Cillian Murphy ist der Liebling der Berlinale – ein Porträt

15 Feb 2024

Irischer Oscarfavorit

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Cillian Murphy - Figure 1
Foto RND

Cillian Murphy, Schauspieler, gibt am Eröffnungsabend der Berlinale Autogramme.

© Quelle: Hannes P Albert/dpa

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• 6 Minuten

Wie „Oppenheimer“ doch noch zur Berlinale kam: Der irische Schauspieler Cillian Murphy beehrt die Filmfestspiele – und wird in Hollywood mit Christopher Nolans Atombomben-Drama als Oscarfavorit gehandelt. Murphy ist nur ein Beispiel dafür, wie trickreich das Festival Stars auf den roten Teppich lockt.

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Seine blauen Augen sind tatsächlich durchdringend. Und dann erst diese markanten Wangenknochen! Der so jungenhaft wirkende irische Schauspieler Cillian Murphy ist der Berlinale-Liebling der Stunde.

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Allerdings weiß der 47‑Jährige auch genau, wie er in der Hauptstadt die Herzen öffnet: „Ich liebe Berlin, das ist mein fünftes Mal hier“, sagte er am Donnerstag am Potsdamer Platz. Für das Festival nehme er sich Zeit, egal wie sehr die Termine drückten.

Denn gefragt ist Murphy momentan vor allem als Robert Oppenheimer und damit als „Vater der Atombombe“. Mit dem Kinodrama „Oppenheimer“ ist er auf Oscarkurs als einer von fünf auserwählten Hauptdarstellern, die am 10. März auf die Trophäe hoffen dürfen. Sein wohl schärfster Konkurrent: Paul Giamatti in „The Holdovers“.

Cillian Murphy als J. Robert Oppenheim

© Quelle: Melinda Sue Gordon/Universal Pic

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„Was ist richtig, was ist falsch?“

Murphy hätte in diesen Tagen gewiss in Hollywood genug auf dem Zettel gehabt. In Berlin aber ist er der Hauptdarsteller im Eröffnungsfilm „Small Things Like These“. Er gibt den empathischen irischen Kohlen­händler Bill Furlong, der den Widerstand gegen das brutale Unterdrückungs­system in den katholisch-irischen Magdalenen­heimen wagt. Unverheiratete schwangere Frauen wurden hinter hohen Mauern bis in die Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts festgehalten – angeblich zur Besserung ihres Lebenswandels. Tatsächlich wurden ihnen ihre Kinder weggenommen und zur Adoption freigegeben.

Cillian Murphy - Figure 2
Foto RND

„Furlong ist ein Christ, der versucht, christlich zu handeln in einer Gemeinde, die fromm tut“, sagte Murphy in Berlin. Es komme im Leben immer darauf an, auf seine Instinkte zu hören: „Was ist richtig, was ist falsch?“ Aus seinem Munde klang das ganz simpel.

Zwischen den Rollen in beiden aktuellen Filmen gibt es durchaus Parallelen: Ein Mann durchläuft einen inneren Erkenntnisprozess, kämpft mit seinem Gewissen und muss Entscheidungen treffen, bei denen es längst nicht nur um sein eigenes Leben geht. Murphy scheint mit seinem feinen Spiel und den weichen Zügen geradezu prädestiniert zu sein für solch diffizile Leinwandaufgaben.

Sensation auf dem roten Teppich

Bei der Berlinale zeigt er sich im dunkelblauen Hemd und bedankt sich brav, wenn seine Schauspielkunst gelobt wird. Fotos lässt er lieber von sich im Team machen. Murphy drängt sich nicht gern nach vorn. Der Ire ist alles andere als typischer Star. Er verschwindet möglichst in seinen Rollen. Und doch war er am Donnerstag­abend die Sensation auf dem roten Teppich bei der Premiere von „Small Things Like These“.

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International bekannt wurde Murphy 2002 mit Danny Boyles britischem Viren-Thriller „28 Days Later“. Mit Renée Zellweger und Jude Law war er 2003 „Unterwegs nach Cold Mountain“ – damals ebenfalls ein Berlinale-Eröffnungsfilm, der Festivalchef Dieter Kosslick den Angstschweiß auf die Stirn trieb, weil am Ende kein einziger Darsteller und keine einzige Darstellerin auf dem roten Teppich auflief. Allesamt hatten Stunden vor dem Ereignis abgesagt.

Feinfühlig ist auch Cillians Spiel in Ken Loachs Cannes-Siegerfilm „The Wind That Shakes the Barley“. Da gibt er den jungen Arzt Damien, der seine Karriere Anfang der 1920er-Jahre des vorigen Jahrhunderts aufgibt, um für die Freiheit Irlands gegen die britischen Besatzer zu kämpfen. Immer weniger lässt sich sein Idealismus mit seinen bitteren Erfahrungen in Einklang bringen.

Cillian Murphy - Figure 3
Foto RND
Gefördert von Christopher Nolan

Wenn es einen Regisseur gibt, der Murphys Karriere besonders gefördert hat, dann ist das Christopher Nolan. Der Regisseur wollte Murphy ursprünglich in seiner Trilogie als „Batman“ haben, aber die Rolle des Rächers in Gotham City wollte einfach nicht übereingehen mit diesem so gar nicht auftrumpfenden Darsteller. Stattdessen spielte Murphy den nerdigen Dr. Jonathan Crane alias Scarecrow, einen abgedrehten Wissenschaftler.

Dreimal gab Murphy diese Figur, genauso war er in Nolans Science-Fiction-Drama „Inception“ und als traumatisierter Soldat im Kriegsfilm „Dunkirk“ dabei. „Oppenheimer“ ist nun die sechste Zusammenarbeit zwischen den beiden. Der Regisseur hatten seinen Darsteller bereits beim Schreiben des Drehbuchs vor Augen.

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Das ist eine beeindruckende Filmografie für jemanden, der ursprünglich gar nicht Schauspieler, sondern Musiker werden wollte. Als Zwanzigjähriger spielte Murphy zusammen mit seinem jüngeren Bruder als Gitarrist und Sänger in einer eigenen Band namens The Sons of Mr. Greengenes.

Ein Londoner Plattenvertrag scheiterte, nicht zuletzt wegen der Schulpflicht des noch minderjährigen Bruders. Und so studierte Cillian am University College Cork erst einmal Jura, ließ sich aber von einer Aufführung von „Uhrwerk Orange“ für die Schauspielerei begeistern und zog bald schon mit einer Theatertruppe um die Welt. Nun lässt er Berlin glänzen.

Sein Auftritt ist nur ein Beispiel für die Tricks, die die Berlinale anwendet, um ihr karges Hollywoodangebot aufzufüllen. Die Oscarsiegerin Lupita Nyong‘o: („12 Years a Slave“) ist als Jurypräsidentin täglicher Stammgast auf dem roten Teppich. Regiestar Martin Scorsese erhält den Goldenen Bären fürs Lebenswerk – sein „Killers of the Flower Moon“ zeigte er allerdings lieber bei der Konkurrenz in Cannes. Und Kristen Stewart, Jury­präsidentin des Vorjahres, ist mit dem blutgetränkten Liebesfilm „Love Lies Bleeding“ gemeldet, obwohl dieser zuvor schon beim Sundance-Festival in den USA lief.

Dazu gibt‘s noch die Netflix-Produktion „Spaceman“ mit Adam Sandler und Atom Egoyans „Seven Veils“ mit Amanda Seyfried. Der einzige lupenreine US‑Beitrag im Wettbewerb ist der Psychothriller „A Different Man“ von Aaron Schimberg.

Ursprünglich hatte der künstlerische Leiter Carlo Chatrian darauf gehofft, dass „Dune 2″ der Berlinale wüstenheiße Stimmung bescheren könnte, startet der Blockbuster doch schon Ende Februar in den Kinos. Doch Regisseur Denis Villeneuve gab dem Festival einen Korb. Ihm war die Berlinale, anders als Cillian Murphy, offenbar nicht wichtig genug.

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Auch der belässt es bei einem Kurztrip. Notgedrungen: Am Sonntag muss er schon wieder in London sein unwiderstehliches Lächeln zeigen. Zu vergeben sind die britischen Filmpreise. Und wie schätzt der bescheidene Murphy seine Chancen ein? „Schauen wir mal, was passiert“, hat er in Berlin gesagt.

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