Pflegeversicherung: Alter, ist das teuer!

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Die Pflegekassen stünden nicht vor der Pleite, beruhigt der Gesundheitsminister. Doch die steigenden Kosten zwingen ihn zu einer großen Reform.

8. Oktober 2024 DIE ZEIT Nr. 43/2024

Blutdruckmessen durch den Gesundheitsminister: Karl Lauterbach beim Besuch einer Seniorentagespflege © Sven Simon/​ullstein bild

Das Altenheim St. Rita ist keine Schickimicki-Residenz mit Seeblick. Es liegt im Wohngebiet in Oberhaching, einem Münchner Vorort. Wer schwer beeinträchtigt ist und den Pflegegrad 5 hat, kann hier ein Bett in einem Doppelzimmer bekommen. Das kostet dann monatlich knapp 6.300 Euro. Wer bitte soll das bezahlen?

Ein Teil der Antwort: Alle bezahlen das. Alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die seit Jahren immer mehr in die Pflegeversicherung einzahlen. In den vergangenen zehn Jahren wurden die Beitragssätze bereits viermal erhöht. Derzeit liegen sie bei 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens, Kinderlose zahlen 4 Prozent. Doch das reicht offenbar nicht. Mit Berufung auf Koalitionskreise meldete das RedaktionsNetzwerk Deutschland, dass die Pflegeversicherung im kommenden Februar zahlungsunfähig sei, wenn niemand eingreife. Es liefen bereits Gespräche in der Koalition, um eine Pleite abzuwenden. Diskutiert werde eine Beitragserhöhung um 0,25 bis 0,3 Prozentpunkte, heißt es.

Die wirtschaftlich schlechte Lage der Pflegekassen ist keine Überraschung. Bis zum Jahresende rechnet ihr Spitzenverband GKV mit einem Minus von 1,5 Milliarden Euro, für 2025 prognostiziert er ein Defizit von 3,4 Milliarden Euro.

Erheblich unter Druck

In einer Pressekonferenz am Montag versuchte der Bundesgesundheitsminister, zu beruhigen: "Die Pflegeversicherung ist nicht insolvent, ihr droht auch nicht die Insolvenz", sagte Karl Lauterbach (SPD). Zum einen sichert ein Ausgleichsfonds die Liquidität der Pflegekassen. Zum anderen kann der Staat mit Steuermitteln Löcher stopfen. Allerdings räumt auch Lauterbach ein, dass die Pflegeversicherung finanziell erheblich unter Druck stehe. Und das, obwohl sich die Beitragssätze in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt haben?

Neben der schwachen Konjunktur sind vor allem drei Ursachen für das Milliardendefizit verantwortlich. Erstens gibt es immer mehr Pflegebedürftige. Das hat mit der alternden Gesellschaft zu tun. Trotzdem erklärte Lauterbach, er habe für 2023 "demografisch bedingt" nur mit rund 50.000 weiteren pflegebedürftigen Menschen gerechnet. Tatsächlich betrug das Plus mehr als 360.000.

Der zweite Grund für die Finanzprobleme ist die jüngste Pflegereform, für die Lauterbach verantwortlich ist. Sie entlastet zwar Pflegebedürftige, könnte aber im schlimmsten Fall bis 2030 etwa 127 Milliarden Euro kosten, hat das Wissenschaftliche Institut der Privaten Krankenversicherung errechnet. An den Kosten für den teuren Platz im Altenheim St. Rita etwa beteiligt sich die Pflegekasse aktuell mit monatlich 2.005 Euro. Seit Jahren warnen Experten, dass immer umfangreichere Leistungen das System implodieren lassen.

Die Gutverdiener könnten mehr zahlen

Und drittens steigen die Gehälter in der Pflege. Seit Mai liegt der Mindestlohn für Pflegefachkräfte bei 19,50 Euro pro Stunde. Das macht die Arbeit attraktiver, ist zugleich aber kostspielig.

Der Gesundheitsminister will die Finanzierungsprobleme bald mit einer Reform lösen. Die Beitragssätze nochmals anzuheben, würde alle Arbeitnehmer belasten – dabei werden zum Jahreswechsel auch die Krankenkassen ihre Beiträge stark erhöhen. Eine Alternative wäre, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben. Sie bezeichnet den Teil des Monatsgehalts, bis zu dem Pflegebeiträge zu zahlen sind – aktuell 5.175 Euro. Würde Lauterbach diesen Höchstbetrag anheben, könnte er mehr Geld einsammeln – bezahlen würden das nur die Besserverdiener. Innerhalb der Regierung wird diese Idee wohl diskutiert. Doch vor allem Finanzminister Christian Lindner (FDP) soll dagegen sein.

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