Das Trump-Urteil zeigt, wie schwach die mächtige USA im Innern ist

Donald Trump ist jetzt ein verurteilter Straftäter, aber Ruhe kehrt damit nicht ein. Das juristische Hickhack seit seiner Abwahl zeigt, wie zerbrechlich der demokratische Konsens ist. Stoppen können Trump nur die Wähler – vor allem die konservativen 

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Die wichtigste Lehre im aufziehenden US-Wahlkampf lautet: Es kann immer noch absurder werden! 

Schon die bloße Revanche von 2020, dieses surreale Duell zweier alter, störrischer Männer um das höchste Amt der wichtigsten Militär- und Wirtschaftsmacht der Welt, scheint an Absurdität nicht zu überbieten. Hinzu kommen vier große Strafprozesse gegen einen früheren Präsidenten in Washington, Georgia, Florida und New York. Ungeheuerlich ist auch die Dimension der Vorwürfe durch die Ermittler: Anstachelung zum Staatsstreich (Washington), versuchte Wahlbeeinflussung (Georgia), entwendete Geheimdokumente (Florida) oder die Fälschung von Geschäftsunterlagen (New York). Wer dabei dachte, noch tiefer könne es jetzt nicht mehr gehen, wird jedes Mal eines Besseren belehrt: Doch, es geht immer noch tiefer. 

Am Donnerstagabend unserer Zeit haben zwölf Geschworene in New York den früheren US-Präsidenten Donald Trump erstmals in einem dieser Strafprozesse für schuldig befunden. Und das ausgerechnet im wohl lächerlichsten Verfahren von allen, die gegen Trump laufen: Um eine Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar an eine frühere Porno-Darstellerin zu verschleiern, fälschte Trump nach Überzeugung der Geschworenen etliche Geschäftsunterlagen. Sie sprachen ihn schuldig in allen 34 Anklagepunkten. 

Sechs Wochen dauerte der erste Strafprozess in der Geschichte der USA gegen Donlad Trump. Am Donnerstag sprach die Jury den früheren US-Präsidenten in allen 34 Anklagepunkten schuldig. Die entscheidende Frage ist: Wie reagieren nun die, die ihn zuletzt wählten?

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Das Urteil überraschte selbst jene Beobachter, die bei Trump schon alles gewohnt sind: weil es überhaupt in einem Schuldspruch endete (dafür mussten alle zwölf Geschworenen auf schuldig plädieren, eine Gegenstimme hätte genügt, um das Urteil zu verhindern) und weil es so klar ausfiel: schuldig im Sinne der Anklage nicht nur in einem oder in zwei, sondern in allen Punkten. Das hatten selbst die größten Trump-Gegner so nicht erwartet. Die Höhe des Strafmaßes ist noch unklar, dieses wird der Richter am 11. Juli verkünden – von einer hohen Geldstrafe bis zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe ist alles drin. 

Trump testet die Grundlagen der Demokratie

Doch selbst das wird nicht das Ende der großen Trump-Show sein: Der Verurteilte hat bereits Berufung angekündigt, und so oder so will und wird er sich wohl vier Tage nach jenem 11. Juli von der Republikanischen Partei auch offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten für das Weiße Hause nominieren lassen. Dass Trump vor der Wahl am 5. November wirklich ins Gefängnis muss, ist praktisch ausgeschlossen. Und selbst wenn er bis dahin ein rechtskräftig verurteilter Straftäter wäre, könnte er zur Wahl antreten, er könnte auch gewinnen – und wäre dann eben wieder der mächtigste Mann der Welt. 

Egal wie man zur Person Trump und zu den Vorwürfen gegen ihn steht, das mehr als dreijährige Gezerre um ihn seit seiner Abwahl und dem Sturm aufs Kapitol offenbart, wie schwach das reichste und nach außen mächtigste Land der Erde im Innern ist. Es zeigt auch, wie fragil demokratische Prozesse und Institutionen sein können – und wie schnell zerbröseln kann, was man noch vor kurzem über die Grenzen der meisten Parteien hinweg für einen demokratischen Konsens hielt: etwa, dass verurteilte Straftäter besser nichts in höchsten Staatsämtern zu suchen haben. 

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Als erstem US-Präsident der Geschichte wird Donald Trump der Prozess gemacht, die Jury in New York spricht ihn schuldig. Trump will aus dem Urteil Profit schlagen, einige Unterstützer springen darauf bereits an

Trump testet die Grundlagen der Demokratie – und am Ende wird, wie er es selbst unmittelbar nach der Entscheidung der Geschworenen vor Wut bebend sagte, das Wahlvolk sein Urteil sprechen müssen. Nur die US-Wähler werden letztlich entscheiden, ob sie noch mal von Donald Trump regiert werden wollen. Und selbst bei dieser Abstimmung haben sich Trump und seine Republikaner inzwischen so viele Fallen und Hürden einfallen lassen, dass die Wahl keinesfalls eine einfache Mehrheitsentscheidung der US-Amerikaner sein wird. Sondern eine Schlacht für eine Armee von Anwälten, die durch die US-Bundesstaaten ziehen werden. Dafür werden Trump und seine Leute sorgen.

Aus europäischer oder gar deutscher Sicht ist man nun ja schnell dabei, den Kopf zu schütteln und zu denken: Wie kann man nur? Doch inzwischen kann man sich auch bei uns manchmal ungläubig die Augen reiben, angesichts dessen, was alles möglich ist, wenn man es nur einigermaßen geschickt anstellt. Und das nicht nur, weil sich die AfD bei der anstehenden Europawahl gleich mehrere Kandidaten leistet, die durch eine merkwürdige Nähe zu den Regimen in Russland und China auffallen. Sondern auch, weil nach zehn Jahren härtester Ermittlungsarbeit die leitende Staatsanwältin im Steuerskandal von Cum-Ex entnervt hinwirft, weil ihre Arbeit von hohen politischen Amtsträgern immer wieder behindert wird. Das hohe Gut der Demokratie, die unabhängige und unerschrockene Kontrolle der Mächtigen durch die Justiz, ist auch bei uns alles anderes als sicher. 

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Wie sagen die konservativen Wählerinnen und Wähler? 

Die entscheidende Frage wird nun sein, wie konservative US-Wähler mit dem Urteil und den weiteren Verfahren gegen Trump umgehen. Seine 150-prozentigen Fans wird die Entscheidung nur noch weiter anfeuern, um die muss sich der Kandidat nicht sorgen. Und ohnehin lief es in den letzten Wochen eher besser als schlechter für Trump, in den landesweiten Umfragen konnte er seinen Vorsprung zuletzt sogar ausbauen. Amtsinhaber Biden ist dagegen so unbeliebt wie noch nie – keine gute Voraussetzung für einen Wahlsieg. 

Lange Zeit sprach die robuste US-Wirtschaft für Amtsinhaber Joe Biden. Doch inzwischen verschlechtert sich die Lage. Die wichtigsten Zahlen zu den Themen, die die USA bewegen – Stimmung, Preise, Jobs, Zuwanderung und Wachstum

Doch diese Umfragen deuteten auch an, dass zumindest jene Konservativen, die Trump ohnehin skeptisch sahen (und davon gibt es ja immer noch einige in den USA) eine klare Verurteilung Trumps durchaus abschrecken würde. In manchen Bundesstaaten könnte das Trump entscheidende Prozentpunkte seiner Wählerschaft kosten. Aber das sind Umfragen, bis zur Wahl sind es noch mehr als fünf Monate. Und das ganze Drama oder Theater, je nachdem wie man es sehen möchte, beginnt ja erst. Wer am Donnerstagabend das US-Fernsehen einschaltete, konnte in Dutzende ratlose Gesichter schauen: „Wir haben keine Ahnung, was dieses Urteil für die Wahlen bedeutet“, bekannte etwa der CNN-Moderator Jake Tapper gleich mehrfach in seinen Live-Schalten. 

In New York wurde Geschichte geschrieben – nur was für eine Geschichte, ist nach wie vor vollkommen offen. 

#Themen Donald Trump US-Wahl US-Präsident Gericht Urteil
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