Nvidia: Darum stürzt die Aktie trotz glänzender Zahlen ab

19 Tage vor
Nvidia-Aktie

Die Geschäfte des Silicon-Valley-Konzerns Nvidia laufen so phänomenal, dass ein Aktien-Rückkaufprogramm für 50 Milliarden Dollar aufgelegt wird. Trotzdem rutscht der Kurs ab. Das sind die Gründe.

Früher waren die Microsoft-Ergebnisse der globale Gradmesser der Dynamik in der Tech-Branche, dann folgte Apple und nun sind es ohne Zweifel die von Nvidia. Dessen Quartalsergebnisse seien der „Super Bowl der Finanzmärkte“, staunt das „Wall Street Journal“ und bemerkt, dass für einige Marktbeobachter die Ausführungen von Nvidia-Chef Jensen Huang mehr Einfluss haben als die des US-Notenbankchefs Jerome Powell.

Wenn das stimmt, dann hat Huang bei der Präsentation der Quartalsergebnisse am Mittwochabend deutscher Zeit versagt. Denn obwohl Nvidia glänzende Zahlen vorlegte, gab die Aktie im nachbörslichen Handel um bis zu acht Prozent nach. Was wegen des immensen Börsenwerts von 3,08 Billionen Dollar einem Verlust von fast 250 Milliarden Dollar entspricht.

An den Zahlen kann dieses Abrutschen nicht liegen. Im zweiten Quartal machte Nvidia 30 Milliarden Dollar Umsatz, mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Der Profit ist auf sagenhafte 16,5 Milliarden Dollar geklettert, im Vorjahr waren es „nur“ 6,1 Milliarden Dollar – also ein Zuwachs um mehr als das Zweieinhalbfache. Selbst das einstige Kerngeschäft mit Grafikkarten für Personalcomputer und Spielkonsolen ist im Vergleich zum Vorjahr zweistellig gewachsen, auch wenn die 2,9 Milliarden Dollar im Vergleich zum Verkauf von Beschleunigern für Künstliche Intelligenz in Rechenzentren mehr als bescheiden wirken.

Ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 50 Milliarden Dollar

Und weil die Wall Street immer in die Zukunft schaut: Das Geschäft im dritten Quartal läuft laut Huang und Finanzchefin Colette Kress glänzend. Man erwartet nun rund 32,5 Milliarden Dollar und wird diese wahrscheinlich noch übertreffen. Zwar musste die neueste KI-Beschleuniger-Generation namens Blackwell überraschend überarbeitet werden. Aber Huang versicherte, dass die neue Hardware im vierten Quartal in signifikanter Größe ausgeliefert wird.

Um noch eins draufzusetzen, gab der Konzern am Mittwoch bekannt, dass sein Verwaltungsrat ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 50 Milliarden Dollar genehmigt hat, obwohl aus dem alten Plan immer noch 7,5 Milliarden Dollar auszugeben sind.

Warum gibt dann bei all diesen guten Nachrichten die Nvidia-Aktie so stark nach? Zumal es fast als sicher gilt, dass die Fed die Zinsen im September leicht senken wird, was in der Regel Tech-Werte beflügelt.

Es lässt sich nur damit erklären, dass etliche Anleger mittlerweile skeptisch sind, ob die von Rekord zu Rekord eilenden Nvidia-Zahlen den Börsenwert weiter nach oben treiben können oder ob dieses künftige Wachstum bereits eingepreist ist. Die beiden anderen Mitglieder des Drei-Billionen-Dollar-Clubs, Apple und Microsoft, werden in diesem Jahr laut Prognosen 390 Milliarden Dollar beziehungsweise 280 Milliarden Dollar umsetzen. Nvidia wird in diesem Kalenderjahr zwar erstmals die 100 Milliarden Dollar Grenze beim Umsatz überschreiten – wahrscheinlich um mehr als 20 Milliarden Dollar –, aber das ist immer noch weit weniger als Apple und Microsoft.

Sind die Erwartungen an KI – und Nvidia – zu hoch?

Mehr noch: Einflussreiche Beobachter wie beispielsweise Jim Covello, Chefanalyst von Goldman Sachs, warnen mittlerweile davor, dass die Erwartungen an generative Künstliche Intelligenz weit höher sind als diese derzeit zu leisten vermag. Die Fortschritte beim Entwickeln und Anwenden der Modelle sind demnach nicht so stark wie ursprünglich erhofft. Derzeit ersetze „teure Technik“ vor allem niedrig bezahlte Tätigkeiten.

Und dass es deshalb fraglich sei, ob sich die viel beschworenen Produktivitätszuwächse auch tatsächlich einstellen oder der Weg dorthin nicht doch viel länger ist als gedacht.

Dann ist da noch das Problem mit dem immensen Energieverbrauch beim Trainieren und Anwenden von KI. Prognosen gehen davon aus, dass bis Ende des Jahrzehnts allein in den USA zwanzig Prozent des Energieverbrauchs auf Rechenzentren entfallen könnten. Es ist ein Zuwachs, der selbst mit dem Ausbau erneuerbarer Energien in Rekordtempo nicht befriedigt werden kann, sondern nur mit Nuklear und fossilen Energieträgern.

Folgt ein Absturz wie nach der Dotcom-Blase?

Zahlen sich die Hunderte Milliarden Dollar, die derzeit in das Aufrüsten von Rechenzentren gesteckt werden, aus oder befindet sich generative Künstliche Intelligenz auf dem Scheitelpunkt eines Hype-Zyklus? Dem – so war es zumindest beim Platzen der Dotcom-Blase – ein rasanter Absturz folgt?

Huang gab sich bei der Diskussion der Quartalsergebnisse allergrößte Mühe, all diese Zweifel zu zerstreuen. Streckenweise hörten sich seine Ausführungen wie eine Schulungsveranstaltung für die Verkäufer von KI-Hardware an.

Laut dem Nvidia-Chef ist der Boom noch lange nicht vorbei und wird auch die kommenden Jahre prägen.

Er ist fest davon überzeugt, dass die derzeitigen auf Computerprozessoren basierenden Rechenzentren alle auf Grafikprozessoren aufgerüstet werden müssen. „Wir stehen am Anfang unserer Reise zur Modernisierung von Rechenzentren im Wert von einer Billion Dollar, die von der allgemeinen Datenverarbeitung auf beschleunigte Datenverarbeitung umgestellt werden muss“, so Huang.

Und an der kein Weg vorbei gehe, „denn die Anforderungen an die Rechenleistung wachsen weiterhin rasant“. Zugleich verändere sich das Schaffen von Software dahin, dass diese zunehmend nicht mehr von Entwicklern, sondern von generativer Künstlicher Intelligenz erzeugt wird. „Generative KI ist kein Feature, es ist eine neue Form der Datenverarbeitung, ein fundamental neuer Weg, um Software zu entwickeln.“ Es könne durch tiefe Analyse die Funktion von fast allem herausfinden und darauf aufbauen.

Revolution bei der Robotik

Die Modelle der KI-Anbieter, die im scharfen Wettbewerb stehen, würden weiterhin wachsen und zudem neben Text, Video und Audio mit neuen Daten wie 3D-Modellen und Informationen aus Physik und Biologie gefüttert. „Wir können dank des Zuwachses an Rechenleistung gigantische Modelle mit mehreren Milliarden Parametern haben, die auf dem gesamten Wissenskorpus der Welt trainieren können“, sagt der Nvidia-Chef.

Zeitgleich laufe die Revolution bei der Robotik, so Huang, bei der Systeme über das Anschauen von Videos trainiert werden, um Bewegungen und Arbeitsschritte nachzuahmen oder nachzuvollziehen.

Zugleich weise der Übergang zur „beschleunigten Datenverarbeitung“ den Weg aus der Energiefalle. Denn so könne man Berechnungen nicht nur schneller, sondern auch mit weniger Energieverbrauch abwickeln.

Kritik? Egal, Hauptsache riesige Nachfrage!

Die Kritik, dass die Geschäftsmodelle der KI-Anbieter anfällig sind, kontert Huang mit der riesigen Nachfrage. Alles, was beispielsweise bei den Hyperscalern – also Cloud-Anbietern wie Microsoft, Amazon oder Google – in Infrastruktur investiert werde, „wird sofort wieder vermietet.“ Und zwar nicht nur an Unternehmen aus diversen Branchen, sondern auch an viele KI-Startups, die fast all ihre Gelder für das Konsumieren von Rechenleistung ausgeben. Hinzu kämen noch viele Staaten, die mittlerweile in eigene KI-Infrastruktur und Modelle investieren würden, um wirtschaftlich international mitzuhalten.

„Die Leute, die in die Nvidia-Infrastruktur investieren, erhalten sofort eine Rendite“, behauptet Huang.

Nvidia kann sich vor Nachfrage nicht retten

Egal, was man von seinen Ausführungen hält: Tatsache ist, dass Nvidia sich vor Nachfrage derzeit nicht retten kann. Und zwar nicht nur nach der neuen Blackwell-Generation seiner KI-Beschleuniger, sondern auch seinen bewährten Hopper-Systemen. Dass diese Nachfrage über Nacht zusammenbrechen sollte, ist schwer vorstellbar. Zumal Konkurrenz wie AMD oder Intel mit ihren Produkten derzeit nicht mithalten können.

Was Huang jedoch geflissentlich übergeht: Bei den Cloud-Anbietern mag das Geschäftsmodell – das Vermieten von KI-Rechenkapazität – klar sein. Aber was, wenn deren Kunden das Geld beim Wettrüsten ausgeht? Viele Sprachmodell-Anbieter haben sich wegen hoher Ausgaben und im Vergleich dazu geringer Einnahmen mittlerweile unter das Dach von Big Tech gerettet. OpenAI ist eng mit Microsoft verbandelt, ebenso wie beispielsweise AdeptAI mit Amazon oder CharacterAI mit Google. Beim wichtigsten OpenAI-Wettbewerber Anthropic sind sowohl Amazon als auch Google engagiert.

In die Nvidia-Quartalszahlen platzte die Nachricht, dass KI-Branchenguru OpenAI schon wieder mehrere Milliarden Dollar an Wachstumskapital einsammeln muss. An sich gute Nachrichten für dessen Generalausrüster Nvidia. Aber etliche Anleger gehen trotzdem lieber erstmal auf Nummer Sicher, bevor der Geldstrom der Nutzer von KI-Hardware weniger kräftig sprudelt. Einige sind auch schon gebrannt: Im Juni hatte Nvidia einen Höchststand erreicht, um dann in den folgenden sieben Wochen wieder 30 Prozent davon zu verlieren. Zwar hat Nvidia das meiste davon wieder hereingeholt. Aber weitere Achterbahnfahrten – trotz glänzender Geschäfte – sind zu erwarten.

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