Zero“-Praxis der Band berichtet: „Diese Row Zero ist die erste Zuschauerreihe, ganz nah an der Bühne. Wen die Band dorthin einlädt, wird von Mitarbeitern vor dem Konzert gefilmt oder fotografiert. Menschen aus dem Umfeld der Band sagen, Lindemann schaue sich die Filme und Fotos an. Er entscheide dann, welche Frauen auf die Partys kommen dürfen.“
Lesen Sie hier das Titelthema der Welt am Sonntag zu den Vorwürfen gegen Rammstein-Sänger Lindemann
Montagmorgen wurde von den Fraktionen „Die Grünen/Rosa Liste“, „Die Linke“ und „ödp/München Liste“ ein Antrag mit dem Titel „Sichere Konzerte für alle“ in den Münchner Stadtrat eingebracht. Darin heißt es, die Stadt habe „keine rechtlichen Möglichkeiten, Konzerte in den eigenen Räumlichkeiten aufgrund von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder aber Gewaltbereitschaft von den Kunstschaffenden selbst zu untersagen“.
Daher solle das Kreisverwaltungsreferat (KVR) prüfen, ob eine „Row Zero“ aus Sicherheitsgründen zu verbieten sei, wie die Sensibilisierung für sexualisierte Gewalt zum Beispiel durch den verpflichtenden Einsatz von „Awareness-Teams“ strukturell verbessert werden könne und ob die daraus entstehenden Kosten auf den Veranstalter selbst umgelegt werden können.
„Wie werden wir schnell handlungsfähig, um Betroffenen zu helfen?“Die grüne Fraktionsvorsitzende Mona Fuchs erklärt dazu: „Weder die Gesellschaft noch die Politik kann oder soll strafbares Handeln bewerten. Dessen Ahndung obliegt allein unseren Gerichten. So wie die Unschuldsvermutung für den mutmaßlichen Täter gilt, müssen ebenso die Anschuldigungen der betroffenen Frauen gehört und ernst genommen werden. Womit wir uns als Gesamtgesellschaft beschäftigen sollten und worauf Politik eine Antwort geben muss, sind Fragen der Sensibilisierung, der Bildung und der Prävention. Wie werden wir schnell handlungsfähig, um Betroffenen zu helfen, sie angemessen psychologisch zu begleiten und Vorfälle zu dokumentieren?“
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Es sei die Verantwortung der Stadt, Strukturen dafür aufzubauen und bei Veranstaltungen einzusetzen. „Hier sehen wir noch Handlungsbedarf, sowohl was Strukturen vor Ort, als auch die Nutzung digitaler Tools angeht“, so Fuchs.
Die Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl erklärt, das KVR nehme die aktuellen Anschuldigungen gegen „Rammstein“ sehr ernst und werde „alle rechtlich zulässigen Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit der Konzertbesucher sicherzustellen“. Ein Verbot der Konzerte sei aber nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen rechtlich nicht zulässig. Der Veranstaltungsbescheid werde die „Row Zero“ allerdings verbieten. „Ferner werden meine Mitarbeiter des Veranstaltungsbüros und der Branddirektion in Zusammenarbeit mit der Münchner Polizei die Veranstaltung vor Ort engmaschig im Außendienst begleiten und die Einhaltung aller Auflagen des Veranstaltungsbescheides überprüfen“, so Sammüller-Gradl. Außerdem stehe das KVR mit dem Veranstalter der Konzerte bereits in Kontakt, „um weitere geeignete Maßnahmen, wie zum Beispiel Awarenessbereiche, Safe Spaces etc. zu planen“.
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Auch der Sprecher der Olympiapark München GmbH teilte WELT mit, der Veranstalter würde gerade ein „Awareness-Konzept“ erarbeiten. Ein solches werde zum Teil auch bei anderen Veranstaltungen wie dem Superbloom-Festival eingesetzt. „Wir begrüßen das natürlich“, so der Sprecher. Das Konzept liege ihnen bislang aber noch nicht vor. Ansonsten bleibe es bei den Standard-Sicherheitskonzepten. Der Veranstalter selbst war für ein Statement bislang nicht zu erreichen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Rammstein in der bayerischen Hauptstadt auftritt. Das letzte Mal war die Band 2019 mit zwei Shows im Olympiastadion zu Gast, davor viele Male in der kleineren Olympiahalle. „Über das Normale hinaus“ habe es dabei mit Rammstein, auch wenn sie eine „provokative Band“ seien, aber keine Beschwerden gegeben, heißt es von der Olympiapark München GmbH, auch nicht im Hinblick auf die „Row Zero“.
Der Verlag Kiepenheuer & Witsch beendet mit sofortiger Wirkung seine Zusammenarbeit mit Rammstein-Sänger Till Lindemann. Hintergrund sind unter anderem Vorwürfe, Lindemann habe junge Frauen für Sex bei seinen Konzerten rekrutiert. Chefredakteurin Jennifer Wilton berichtet über die Recherchen der WELT.
Quelle: WELT