Bayer Leverkusen: Meisterlich!

12 Feb 2024
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Stand: 11.02.2024, 13:29 Uhr

Von: Daniel Schmitt

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Feierbiest unter Feierbiestern: Bayer-Keeper Lukas Hradecky nach dem Spiel bei den Fans.

Feierbiest unter Feierbiestern: Bayer-Keeper Lukas Hradecky nach dem Spiel bei den Fans. © IMAGO/Norbert Schmidt

Leverkusen scheint nach der Machtdemonstration gegen die Bayern tatsächlich reif für den Titel - doch einer warnt. Wer wohl? / Von Daniel Schmitt

Lange Zeit konnte Lukas Hradecky sein Inneres zügeln. Die Freude über eine niederlagenlose Saison von Deutschlands derzeit bester Fußballmannschaft, Bayer Leverkusen, ließ er – zumindest öffentlich – nur in Nuancen durchblitzen. Nach diesem Triumph aber, der 3:0 (1:0)-Machtdemonstration gegen ein aktuell doch ziemlich verzwergtes Bayern München, brach es sich Bahn, das finnische Feierbiest, es suchte die Freiheit und brachte einen Torwart hervor, der mit einigem Schalk im Nacken einfach nur noch den Moment genoss.

Lukas Hradecky, der „legendärische“ Ex-Frankfurter, spurtete beim finalen Treffer in der Nachspielzeit über das ganze Feld, um mit seinen kickenden Jungs den verdienten Erfolg zu feiern. „Immer noch aus der Puste“ sei er deshalb, gab Hradecky eine Stunde später verschmitzt-lächelnd in den Katakomben der Leverkusener Arena zu, kurz nachdem er sich auch verbal verausgabt hatte: auf dem Zaun, bei den Fans, als Einheizer. „Das hatte ich nicht erwartet, ich wusste auch nicht, was ich sagen sollte“, so der bällehaltende Vorsänger, der ankündigte, nun aber rasch vom dienstlichen in den privaten Teil des Abends zu wechseln. Und wer Lukas Hradecky nur ein bisschen kennt, der weiß, was das bedeutete: Er ließ die Sau raus, im positiven Sinne. „Ich brauche keine Ausrede, um etwas zu trinken. Aber ich gehe sicherlich in die Altstadt.“ Düsseldorf. Karneval, Abschalten, Genießen.

Ein bemerkenswerter Sieg war das, der den Leverkusenern fünf Punkte Vorsprung an der Tabellenspitze auf die Münchner beschert. Vor allem deshalb, weil doch irgendwie die Allermeisten vorher damit gerechnet hatten, dass letztlich das kommen würde, was immer kommt bei Bayer: Nervenflattern, Niederlage, Vizekusen. Mitnichten.

Die Leverkusener, ohne nominellen Angreifer aufgestellt, waren schlicht besser in diesem Bundesliga-Topspiel. Jonathan Tah verteidigte kompromissloser als Gegenüber Dayot Upamecano. Granit Xhaka führte im Mittelfeld klüger Regie als Leon Goretzka oder – im späteren Verlauf – Joshua Kimmich. Alejandro Grimaldo gelangen auf der Seite gefährlichere Vorstöße als dem 30-Millionen-Wintereinkauf Sacha Boey. Florian Wirtz dominierte gegen Jamal Musiala die Show der Supertalente. Und, nicht zuletzt: Xabi Alonso coachte Thomas Tuchel aus – und der sich ehrlicherweise auch ein bisschen selbst.

Nach den Toren von – ausgerechnet – Bayern-Leihgabe Josip Stanisic (18.), Grimaldo (50.) und Jeremie Frimpong (90.+5) fiel die Kritik am Münchner Trainer entsprechend hart aus. Gerade die in dieser Runde fürs Spitzenspiel erstmals ausgekramte Dreierabwehrkette lieferte den ehemaligen Größen und heutigen TV-Experten reichlich Stoff. „Unverständlich“ sei diese Entscheidung gewesen, ließ Stefan Effenberg wissen, während Lothar Matthäus sagte: „Wenn man 0:3 verliert, hat man vielleicht auch mit der Aufstellung Fehler gemacht.“ Die bajuwarische Galionsfigur Thomas Müller dagegen, deutlich stärker am Mikrofon als auf dem Platz, stellte sich verbal vor seinen Trainer und befeuerte eine neuerliche Eier-Debatte beim FCB (siehe auch Artikel auf Seite S2).

Die Fehler des einen verwoben sich an diesem Tage mit dem Meisterstück des anderen. Xabi Alonso, der hochgelobte und spätestens im Sommer heißbegehrte Trainer (Liverpool! München?) stand beim Schlusspfiff einfach nur da. Der Blick geradeaus, beide Hände in den Hosentaschen – als könnte er das Erlebte selbst kaum fassen. Seine baskische Gelassenheit ließ er sich selbst in einem der emotionalsten Momente seiner jungen Trainerlaufbahn nicht nehmen. „Ich bin sehr stolz“, sagte Alonso, wollte von einer Vorentscheidung im Titelrennen – wen wundert’s – aber nichts wissen. Über die erste Meisterschaft der Klubhistorie spreche man erst „im Mai“, seine Mannschaft dürfe jetzt „nicht abheben“.

Spätestens nach der „perfekten Woche“, wie der Leverkusener Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes die vergangenen Tage samt Halbfinaleinzug im DFB-Pokal gegen starke Stuttgarter nannte, werden die Träume vom Titel immer größer, ja riesig. Selbst Triple oder Double sind für die Leverkusener drin. Im nationalen Cupwettbewerb wartet im Halbfinale der Zweitligist Fortuna Düsseldorf, in der Europa League steht Bayer im Achtelfinale. Die Meisterschaft, so Experte Effenberg, müsse nun „das ganz klare und ausgesprochene Ziel sein.“

Xabi Alonso packten all die berechtigten Lobpreisungen überhaupt nicht an. „Jedes dieser Spiele gibt uns mehr Erfahrung“, sagte er: „Wir müssen weitermachen, wir müssen ruhig bleiben, es ist erst Februar.“ Auf die Düsseldorfer Helau-Tour wird der Trainer sein finnisches Feierbiest am Ende des bemerkenswerten Arbeitstages wohl eher nicht begleitet haben. mit sid

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