Wahl in Frankreich: Rechtsnationale von Le Pen in erster Runde vorne

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Stand: 30.06.2024 21:14 Uhr

Frankreichs Präsident Macron hatte gehofft, mit vorgezogenen Neuwahlen die Stimmung im Land zu drehen. Doch seine Rechnung ging nicht auf. Hochrechnungen zufolge liegen die Rechtsnationalen um Le Pen nach der ersten Runde klar vorne.

In der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich liegt das rechtsnationale Rassemblement National (RN) ersten Hochrechnungen zufolge vorne. Es kam gemeinsam mit seinen Verbündeten auf 34 bis 34,2 Prozent, wie die Sender TF1 und France 2 nach Schließung der Wahllokale berichteten. 

Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron landete demnach mit 20,3 bis 21,5 Prozent auf Platz drei hinter dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire mit 28,1 bis 29,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag den Instituten zufolge bei 65,8 bis 67 Prozent.

RN verfehlt wohl absolute Mehrheit

Erste Prognosen gehen davon aus, dass Le Pens Rechtspopulisten und ihre Verbündeten im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden könnten. Die absolute Mehrheit mit 289 Sitzen könnten sie aber verfehlen. Auch die Linken könnten zulegen und auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken.

Genaue Aussagen zur Sitzverteilung sind bisher aber schwierig, denn die wenigsten Sitze werden in der ersten Runde vergeben. Entscheidend sind in den meisten Wahlkreisen die Stichwahlen am 7. Juli.

Viele Stichwahlen mit drei Kandidaten

In der ersten Runde zieht nur die Person ins Parlament ein, die in ihrem Wahlkreis die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten hat. In der zweiten Runde reicht dann eine einfache Mehrheit. Dabei es auch entscheidend, ob die Parteien noch lokale Bündnisse eingehen und Kandidaten zurückziehen, um etwa einen RN-Sieg zu verhindern.

Nach Zahlen des Ipsos-Instituts in Paris stehen zwischen 65 und 85 Abgeordnete bereits fest. In der zweiten Runde werde es zwischen 285 und 315 Dreierkonstellationen geben, nur in 150 bis 170 Wahlkreisen zeichnen sich Stichwahlen zwischen zwei Kandidaten ab.

RN kommt demnach in 390 bis 430 Wahlkreisen in die zweite Runde. Das links-grüne Wahlbündnis könnte in 370 bis 410 Wahlkreisen in die zweite Runde kommen, das Regierungslager in 290 bis 330 Wahlkreisen. Die Verteilung der Sitze wird stark davon abhängen, ob und wie viele Kandidaten sich in der zweiten Runde zurückziehen, um etwa den Wahlsieg eines RN-Kandidaten zu verhindern.

Herbe Niederlage für Macron

Für Macron ist das Ergebnis eine herbe Niederlage. Er hatte nach dem Wahltriumph des RN bei der Europawahl am 9. Juni die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen und darauf gesetzt, so die relative Mehrheit seiner Mitte-Kräfte im Unterhaus auszubauen. Seine Hoffnung, die Franzosen würden bei einer nationalen Wahl anders abstimmen als bei dem EU-weiten Urnengang, scheint sich nun allerdings nicht zu bestätigen.

Um das Präsidentenamt geht es bei der vorgezogenen Neuwahl zwar nicht, Macron ist bis 2027 gewählt. Im Fall einer absoluten Mehrheit der Rechtspopulisten im Parlament könnte er gezwungen sein, deren Parteichef Jordan Bardella zum Regierungschef zu machen. Dies wiederum könnte der früheren RN-Parteichefin Le Pen den Weg eben, 2027 Präsidentin zu werden. 

Frankreich droht Stillstand

Der RN erhebt für sich den Anspruch, die neue Regierung zu bilden. Allerdings will er das nur mit der absoluten Mehrheit der Sitze tun. Sollte keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Verhandlungen um eine Koalition. Ein Zusammenkommen der grundverschiedenen politischen Akteure für ein Regierungsbündnis nach der Wahl ist derzeit nicht absehbar.

Ohne klare Mehrheit in der Nationalversammlung würde Frankreich Stillstand drohen. Möglich ist, dass die aktuelle Regierung als eine Art Übergangsregierung im Amt bleibt oder eine Expertenregierung eingesetzt wird - neue Vorhaben könnte eine Regierung jedoch kaum auf den Weg bringen. Statt neuen Initiativen stünde in Frankreich Verwaltung an der Tagesordnung.

Für Deutschland und Europa hieße das, dass Paris als wichtiger Akteur in Europa und Teil des deutsch-französischen Tandems plötzlich nicht mehr tatkräftig zur Verfügung stehen würde. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und Neuwahlen sind erst im Juli 2025 wieder möglich.

Macron ruft zu breitem Bündnis auf

Macron rief angesichts des Wahlsiegs der Rechtspopulisten zu einem breiten Bündnis auf. "Angesichts des Rassemblement National ist es nötig, ein breites, demokratisches und republikanisches Bündnis für die zweite Wahlrunde zu bilden", erklärte Macron nach Angaben des Elysée-Palastes. Die hohe Wahlbeteiligung in der ersten Runde zeuge von der "Bedeutung dieser Wahl für alle unsere Landsleute und von dem Willen, die politische Situation zu klären", betonte der Präsident. "Ihre demokratische Wahl verpflichtet uns."

Auch der führende Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann forderte zu einem entschiedenen Kampf gegen die Rechtsnationalen auf: "Das einzige Ziel der Woche ist es zu blockieren, um eine absolute Mehrheit des Rassemblement National zu verhindern."

Le Pen hingegen begrüßte den Wahlausgang. Der Block von Macron sei "praktisch ausgelöscht", sagte sie. Die Franzosen hätten "ihren Willen gezeigt, die Seite von sieben Jahren verachtender und zersetzender Macht" Macrons umzuschlagen, sagte Le Pen, die in ihrem Wahlkreis im Norden bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde. Sie rief die Franzosen außerdem dazu auf, dem RN im zweiten Wahlgang "die absolute Mehrheit" für ihre Partei zu geben.

Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen. Die zweite Parlamentskammer ist der Senat. Dieser ist derzeit konservativ geprägt.

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