Joe Biden und Co.: Was tun, wenn die Alten nicht abtreten wollen?

3 Tage vor
Joe Biden

Was die Demokraten in den USA erleben, kennen auch etliche Familienunternehmen: Wann sind die Mächtigen zu alt? Welche Vorkehrungen helfen, damit Geschäft und Wahlkampf nicht unter dem Alter leiden?

Eigentlich ist es ja die Republikanische Partei, die sich mit dem Beinamen „Grand old Party“, also „große alte Partei“, schmückt. Doch in diesen Tagen gelten vor allem die Demokraten als Old Party. Als alte, unsichere Partei. Verantwortlich dafür: US-Präsident Joe Biden und sein Auftritt im ersten TV-Duell im Vorfeld der diesjährigen US-Wahlen. Biden verlor mehrmals den Faden, vernuschelte einige Sätze.

Das Alter des US-Präsidenten wird zunehmend zum Wahlkampfrisiko. Biden aber dürfte weitermachen, so scheint es. Er selbst hat das in der Hand. Die Vorwahlen sind schließlich gelaufen. Und so ist es Joe Biden selbst, der den Weg freimachen müsste für eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Wenn er denn wollte.

Es ist ein Problem, das auch viele Unternehmen kennen, erst recht die vielen Betriebe in Familienhand im deutschen Mittelstand. Die Menschen oben an der Spitze werden älter und älter. Doch ob und wann sie abtreten, liegt oftmals in ihrer Hand. Einige zögern es lange hinaus, verschleißen Nachfolger um Nachfolger.

Immer ältere Unternehmer

29 Prozent der Inhaberinnen und Inhaber mittelständischer Unternehmen waren im vergangenen Jahr älter als 60 Jahre, zeigen Daten der KfW. Vor zehn Jahren lag der Anteil noch bei 19 Prozent. Nur zwölf Prozent der Eigentümer sind jünger als 40. „Der Bedarf an Nachfolgern und Nachfolgerinnen wird zwangsläufig zunehmen, ungewollte Unternehmensstilllegungen dürften spürbar häufiger werden“, folgert KfW-Mittelstandsexperte Michael Schwartz.

Doch trotz des zunehmenden Alters: 44 Prozent der Inhaber denken nicht an den Rückzug. So viele wie im Vorjahr und ein Prozentpunkt mehr als 2021. Und wenn ein Rückzug erwogen wird, dann soll der sich in elf Prozent der Betriebe noch über zehn Jahre und mehr erstrecken. 

Bei der Drogeriemarktkette Müller etwa leitet Gründer Erwin Müller inzwischen wieder die Geschäfte, nachdem er sich für die Nachfolge schon einmal zurückgezogen hatte. Hans Dieter Beck, Gesellschafter beim Verlag C. H. Beck, verantwortet noch heute den Bereich „Recht, Steuern und Wirtschaft“. Die beiden Unternehmer sind Jahrgang 1932, Joe Biden Jahrgang 1942. Beck ist 92 Jahre alt, Müller 91.

Sicher: Die körperliche und geistige Verfassung kann trotz des hohen Alters noch überdurchschnittlich gut sein. Und doch: „Das hohe Alter einer Inhaberin oder eines Inhabers in der Geschäftsführung kann definitiv zum Risiko für ein Unternehmen werden“, sagt Alexander Koeberle-Schmid, der Familienunternehmer bei der Nachfolge berät und in Berlin an der privaten Hochschule Digital Business University lehrt.

Denn zum Beispiel nehmen Veränderungsbereitschaft und Innovationskraft mit dem Alter ab, sagt der Berater. „Das gilt erst recht in der heutigen Welt, in der eine Krise die nächste jagt – und in der kontinuierliche Transformation notwendig ist.“ Problematisch wird es vor allem, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, sinnvolle Entscheidungen zu treffen und doch über alle Anteile verfügen und somit unangreifbar sind. 

Was aber lässt sich tun, wenn die Menschen mit der meisten Macht einfach nicht loslassen wollen? Und bis ins hohe Alter an ihrer Position, ihrem Prestige klammern? Diese Vorkehrungen treffen Familienunternehmen – und bieten damit sicherlich etwas Inspiration für zukünftige Wahlkämpfe der Demokraten.

Tipp 1: Austrittsdatum festlegen

Koeberle-Schmid erinnert sich noch an ein Gespräch mit einem Unternehmer, der nach langer Zeit mal wieder an einem Bewerbungsgespräch mit einem potenziellen Auszubildenden teilnahm. „Und dann fragte der Azubi, wie lange der Unternehmer denn überhaupt noch an Bord bleibe“, erinnert sich Koeberle-Schmid. Der Unternehmer sei etwas brüskiert gewesen, aber auch erheitert. Für Koeberle-Schmid ist die Frage des jungen Menschen allerdings „völlig berechtigt“, wie er sagt. „Im Zuge des Personalmangels wollen junge Talente ja nicht in einem Unternehmen Karriere machen, in dem überholte Strukturen, veraltete Führungsprinzipien gelten.“

Koeberle-Schmid weiß, dass einige Familienunternehmen schon vorher Austrittsdaten für die Geschäftsführung festlegen. Zu einem solchen Vorgehen rät der Berater auch – und erinnert sich an das Vorgehen eines Kunden: Zwei Brüder und ihr Cousin leiteten das Familienunternehmen. Im Vertrag der Eigentümer stand: Sobald sie das Renteneintrittsalter erreichen, geben sie die Führungsverantwortung ab. „So eine unverrückbare Regelung hilft sehr“, sagt Koeberle-Schmid. „Weil die geschäftsführenden Gesellschafter gezwungen sind, bis zu diesem Zeitpunkt eine Nachfolgeregelung für die Unternehmensführung zu treffen.“ 

Tipp 2: Eintrittsdatum festlegen

Im Gegenzug rät Koeberle-Schmid auch dazu, ein Eintrittsdatum von Nachfolgerin und Nachfolger unbedingt festzulegen – und dann im Unternehmen groß zu verkünden. „Das sorgt ebenfalls für Verbindlichkeit“, sagt er. „Und es sollte wirklich ein konkretes Datum sein.“ Ohne einen solchen Zeitpunkt würden die Nachfolgen immer und immer wieder verschoben, beobachtet der Berater.

Das Austrittsdatum entspricht dabei meist nicht dem Eintrittsdatum. Es gibt häufig eine Übergangsphase. „Mit zwei konkreten Daten erleichtern sich Vorgänger und Nachfolger den gesamten Prozess und nehmen den Druck raus“, sagt Koeberle-Schmid. Denn sonst würde die Nachfolgefrage immer im Raum stehen – bis sie jemand anspricht.

Tipp 3: Begrenzte Verträge

Seinen Klienten rät Koeberle-Schmid obendrein, die Verträge der Geschäftsführer zu begrenzen – auch wenn sie aus der Familie kommen. Auf drei bis fünf Jahre etwa. Der Vorteil eines solchen Vorgehens: Ohne begrenzte Verträge stünden die Gesellschafter irgendwann vor der „negativen Entscheidung“, jemanden – etwa aus Altersgründen – abzusetzen. Bei begrenzten Verträgen würde daraus eine „positive Entscheidung“, wenn der Vertrag, obwohl die Frist abgelaufen ist, noch mal verlängert werden kann.

Anders als bei den vorher festgelegten Austrittsdaten arbeiten seiner Erfahrung nach erst wenige Familienunternehmen mit begrenzten Verträgen.

Tipp 4: Manchmal braucht es Druck

Im Fall von Joe Biden war es David Axelrod, ehemals Stratege von Barack Obama, der nach dem TV-Duell gegenüber dem Fernsehsender CNN sagte: „Es wird Diskussionen geben, ob er weitermachen soll“. Politiker mit großer Bedeutung in der demokratischen Partei halten sich bislang zurück.

Auch in Unternehmen stellt sich mit zunehmendem Alter der Eigentümer – und ohne vorher getroffene Regelungen – irgendwann die Frage: Wer sagt’s ihm? Zwar könnten auch Banken, Beiratsmitglieder oder langjährige Vertraute Bedenken wegen des Alters eines Eigentümers äußern, sagt Koeberle-Schmid. „Doch die nachfolgende Generation hat das meiste Druckpotenzial und kann wirklich etwas einfordern“, sagt er. „Manchmal kommt es dann sogar zum Machtkampf“, beobachtet Koeberle-Schmid.

So wie in einem Unternehmen, das der Berater begleitete: „Der Sohn sollte nachfolgen und war schon in der Firma aktiv“, sagt Koeberle-Schmid. Doch der Patriarch verschob die Nachfolge Jahr für Jahr. Bis der Sohn gesagt habe: ‚So geht es nicht weiter. Wenn du mir das Unternehmen in den nächsten sechs Monaten nicht übergibst, steige ich aus.' Diese Drohung habe der Sohn nach anfänglichem Zögern wahrgemacht – und kurz darauf vom Vater gehört: ‚Würdest du zurückkommen? Wir gehen die Nachfolge jetzt an.‘

„Häufig braucht es ein wenig Druck“, sagt Koeberle-Schmid. Von mutigen Nachfolgern, die den Konflikt nicht scheuen. „Dieses Risiko müssen sie eingehen. Nur so können die Mächtigen vom Thron gestoßen werden“, sagt der Berater.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten