TV-Kritik „Hart aber fair“: Lob des Vatermords

„Hart aber fair“ ist jetzt die Sendung von Louis Klamroth. Ob die Trennung von seinem Vorgänger Frank Plasberg, der die Talkshow geprägt und bis Ende vorigen Jahren noch produziert hat, einigermaßen fair und stilvoll oder nur hart vonstatten ging, ist von Außenstehenden kaum zu beurteilen. Die wechselseitigen Vorwürfe lassen sich leicht im Netz nachlesen, interessant sind sie nicht.

Hart aber fair - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Was nach der Premiere des neuen Formats am Montagabend jedenfalls klar ist: Dieser Vatermord war überfällig. Klamroth, der sich aus Anlass der persönlichen Unabhängigkeitserklärung eine neue, lockige Frisur zugelegt hat, agiert nun in einer Rolle, die er beherrscht. Das alte Format, in dem der Moderator ein wenig schulmeisterlich auf seine vor ihm wie auf einer Hühnerstange sitzenden Gäste hinabschaute, passte zu Pauker Plasberg, aber nicht zu dem immer noch ein wenig einserschülerhaft wirkenden Klamroth.

Im Studio stehen sich nun zwei Tische in Form von Kreissegmenten gegenüber. Zur Rechten des Moderators nehmen in der ersten Sendung der neuen Zeitrechnung Politiker Platz, zur Linken Bürger und Experten. „Auf Augenhöhe“ sollen beide Seiten miteinander ins Gespräch kommen, lautet das abgenutzte, auch von Klamroths Redaktion bemühte Bild für ein solches Gesprächssetting. Man hört die Botschaft und ahnt nichts Gutes.

Ein Wunder

Nun aber geschieht das Wunder. Das Experiment der moderierten Bürgersprechstunde gelingt – passenderweise zum Thema „Wut, Proteste, neue Parteien – wer hält unser Land noch zusammen?“

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Der Erfolg ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass die aufgerufenen Gäste ihre Punkte wohl überlegt machen. Was auch daran liegt, dass sie ihre Sicht auf die Dinge mit ein wenig Zeit darlegen dürfen und nicht nur als Stichwortgeber des Moderators dienen müssen, für die ein Platz am Rand des Studios reserviert ist.

Hier nun hat die selbständige Friseurin Zuhra Visnjic aus Remscheid ihren Auftritt. Sie berichtet von ihren Schwierigkeiten, sich mit ihrem Friseursalon über Wasser zu halten. Sie schildert eindrücklich, wie die Inflation dafür sorge, dass die Familie nicht mehr ins Kino gehen könne. Sie bekennt sich als Stammwählerin der SPD, die mit ihrer Partei fremdele, weil diese sich nicht mehr um diejenigen kümmere, die fleißig seien. Den Mindestlohn findet sie dann gut, wenn sie sich in die Lage gesetzt sieht, ihn zu bezahlen. So wie es derzeit aussieht, wird sie eher einen Mitarbeiter entlassen müssen.

Die Frustration und die Sorgen, die Visnjic im Detail darlegt, hebt die Unternehmerin und Autorin Tijen Onaran, die aus der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ bekannt ist, mit routinierter rhetorischer Wucht auf eine allgemeinere Ebene. Sie fordert einen führungsstarken Kanzler und zeigt sich enttäuscht von der Politik, die sich über den Aufstand vieler Bürger gegen die AfD freue, anstatt dafür zu sorgen, dass die Ursachen für die Stärke der AfD bekämpft werden. Sie richtet an die etablierten Parteien die Erwartung, vor den nächsten Wahlen keine Ausflüchte zu suchen, sondern derart klare und starke Angebote zu formulieren, dass es wieder Spaß mache, als Wähler eine Entscheidung zu treffen.

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