US-Chipriese: Nvidia verdoppelt Umsatz – und enttäuscht trotzdem
Nvidia hat seinen Umsatz im abgelaufenen Quartal gegenüber dem Vorjahr erneut um eine dreistellige Prozentzahl gesteigert. Doch so langsam stößt CEO Jensen Huang an die Grenzen des Wachstums – und die Rivalen holen auf.
29.08.2024, 10.26 Uhr
KI-Dominator: Nvidia gibt an der Börse den Takt vor
Foto: David Zalubowski / APDank des anhaltenden Booms bei künstlicher Intelligenz (KI) ist das stürmische Wachstum von Nvidia vorerst ungebrochen. „Nvidia hat einen Rekordumsatz erzielt, da weltweit Rechenzentren für KI aufgerüstet werden“, sagte Firmenchef Jensen Huang (61) am Mittwoch bei der Vorstellung der Quartalsbilanz. Mit seinem Ausblick konnte der weltweit größte Anbieter von KI-Hochleistungschips die hochgesteckten Erwartungen der Anleger aber nicht erfüllen. Die Aktien fielen im nachbörslichen Handel an der Wall Street um rund 7 Prozent. Damit notierten sie aber immer noch gut 150 Prozent über dem Niveau vom Jahreswechsel.
Der Konzernumsatz stieg im abgelaufenen Quartal den Angaben zufolge um 122 Prozent auf 30 Milliarden Dollar (27 Milliarden Euro). Damit wuchs die Firma das fünfte Quartal in Folge prozentual dreistellig. Analysten hatten mit einem Plus von 112 Prozent gerechnet. Der bereinigte Gewinn legte im Berichtszeitraum um 152 Prozent auf 0,68 Dollar je Aktie zu. Wegen der hohen Kosten für den Ausbau der Produktionskapazitäten blieb die Gewinnmarge mit 75,7 Prozent allerdings knapp hinter den Markterwartungen zurück.
Für das angelaufene Vierteljahr stellte Nvidia Erlöse von 32,5 Milliarden Dollar, plus/minus 2 Prozent, sowie eine bereinigte operative Gewinnmarge von 75 Prozent, plus/minus einem halben Prozentpunkt, in Aussicht. Analysten hatten einen Umsatz von 31,69 Milliarden Dollar und eine Gewinnspanne von 75,5 Prozent prognostiziert. „Wir stoßen hier auf das Gesetz der großen Zahlen“, sagte Michael Schulman, Chefanleger des Vermögensverwalters Running Point. „Sobald ein Unternehmen eine bestimmte Größe erreicht hat, kann es nicht mehr das gleiche Wachstum aufrechterhalten.“
„Wir stoßen hier auf das Gesetz der großen Zahlen.“
Michael Schulman, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Running Point
Nvidia-Chef Huang teilte am Mittwoch außerdem mit, dass die ersten Exemplare des KI-Prozessors „Blackwell“ ausgeliefert würden. Technische Probleme hatten die Markteinführung der modernsten Version dieser Hochleistungschips verzögert. Gleichzeitig bleibe die Nachfrage nach der Vorgängergeneration „Hopper“ hoch, betonte Huang.
Nvidia rund drei Billionen Dollar wertDie Zahlen des amerikanischen Chipherstellers waren mit großer Spannung erwartet worden, da die Entwicklung der Aktie große Auswirkungen auf die Indizes hat. Und als Indikator dafür gilt, inwiefern sich der KI-Hype und das Wettrüsten zwischen den Hyperscalern und den US-Techriesen in Zukunft fortsetzt.
Allein im vergangenen Jahr hatte der Kurs des Chipherstellers angesichts des KI-Hypes und der starken Nachfrage nach den teuren Spezialchips um mehr als 160 Prozent zugelegt. Die Marktkapitalisierung lag zuletzt bei mehr als 3,1 Billionen Dollar, womit die Aktie etwa 6 Prozent des S&P 500 ausmacht. Ihr Anstieg war damit für mehr als ein Viertel des 18-prozentigen Kursanstiegs des amerikanischen Leitindex in diesem Jahr verantwortlich.
Nvidia sei der „Atlas, der den Markt hochhält“, fasste es Steve Sosnick von Interactive Brokers zusammen. Allerdings war der Kurs des Chipherstellers angesichts zahlreicher Herausforderungen in den vergangenen Monaten stark geschwankt und hatte dabei viele Aktien mit nach oben oder auch nach unten gezogen.
Experten hatten zuletzt eine Verdoppelung des Gewinns erwartet, nachdem Nvidia seinen Umsatz in den vergangenen drei Quartalen im Jahresvergleich sogar verdreifacht hatte. Wobei der Großteil des Wachstums aus dem Segment Datencenter kam.
Eines der wichtigsten Ereignisse im MakrokalenderAuch Analysten der Deutschen Bank messen der Geschäftsentwicklung des Unternehmens aus Santa Clara, das vor einigen Jahren nur die Wenigsten kannten, enorme Bedeutung bei. Nvidia habe sich zu „einem der wichtigsten Ereignisse im Makrokalender“ entwickelt, zitierte die „Financial Times“ Analysten der Deutschen Bank. Ergebnisse in der Vergangenheit hätten zu Marktreaktionen geführt, „die mit der Art von Bewegungen nach einem überraschenden US-Arbeitsmarktbericht oder der Veröffentlichung des Verbraucherpreisindexes vergleichbar sind“, so die Experten. „Wir glauben, dass dies der wichtigste Gewinnbericht für den Aktienmarkt in diesem Jahr und möglicherweise seit Jahren ist“, schrieb Dan Ives, Analyst bei Wedbush, in einer Mitteilung an Kunden am Mittwoch.
Allerdings muss Nvidia trotz des Booms gleich mit zahlreichen Herausforderungen kämpfen, die die absolut dominierende Stellung des Konzerns auf lange Sicht bedrohen könnten.
So versuchen zahlreiche Wettbewerber, die Marktdominanz Nvidias zunehmend aufzuweichen. Einer der größten Konkurrenten AMD etwa hat den Umsatz mit Chips für Rechenzentren im jüngsten Quartal mehr als verdoppelt. Und möchte gleich mehrerer Unternehmen zukaufen, um besser im Wettbewerb mit Nvidia bestehen zu können. So kündigte AMD kürzlich an, für 4,9 Milliarden Dollar den Serverhersteller ZT Systems übernehmen zu wollen. Und kaufte mit Silo AI aus Finnland für 665 Millionen Dollar auch in Europa bei einem Anbieter generativer KI zu.
Zudem hat die US-Regierung Nvidia verboten, seine leistungsfähigsten KI-Chips nach China zu exportieren, um das Land bei der Entwicklung neuer KI-Technologien etwa im militärischen Bereich auf Abstand. Und seit Kurzem sieht sich Nvidia wegen mutmaßlichen Missbrauchs seiner Marktmacht bei KI-Chips zudem Ermittlungen des US-Justizministeriums ausgesetzt.
Retail-Investoren gegen HedgefondsIn jedem Fall dürften die Zahlen Nvidias massive Auswirkungen auch auf andere Techwerte haben, steht Nvidia doch sinnbildlich für den KI-Trend, der in der Vergangenheit bereits die Bewertungen anderer Technologiekonzerne wie Apple oder Amazon in neue Höhen trieb. Allerdings habe er den Eindruck, dass Privatanleger im Technologiebereich mittlerweile deutlich optimistischer seien als etwa Hedgefonds oder Investmentfonds, so Nikolaos Panigirtzoglou von J.P. Morgan.