Binance: Was Millirdenstrafe und CEO-Abgang für die Kryptobörse ...

22 Nov 2023
Binance
Kryptobörse „Ich habe Fehler gemacht“: Mit dem CEO-Abgang droht Binance ein neues Krypto-Beben

Die weltgrößte Kryptobörse Binance muss in einem Vergleich eine Milliardenstrafe zahlen und verliert ihren Chef Chanpeng Zhao. Für das Unternehmen markiert das einen neuen Tiefpunkt. Ausgang: ungewiss.

Die Worte, mit denen sich der mächtigste Mann der Kryptowelt in der Nacht zu Mittwoch an seine 8,7 Millionen Follower beim Kurznachrichtendienst X wendet, klingen ein wenig wie die eines ausgebrannten Managers, der sich in ein Sabbatical verabschiedet.

Chanpeng Zhao, der Gründer der weltweit größten Kryptobörse Binance, kündigt eine Pause an – die erste seit sechseinhalb Jahren, betont er. Auch ohne ihn werde der wichtigste Marktplatz für den Handel mit Digitalwährungen wie Bitcoin weiter wachsen. „Ich habe Fehler gemacht“, gesteht der kleine Mann mit geschorenen Haaren und runder Brille. „Und dafür muss ich nun Verantwortung übernehmen.“

Diese „Fehler“, von denen Zhao spricht, könnten schwerwiegender kaum sein. Unter seiner Führung war Binance ins Visier der US-Behörden geraten. Sie warfen der Kryptobörse unter anderem vor, gegen Geldwäschegesetze zu verstoßen und Sanktionen gegen Russland und den Iran zu umgehen.

Wegen mangelnder Kontrolle der Geldflüsse sollen beispielsweise rund 900 Millionen Dollar aus den USA in den Iran geflossen sein. Laut Staatsanwaltschaft wies Zhao Binance-Mitarbeiter auch an, mit Kunden aus den USA nicht etwa via Mail, sondern telefonisch zu kommunizieren, um keine Spuren zu hinterlassen. Auch soll Binance Transaktionen von Terrororganisationen wie der Hamas oder Al-Kaida zugelassen haben.

Der Krypto-König wurde entthront

Jetzt hat das US-Finanzministerium nach jahrelangen Ermittlungen einen Erfolg errungen und dem Unternehmen die bislang höchste vom Finanzministerium verhängte Strafe aufgebrummt: Binance hat sich in einem Vergleich schuldig bekannt und muss rund 4,3 Milliarden Dollar Strafe zahlen. Der Sieg über die Kryptobörse soll eine Mahnung an andere Marktteilnehmer sein, hofft die zuständige Staatsanwältin Nicole Argentieri: „Wenn sie US-Kunden bedienen, müssen sie US-Gesetze einhalten.“

Auch Gründer Zhao trifft das Urteil. Er darf seine Mehrheitsanteile an der Kryptobörse zwar behalten, muss aber 50 Millionen Dollar aus eigener Tasche zahlen. Und: Er darf in den nächsten drei Jahren keinen Managementposten bei Binance übernehmen. Die Nachricht kam am Kryptomarkt gut an, der Bitcoin legte zu und auch der Binance-Coin BNB stieg um vier Prozent.

Finanziell dürfte die Zahlung für Zhao verschmerzbar sein. Laut der aktuellen Milliardärs-Rangliste des Finanzdienstes Bloomberg sitzt er auf einem geschätzten Vermögen von 23,5 Milliarden Dollar. Schlimmer ist für ihn und seine Kryptobörse die Signalwirkung: Der König der Kryptowelt wurde vom Thron gestoßen.

Dabei hätte es für Zhao und seine Kryptobörse viele Jahre kaum besser laufen können. Nach der Gründung von Binance im Jahr 2017 avancierte die Plattform schnell zur ersten Anlaufstelle für Kryptoanleger. Mittlerweile sind weltweit über 120 Millionen Menschen dort registriert.

Erfolg fußte auf fragwürdigen Praktiken

Mit der Insolvenz des einstigen Konkurrenten FTX konnte Binance seine Marktmacht abermals ausbauen. Am Absturz der rivalisierenden Kryptobörse war Zhao nicht ganz unbeteiligt: Durch den massenhaften Verkauf von FTX-Token geriert die rivalisierende Kryptoplattform in finanzielle Schieflage.

Nach Einblick in die Bilanzen zog Binance kurzerhand ein Übernahmeangebot für FTX zurück – und legte damit den Grundstein dafür, dass einer der größten Wettbewerber vom Markt verschwindet. Auf das zuweilen aggressive Auftreten war man bei Binance lange stolz. „Wir operieren als fucking unlizenzierte Wertpapierbörse“, tönte vor etwa fünf Jahren der Manager, der qua Amtstitel die Compliance leitete.

Eine Sichtweise, die man nicht überall guthieß. Wenn es nach dem US-Justizminister Merrick Garland geht, dann sei Binance auch aufgrund von Gesetzesverstößen zum weltgrößten Handelsplatz für Bitcoin und Co. aufgestiegen.

Zudem fußte der Erfolg auf teils fragwürdigen Praktiken: Binance bezahlt Mitarbeiter zum Teil mit einer Kryptowährung, die das Unternehmen quasi aus dem Nichts erschaffen kann. Ein Geschäftsmodell, das lange ziemlich machtlos hingenommen wurde – bis das Drama um FTX die Aufseher zu aggressiverem Handeln zwang.

Zuletzt hatte Binance versucht, einen gemäßigteren Kurs einzuschlagen. Mit einer Lizenzoffensive wollte die Plattform in diversen Ländern Fuß fassen – mit wenig Erfolg. Im Juni hatte die Finanzaufsicht BaFin einen Lizenzantrag abgewiesen. Offiziell äußert sich die Behörde nicht dazu.

Ein neuer Tiefpunkt

Insider hatten aber bereits früh Zweifel daran geäußert, dass die BaFin ob der fragwürdigen Geschäftspraktiken dem Anliegen nachkommen würde. Zahlreiche hochrangige Manager hatten das Unternehmen zuletzt verlassen. Der Abgang Zhaos und die Milliardenstrafe gegen Binance sind der neue Tiefpunkt in einer Kette von Misserfolgen – bis jetzt.

Denn noch eine weitere Klagewelle schwebt wie ein Damoklesschwert über Binance. Im Sommer hatte die US-Börsenaufsicht SEC 13 Klagen gegen die Kryptobörse und Zhao persönlich eingereicht. In einer 101-seitigen Klageschrift schreiben die Aufseher, dass Binance in einem „umfangreichen Netz aus Täuschungen, Interessenkonflikten, mangelnder Offenlegung und kalkulierter Umgehung des Gesetzes verwickelt“ sei. Binance soll Umsätze manipuliert und bewusst Wertpapiergesetze umgangen haben.

Außerdem soll die Handelsplattform es versäumt haben, US-Kunden fernzuhalten. Eigentlich sollen die nur über Binance.US handeln. Dabei handelt es sich um ein formal unabhängiges Tochterunternehmen. Wenn es nach der SEC geht, dann zieht aber auch hier Zhao die Strippen. Zumindest bis jetzt.

Mit dem Abgang Zhaos fehlt Binance nun das Gesicht der Kryptobörse, obendrauf kommt der erneute Imageschaden. Der neue Vertrauensverlust droht für Binance zum nächsten Krypto-Beben anzuwachsen. Davon könnte Coinbase profitieren. Der Konkurrent sieht sich zwar ebenfalls mit Klagen der SEC konfrontiert, als börsennotiertes Unternehmen unterliegt er aber gewissen Offenlegungspflichten und ist für Anleger somit transparenter. Und insbesondere mit dem Einstieg von immer mehr institutionellen Investoren wächst das Bedürfnis der Anleger nach einem regulierten Markt.

Zumindest Zhao scheint sich keine Sorgen um die Kryptobörse zu machen. „Binance ist kein Baby mehr“, lässt er seine Follower auf dem Kurznachrichtendienst X wissen. „Es ist Zeit, es laufen und rennen zu lassen." Die Aufseher dürften trotzdem genau beobachten, ob sich Binance nun wie ein pöbelnder Teenager benimmt – oder tatsächlich gereift ist.

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