Caren Miosga grillt Lars Klingbeil – der speist sie mit Plattitüden ab

18 Mär 2024

TV-Kritik

SPD-Vorsitzender Caren Miosga grillt Lars Klingbeil – doch der speist sie mit Plattitüden ab

Lars Klingbeil - Figure 1
Foto STERN.de

Ratlos bei Miosga? Lars Klingbeil rettet sich mit Polit-Floskeln

© Jörg Carstensen / DPA

von Mark Stöhr

18.03.2024, 08:18 3 Min.

Hat die SPD ausgerockt? Der TV-Auftritt von Lars Klingbeil bestätigte den Eindruck einmal mehr. Für Spannung sorgte vor allem eine giftige Caren Miosga, die dem SPD-Vorsitzenden seine rhetorischen Ausweichmanöver nicht durchgehen ließ.

Was verspricht man sich davon, Nirwana zu covern? Will man damit ein Lebensgefühl reanimieren, das in der Gegenwart eh keine Überlebenschance hat? Oder geht es nur darum, seine Biederkeit "aufzupunken"? In "Inas Nacht" spielte Lars Klingbeil vor ein paar Wochen das ikonische Riff von "Smells Like Teen Spirit". Er kratzte es mit einer gleichmütigen Miene runter, als würde er aus einer Pfanne Essensreste entfernen. Ähnlich leidenschaftslos spulte er gestern seine ausufernden Politikersätze ab. "Wir leben in wahnsinnig turbulenten Zeiten", wiederholte er dreimal und lieferte Plattitüden am Band wie: "Ich arbeite jeden Tag daran, dass es besser wird." Vielleicht redet man so, wenn man viel Zeit mit Olaf Scholz verbringt. Aber rettet das die SPD? Und hilft das Deutschland?

Bei Caren Miosga zu Gast waren:

• Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender

• Helene Bubrowski, stellvertretende Chefredakteurin von Table.Briefings

• Moritz Schularick, Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft

Dass "der jüngste Vorsitzende der ältesten Partei Europas" (Klingbeil über sich selbst) keinen Netter-Typ-Bonus bekommen würde, machte Caren Miosga von Anfang an klar. Sie knallte ihm die umstrittene Aussage des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich in der Bundestagsdebatte vergangene Woche auf den Tisch, in der vom "Einfrieren" des Ukrainekriegs die Rede war. Dazu blendete sie eine Karte der Ukraine ein und machte deutlich, wie viele Millionen Ukrainer durch ein solches "Einfrieren" dauerhaft unter russische Zwangsherrschaft geraten würden. Ob er sich diese Aussage zu eigen machen würde? Fragte sie ein Mal, zwei Mal. Klingbeil wand und verästelte sich.

Lars Klingbeil - Figure 2
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Klingbeil rückt nicht von "Kreml-Kuschlern" ab

Natürlich stünde die SPD weiter an der Seite der Ukraine, darüber gäbe es überhaupt keinen Zweifel. Aber man dürfe Diskurse auch nicht verengen. Miosga schob einen Ausschnitt aus dem russischen Staatsfernsehen nach. Putin mit der Kälte des Aggressors: "Jetzt zu verhandeln, nur weil der Ukraine die Munition ausgeht, ist irgendwie lächerlich." Auch das veranlasste Klingbeil nicht, ein Stück von den Kreml-Kuschlern in seiner Partei abzurücken. Ob die Positionierung als Friedenspartei der SPD eine bessere Ausgangslage bei den bevorstehenden Wahlen im Putin-freundlichen Osten verschaffen solle, bohrte Miosga weiter. "Olaf Scholz", antwortete Klingbeil, "entscheidet Dinge nach Prinzipien, nicht nach Wahlterminen." So redet ein Generalsekretär, der er ja mal war. Kein Vorsitzender.

Nach der Nichtlieferung der Taurus-Raketen würde sie gar nicht mehr fragen, sagte Miosga schließlich sichtlich genervt. Da habe sie vom Kanzler so viele unterschiedliche Begründungen gehört – "und Sie werden mir die wahre sicher nicht verraten." Stattdessen wollte Sie wissen, wer Scholz immer wieder die Formel "You'll Never Walk Alone" in seine Reden schreiben würde. Das sei bei jemandem, der nicht gerade für große Gefühle stehen würde, doch nicht glaubwürdig. Klingbeil holte wieder weit aus ("Die Message dieses Songs ist, dass wir Geschlossenheit zeigen müssen") und verblüffte am Ende mit einem ziemlichen Flatterball: Beim FC St. Pauli würde das Lied auch gesungen, "daher finde ich es authentisch, wenn ein Kanzler aus Hamburg das sagt."

Rentenplan der SPD nicht finanzierbar?

Seit 1998 ist die SPD an der Macht, mit Ausnahme von vier Jahren. Gerade hat Arbeitsminister Hubertus Heil den Entwurf eines Rentenpakets vorgestellt, in dem das Rentenniveau von 48 Prozent dauerhaft gesetzlich festgeschrieben werden soll. Fragt sich nur: Wie soll das finanziert werden angesichts der demografischen Entwicklung? "Man kann die ökonomische Logik nicht per Dekret aushebeln", sagte der Ökonom Moritz Schularick. Der Bundeshaushalt würde jetzt schon durch die Rentenzuschüsse mit rund 120 Milliarden Euro belastet – Geld, das anderswo fehlen würde. Beispielsweise im Verteidigungsetat. "Das Sondervermögen ist nach dem nächsten Haushalt weg, die Bedrohung aber nicht."

Auch die Journalistin Helene Bubrowski sieht auf die Sozialdemokraten schmerzhafte Realitätserkenntnisse zukommen. Und fordert Bewegung in ihrer Rentenposition. Für den "gesellschaftlichen Frieden" sei es wichtig, dass Parteien auch immer wieder Entscheidungen gegen ihre eigenen Überzeugung fällen würden. Wie die CDU beim Atomausstieg oder die Grünen in der Frage der Waffenlieferungen.

Wie muss eine moderne sozialdemokratische Partei aufgestellt sein, fragte Caren Miosga am Schluss – nicht Lars Klingbeil, sondern den Ökonomen Schularick. "Es kommt mir immer vor, als wollten wir in die 1970er- und 1980er-Jahre zurück, wo wir montags alle Stahl kochen und Autos zusammenschrauben", antwortete er. Er forderte ein "Software-Update in den Köpfen". Denn: "Wir müssen nicht gucken, was hat uns gestern stark gemacht, sondern was ist das Wachstum von morgen."

cl

#Themen Lars Klingbeil Caren Miosga SPD Sozialpolitik Russland Wladimir Putin Olaf Scholz
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