Frankreich-Wahl: So reagieren Märkte und Wirtschaft auf die ...

Frankreich So reagieren Märkte und Wirtschaft auf die Wahlen in Frankreich

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Französische Flagge am Platz der Republik in Paris. Nach dem überraschenden Sieg der Linken feierten Tausende Menschen auf den Straßen

© Le Pictorium / IMAGO

Die Linken jubeln: Frankreich rückt nach den Parlamentswahlen doch weniger nach rechts als gedacht. Die Märkte nehmen die Ergebnisse gelassen. Der Grund ist aber ein anderer

In Paris und anderen französischen Städten trieben die Ergebnisse der Parlamentswahlen viele Menschen auf die Straße. Die Märkte hingegen reagieren auf den Überraschungserfolg der Linken in Frankreich überschaubarer. Wie von Analysten erwartet, schlägt sich der Zick-Zack-Kurs der französischen Wählerinnen und Wähler vor allem in den Risikoaufschlägen bei Staatsanleihen nieder. Gegenüber seiner Benchmark, den 10-jährigen deutschen Staatsanleihen, stiegen französische Papiere von 0,68 auf 0,71 Prozentpunkte. Anleger sehen also ein minimal höheres Ausfallrisiko für Frankreich gegenüber Deutschland. Der Zins auf französische Anleihen stieg ebenfalls leicht um 0,04 Prozentpunkte. Der französische Leitindex CAC 40 drehte nach schwachem Start am Mittag um 0,5 Prozent ins Plus.

Die in Summe dennoch leicht negative Reaktion erklärt sich vor allem daraus, dass das Land nun vor einem politischen Patt steht. Die Neue Volksfront (Nouveau Front Populaire) um Jean-Luc Mélenchon fuhr zwar laut Demoskopen bei der Stichwahl am Sonntag den Sieg ein, verfehlte eine absolute Mehrheit aber deutlich. Die Linke und das Mitte-Lager hatten Absprachen getroffen, um nach dem Rechtsruck in der ersten Runde einen Durchmarsch des Rassemblement National (RN) zu verhindern. Ohne eine absolute Mehrheit eines Lagers im Parlament gilt eine Regierungsbildung als schwierig, auch weil Koalitionen in Frankreich weitgehend unbekannt sind.

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Sicherheit für Anleger

„Die linke Neue Volksfront hat die Erwartungen zwar deutlich übertroffen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sie regieren wird. Wir gehen davon aus, dass letztlich ein technokratischer Premierminister der politischen Mitte eingesetzt werden wird“, kommentiert Andrzej Szczepaniak, Volkswirt beim Vermögensverwalter Nomura.

Szczepaniak erwartet, dass die Auswirkungen daher insgesamt überschaubar bleiben werden. Die Spreads zwischen französischen und deutschen Anleihen dürften sich wieder einengen, sobald ein neuer Premierminister eingesetzt ist. Und auch die kurzfristige Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar sei nur vorübergehend. Der Euro, der sich seit Macrons Wahl-Ausruf vor einem Monat in unruhigem Fahrwasser befindet, fiel am Montag zunächst leicht um 0,2 Prozent gegenüber dem Dollar auf 1,0816 Dollar. Das Währungspaar dürfte in einer engen Spanne von 1,07 bis 1,09 bleiben, während der Markt die Situation verarbeitet, so Szczepaniak.

Politiker aller Lager hatten zum Votum gegen die Rechtspopulisten aufgerufen – mit Erfolg. Die Regierungsbildung bleibt schwierig

Insgesamt glauben Volkswirte, dass das Wahlergebnisse eher zu Sicherheit unter Anlegern führt. Das liegt aber weniger an den Wahlprogrammen der Parteien als am politischen Stillstand. „Eine linke Regierung dürfte nur wenige ihrer Versprechungen umsetzen können“, prognostiziert Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. 

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Ökonomen warnen vor teuren Plänen

Schon für die ersten 15 Tage nach einer Regierungsübernahme hatte die Neue Volksfront viele kostenträchtige Maßnahmen wie die Rücknahme der Rentenreform, eine Erhöhung der Renten, Wohngelderhöhungen, Preisgarantien für Bauern und das Einfrieren der Preise für Energie und Nahrungsmittel angekündigt. Für die nächsten 100 Tage wurden unter anderem Steuererhöhungen für höhere Einkommen und Vermögen, eine Ausdehnung des öffentlichen Dienstes und eine Unterstützung von energetischen Maßnahmen angekündigt. 

Die Volksfront selber hat die Kosten ihrer Maßnahmen in den ersten beiden Jahren auf insgesamt 125 Mrd. Euro geschätzt. „Diese Maßnahmen würden sicherlich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Frankreich spürbar beeinträchtigen, sodass sich die Chancen auf eine Belebung der Wirtschaft eher verringern“, sagt Weidensteiner. Dass sie alle so umgesetzt werden, sei aber unrealistisch.

Frankreich wählt erneut. Nach dem ersten Wahlgang hatten sich die Märkte zunächst beruhigt. Ob Investoren lieber einen linken oder rechten Wahlsieg sehen würden, erklärt Capital-Redakteurin Birgit Haas

Auch für Deutschland werten Ökonomen das Ergebnis weitestgehend positiv. Mit dem wahrscheinlichen Zusammenschluss von Abgeordneten der Nouveau Front Populaire und der Partei Renaissance von Noch-Präsident Emmanuel Macron habe dieser in einer ersten Runde sein Pokerspiel gerettet. „Deutschland kann also aufatmen – Frankreich wird in der EU ein stabiler und verlässlicher Partner bleiben“, sagt Marc Ringel, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts. 

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Sollte es aber wider Erwarten doch zu einer Regierungsbildung unter dem Linken-Anführer Jean-Luc Mélenchon kommen, bewerten Ökonomen das negativ für die EU. „Das wäre ein Schreckgespenst. Mélenchon würde das Regelwerk der Union wie etwa den Stabilitäts- und Wachstumspakt wohl konsequent ignorieren“, warnt Thomas Gitzel von der VP Bank. „Frankreich als zweitgrößte Volkswirtschaft der EU würde zu einem destabilisierenden Faktor werden.“ Der französische Haushalt sei mit einem Defizit von über fünf Prozent schon jetzt nicht EU-konform. Eine noch größere Ausdehnung dürfte die Risikoaufschläge zwischen deutschen und französischen Staatsanleihen noch vergrößern. Auch der Euro dürfte langfristig gegenüber dem Dollar verlieren. Wobei das der Worst-Case ist. Insgesamt, so sagt Gitzel, stecke „Frankreich in einer politisch verfahrenen Situation“.

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