Bericht Pflegeversicherung droht Zahlungsunfähigkeit

15 Stunden vor

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Die Pflegeversicherung könnte bald zahlungsunfähig werden, wenn die Regierung keine Maßnahmen ergreift. Das schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) in einem Bericht am Montag[1].

Konkret würde das heißen: Pflegeheime, Pflegedienste, Pflegebedürftige und deren Angehörige würden kein Geld mehr bekommen. Die Ampelregierung arbeite darum an einer „Notoperation“, um die finanziellen Probleme der Pflegeversicherung zu lösen.

Ministerium kann Bericht nicht bestätigen

In einem Pressestatement schreibt das Bundesgesundheitsministerium, dass es den Bericht des RND „so nicht bestätigen“ kann. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) werden zudem in Kürze ein Konzept für die in großen finanziellen Schwierigkeiten steckende Pflegeversicherung vorlegen. Damit soll Versicherung sowohl kurz- als auch langfristig wieder auf stabilere Füße gestellt werden.

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Dass die Pflegeversicherung sowohl kurzfristig als auch strukturell Schwierigkeiten hat, habe Gesundheitsminister Lauterbach mehrfach in der jüngsten Vergangenheit betont. „Das hat im Wesentlichen drei Gründe: Mit der jüngsten Pflegereform haben wir die Pflegebedürftigen in Heimen erheblich entlastet, Pflegekräfte bekommen höhere Löhne, und es gibt mehr Pflegebedürftige als angenommen“, so das Ministerium in einer E-Mail an Pressevertreter.

Rote Zahlen erwartet

Die Pflegeversicherung erwartet für dieses und das kommende Jahr rote Zahlen. Im Juni hatte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, der auch die Pflegekassen vertritt, die Prognose von einem Minus von 1,5 Milliarden in diesem und 3,4 Milliarden Euro im nächsten Jahr abgegeben. Rechnerisch entspräche das einer Beitragsanhebung von 0,2 Prozentpunkten. In der Regierung wird laut RND stattdessen von einem Erhöhungsbedarf von 0,25 bis 0,3 Prozentpunkten ausgegangen.

Lauterbach hatte mit Blick auf die angespannte Finanzlage eine weitere Pflegereform angekündigt und Ende August im Stern für 2025 auch weitere Beitragssteigerungen in der Kranken- und Pflegeversicherung angedeutet. Eine erste Reform hatte die Koalition bereits umgesetzt. Sie brachte Entlastungen für Pflegebedürftige bei Eigenanteilen, aber auch einen höheren Beitrag: Für Menschen ohne Kinder stieg er Mitte 2023 auf 4 Prozent und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4 Prozent. Familien mit mindestens zwei Kindern zahlen – bezogen auf den Arbeitnehmeranteil – nun weniger als zuvor.

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Krankenkassen nennen kurzfristige Lösungen

Doris Pfeiffer, Vorsitzende der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), schlägt in einer Stellungnahme zwei schnelle Lösungen vor. Zum einen müsse der Bund Sonderausgaben aus Coronazeiten ausgleichen. Damals hatte die Pflegeversicherung aus Beitragsgeldern unter anderem Coronatests und Boni für Beschäftigte bezahlt. Laut einem Gutachten der Krankenkasse DAK[2] betrugen die Sonderausgaben insgesamt etwa 13 Milliarden Euro. Davon hat der Bund bisher etwa die Hälfte zurückgezahlt. 5,3 Milliarden Euro würden noch fehlen.

Zudem übernimmt die Pflegeversicherung die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige. Laut Pfeifer koste das die Versicherung 2024 und 2025 etwa neun Milliarden Euro. „Auch dies ist keine Aufgabe, die aus Beitragsmitteln, sondern eine staatliche Aufgabe, die aus Bundesmitteln zu finanzieren ist“, sagt Pfeiffer. „Mit diesen rund 9 Mrd. Euro müssten wir nicht schon wieder über Beitragserhöhungen sprechen und es gäbe ein Zeitfenster, um die Pflegeversicherung solide zu reformieren.“

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Expertin verlangt „wirkliche Reform“

Die soziale Pflegeversicherung ist im elften Sozialgesetzbuch (SGB XI) geregelt. Martina Hasseler, Pflegewissenschaftlerin an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, kritisiert das System und mögliche Rettungsversuche: „Die sogenannte Pflegeversicherung ist am Systemende“, sagt Hasseler auf Anfrage der Apotheken Umschau. „Wir brauchen eine fundamentale Reform! Jede weitere vorgesehene Reform erhält nur ein insuffizientes SGB am Leben.“

Hasseler kritisiert vor allem, dass die Messung des Pflegegrads zu kompliziert und Leistungen in der Pflegeversicherung generell „sehr limitiert“ seien. Gleichzeitig müssen Leistungsnehmer einen hohen Eigenanteil zahlen. „Wie soll die Zukunft aussehen, wenn noch mehr Menschen mit Pflegebedürftigkeit auf die Gesellschaft zukommen?“, sagt Hasseler. „Bereits jetzt ist dieses Land nicht mehr in der Lage, pflegebedürftige Menschen gut zu versorgen. Viele Themen der Unter-, Fehl- und Minderversorgung bei Pflegebedürftigkeit im Alter werden ja gar nicht angesprochen!“

Tatsächlich gibt es immer wieder Berichte über mangelhafte Pflegeversorgung. Auch Zuzahlungen, zum Beispiel im Heim, stiegen in der Vergangenheit immer wieder. „Mit der Pflegeversicherung in dieser Struktur und so angelegt, werden wir keine zukunftsfähige Langzeitversorgung ermöglichen“, sagt Hasseler. „Mehr Mut und mehr Wille zu einer wirklichen Reform ist gefordert. Eine Reform, die den Menschen nützt und nicht dem Erhalt des Systems!“

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