"Deshalb lieben wir Fußball": Emre Can krönt 72 absurde Stunden ...

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"Deshalb lieben wir Fußball" Emre Can krönt 72 absurde Stunden mit EM-Rekordtor

Von Torben Siemer 15.06.2024, 10:28 Uhr

Emre Can - Figure 1
Foto n-tv NACHRICHTEN

Am Mittwoch weilt Emre Can noch im Urlaub, am Freitag trifft er für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Auftaktspiel der Europameisterschaft. Dazwischen, am Donnerstag, tritt auch noch sein Klub-Trainer Edin Terzić bei Borussia Dortmund zurück. Eine "verrückte Story", wie der 30-Jährige sagt.

Es ist kaum zwei Wochen her, da wählte Emre Can ein großes Boulevardblatt aus, um seine Enttäuschung an die Öffentlichkeit zu tragen. "Die Hoffnung, dass ich doch noch dabei bin, war da", sagte er Ende Mai, nachdem sein Name bei all den kreativen Verkündungen des deutschen EM-Kaders nicht gefallen war. Während Günther Jauch im Wer-wird-Millionär-Stil die Nominierung von Pascal Groß bekannt gab, Robert Andrich seine Zusage von Toni Kroos höchst persönlich erhielt und RTL-Moderatorin Frauke Ludowig das EM-Ticket für Aleksandar Pavlović überbrachte, musste Can feststellen, dass im Mittelfeld der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ohne ihn geplant wurde.

"Ich respektiere das", sagte der 30-Jährige zwar, kritisierte Bundestrainer Julian Nagelsmann jedoch auch dafür, ihn nicht zumindest angerufen und die Absage im persönlichen Gespräch übermittelt zu haben. "Aber trotzdem ist für mich die Karriere in der Nationalmannschaft noch lange nicht abgehakt", so Can, der hoffte, "dass ich in Zukunft wieder dabei sein werde." Dass dieses "wieder dabei sein" aber so schnell, so turbulent und auf so einzigartige Art und Weise eintreten würde, damit dürfte er nicht gerechnet haben.

Emre Can - Figure 2
Foto n-tv NACHRICHTEN

Schließlich war Can zwei Tage vor dem Auftaktspiel dieser Europameisterschaft noch im Urlaub - und "dann kam am Mittwoch der Anruf." Dass er sich bitte und möglichst unverzüglich auf den Weg nach Herzogenaurach machen möge. Der Ausfall von Pavlović hatte Nagelsmann zum Umdenken gezwungen, die Entdeckung des FC Bayern war erkrankt, Ersatz musste her. "Ich bin Julian dankbar, dem ganzen Trainerteam dankbar, dass sie mir das Vertrauen geschenkt haben", sagte Can nun, grob geschätzte 72 Stunden nach jenem Anruf. Denn er war beim berauschenden 5:1 (3:0)-Erfolg gegen Schottland gleich zum Einsatz gekommen und hatte nach seiner späten Einwechslung mit einem feinen Schlenzer aus knapp 20 Metern ein historisches Tor erzielt.

Ein einziges Training mit der DFB-Elf reicht

Cans Treffer in der Nachspielzeit besiegelte den höchsten Sieg in einem EM-Auftaktspiel, die DFB-Elf löste damit Italien ab - der Titelverteidiger hatte seinen Siegeszug 2021 mit einem 3:0 gegen die Türkei begonnen. Ein Turnierverlauf, den auch die deutschen Fußballer begrüßen würden. Für den 30-Jährigen selbst war es im 44. Länderspiel das zweite Tor, erstmals hatte er am 8. Oktober 2017 in der WM-Qualifikation den gegnerischen Keeper überwunden. Zum, und da wird es kurios, 5:1-Endstand gegen Aserbaidschan. "Das ist eine verrückte Geschichte", sagte Can nun am Freitagabend in München, meinte damit aber in erster Linie, dass er ja "erst Mittwochabend zur Mannschaft gestoßen" sei und "nur einmal mittrainiert" habe.

Emre Can - Figure 3
Foto n-tv NACHRICHTEN

Zwischen Mittwoch und Freitag liegt bekanntlich der Donnerstag - und der verlief für den Kapitän von Borussia Dortmund kaum weniger turbulent. Am Mittag verkündete der Champions-League-Finalist gänzlich überraschend, dass der Vertrag von Trainer Edin Terzić mit sofortiger Wirkung aufgelöst würde. Eine Eskalation, mit der - zumindest öffentlich - in dieser Woche kaum jemand gerechnet hatte. Unter Terzić hatte Can im Juli 2023 die Kapitänsbinde beim BVB übernommen, beide standen oft in der Kritik, führten die Schwarzgelben jedoch ins Endspiel der Königsklasse. Auch der große Knall in Dortmund gehört zu den wilden Tagen des Emre Can.

Can ist die Nummer vier in der DFB-Zentrale

Nach dem vielversprechenden 5:1-Erfolg gegen Schottland dürfte der Mittelfeldspieler in erster Linie den Mittwoch und den Freitag gemeint haben, als er über "ein geiles Gefühl und eine verrückte Story" sprach, wegen der "wir den Fußball lieben". Die Entwicklungen beim BVB, wo Nuri Şahin vom Assistenten zum Cheftrainer aufsteigt, werden vermutlich erst nach Abschluss der Heim-EM wieder ein (größeres) Thema. Auch Cans Dortmunder Mannschaftskollege Niclas Füllkrug fokussierte sich auf die Ereignisse beim DFB-Team: "Für Emre freut es mich sehr", sagte der Stürmer, der zusätzlich die Nachnominierung durch Nagelsmann und dessen Umgang damit lobte: "Natürlich auch ein tolles Fingerspitzengefühl vom Trainer, ihn dann gleich zu bringen und zu würdigen."

Zumal nicht ausgeschlossen ist, dass Cans erster Einsatz bei dieser EM auch schon sein letzter gewesen sein könnte. Als Spielgestalter im Zentrum ist Toni Kroos unantastbar, für die harte Arbeit daneben Robert Andrich erste Wahl. Als der gegen Schottland wegen seiner frühen Gelben Karte schon zur Halbzeit ausgewechselt wurde, kam Pascal Groß in die Partie. Kroos indes ging in der 80. Minute auch deshalb vorzeitig vom Feld, weil die Partie längst entschieden war und er seinen verdienten Applaus bekommen sollte. Für 108 Ballkontakte (Bestwert) und 102 Pässe (ebenfalls Bestwert), von denen nur ein einziger nicht angekommen war (natürlich auch Bestwert).

Vielleicht hat Can sich mit seinem Tor und dem Eindruck, trotz der wilden Tage schon voll da zu sein, aber auch für weitere Einwechslungen empfohlen. Was er in jedem Fall getan hat: Einen würdigen Abschluss für 72 absurde Stunden gefunden.

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