Trikotsponsor: Wie Barmenia von Bayer Leverkusens Spitzensaison ...

22 Mai 2024

Schale in der Hand, Barmenia auf der Brust: Bayer-Kapitän Lukas Hradecky feiert mit seinen Teamkollegen

Europa League - Figure 1
Foto manager-magazin.de
Foto: Thilo Schmuelgen / REUTERS

Am Samstag um 17:37 Uhr war es so weit: Bayer-Kapitän Lukas Hradecky (34) stemmte unter schwarz-rotem Konfetti die Meisterschale in die Höhe – zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte. Und heute Abend geht es weiter, in der irischen Hauptstadt Dublin trifft Bayer Leverkusen auf Atalanta Bergamo: ein Europapokalfinale, das erste für Bayer seit 2002, die große internationale Bühne des Fußballs. Weltweit Millionen Menschen vor den TV-Geräten.

In erster Linie ist das natürlich ein Triumph der Mannschaft um Superstar Florian Wirtz (21), des Trainers Xabi Alonso (42), des CEO und Strippenziehers Fernando Carro  (59) – und des Bayer-Konzerns. Aber eben auch ein Triumph von: Barmenia, dem Trikotsponsor, im Vergleich zu den nationalen und internationalen Schwergewichten der Versicherungsbranche ein kleiner Fisch – und doch jetzt mittendrin. Ein Coup aus Wuppertal.

Heiko Scholz, Marketing-Leiter des Versicherers, ist schon in Dublin, als ihn das manager magazin einen Abend vor dem Europa-League-Finale erreicht. „Mit so einer überragenden Saison konnte natürlich niemand rechnen", sagt Scholz. Schon jetzt hat die Werkself Historisches geschafft. Eine Bundesliga-Saison ohne Niederlage. Gewinnt Bayer auch noch das heutige Endspiel gegen den aktuell Tabellenfünften der italienischen Serie A und am Samstag das DFB-Pokalfinale gegen Zweitligist Kaiserslautern im Berliner Olympiastadion, dann hat der Klub alle 53 Pflichtspiele dieser Saison ohne Niederlage absolviert.

Als Barmenia 2016 als Trikotsponsor bei Bayer Leverkusen einstieg, qualifizierte sich die Werkself zwar Jahr für Jahr für den Europapokal, eine Saison der sportlichen Superlative war allerdings nicht absehbar, im Gegenteil. In der Premierensaison mit dem Barmenia-Schriftzug auf der Brust landete die Werkself auf Rang 12 im Niemandsland der Bundesliga-Tabelle. „Da wurde intern vereinzelt natürlich auch mal etwas kritischer auf das Sponsoring geschaut, aber so eine Saison gehört auch zum Fußball dazu“, blickt Scholz zurück.

Umsatzwachstum mithilfe von Sportsponsoring

Ein Jahr zuvor, 2015, hatte Barmenia eine neue Strategie beschlossen, mit der primär den steigenden Kosten entgegengewirkt werden sollte. Eine Option wäre also gewesen, die Ausgaben zu senken. Die Barmenia aber wollte wachsen und so stattdessen lieber ihre Beitragseinnahmen erhöhen. Erster Schritt auf diesem Weg: die Steigerung der Bekanntheit. Und das mithilfe von Sportsponsoring. Verantwortlich dafür war Scholz.

Warum Bayer?

Schnell war klar, dass ein Bundesligist gesponsert werden soll. „Es gibt in Deutschland 30 Millionen Fußballinteressierte, die Bundesliga bietet fast das ganze Jahr über Berichterstattung und Sichtbarkeit“, erklärt Scholz.

Knapp 25 Kilometer Luftlinie trennt die Zentrale des Wuppertaler Versicherer Barmenia und die BayArena, Spielstätte des neuen deutschen Fußballmeisters. Sowohl Bayer als auch Barmenia wurden 1904 gegründet. „Das allein war natürlich nicht ausschlaggebend“, sagt Scholz.

Scholz suchte einen Verein, der regelmäßig oben mitspielt und sich für den Europapokal qualifiziert – das passe zur Wachstumsstrategie des Unternehmens. „Sechs bis sieben Vereine kamen theoretisch infrage, bei Bayern München und Borussia Dortmund waren aber mit der Allianz beziehungsweise der Signal Iduna schon Unternehmen aus der Versicherungsbranche Sponsoren", sagt Scholz. „Bei Bayer hat der Zeitpunkt gepasst und auch die Marken passen zusammen.“

Dazu kommt: Für eine Mannschaft, die in den letzten Jahren immer das europäische Geschäft erreicht hat, ist die Brust bei Bayer relativ günstig zu haben. Rund acht Millionen Euro pro Jahr soll Barmenia zahlen, das berichtet der Kicker. Insider schätzen, dass die Summe durchaus höher liegen könnte. Zu Zahlen will sich Scholz nicht äußern, er bestätigt allerdings, dass für die Meisterschaft eine Prämie fällig wird, genauso bei einem möglichen Gewinn der Europa League und des DFB-Pokals.

Vereine wie Borussia Mönchengladbach, der 1. FC Köln oder Werder Bremen haben Deals in ähnlicher Höhe abgeschlossen, obwohl sie sportlich in den vergangenen Jahren deutlich schwächer abgeschnitten haben.

Peter Rohlmann (74), Inhaber einer Sportmarketingagentur in Rheine, beobachtet und analysiert seit Jahren die Ausrüstergeschäfte und Sponsoringdeals in der Bundesliga. „Nicht nur der sportliche Erfolg entscheidet über den Wert eines Trikotsponsorings“, erklärt er. „Die Anzahl der Fans, Social-Media-Follower und das nationale sowie internationale Interesse am Verein spielen zum Beispiel ebenfalls eine Rolle.“

Bis zu dieser sportlichen Ausnahmesaison unter Trainer Xabi Alonso war das Interesse an Bayer Leverkusen trotz stabil guter sportlicher Leistungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten überschaubar. Im Vergleich zu den sogenannten Traditionsvereinen hat der Werksclub deutlich weniger Fans, auch die TV-Quoten mit Leverkusener Beteiligung in den vergangenen Jahren waren eher Mittelmaß statt Champions League.

„Mit einer so sportlich erfolgreichen Mannschaft hat die Barmenia dieses Jahr den Jackpot gewonnen", sagt Rohlmann. Ein weiterer kluger Schachzug: die vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2028. Rohlmann prognostiziert, dass die Barmenia auch noch in den nächsten Jahren von diesem Erfolgsjahr profitieren wird. „Die positive Energie und die Emotionen, für die Bayer sorgt, werden natürlich auch auf den Sponsor transferiert, in diesem Fall ein Versicherungsunternehmen mit eher emotionslosen Produkten.“

Markenbekanntheit steigt

„Bekanntheit, Positionierung und Relevanz der Marke steigen aktuell stark an, seit Januar erreichen wir Rekordwerte“, berichtet Marketingchef Scholz. „Für uns ist Markenbekanntheit extrem wichtig, die schafft Vertrauen und das brauchen wir, wenn Kunden uns ihre Rente anvertrauen.“

Mit einem Umsatz von etwas mehr als drei Milliarden Euro ist die Barmenia die Nummer 21 der Branche in Deutschland, Marktanteil 1,2 Prozent. Nicht überraschend, dass die Wuppertaler nicht unter den Top 10 der markenstärksten deutschen Versicherungskonzernen auftauchen – mit dem Bayer-Sponsoring geht es allerdings aufwärts.

Und aus Bayer-Perspektive? Das Triple ist möglich, mit Xabi Alonso hat man einen absoluten Weltstar an der Außenlinie, Florian Wirtz ist einer der wertvollsten deutschen Spieler und im zentralen Mittelfeld spielt mit Exequiel Palacios (25) ein aktueller Weltmeister. Ist da ein unscheinbarer Versicherer aus dem Bergischen Land der richtige Partner? Ein Bayer-Kenner berichtet, dass die Barmenia intern auch umstritten war, weil man Angst hatte, zu provinziell daherzukommen.

Leverkusen-Boss Carro teilt dem manager magazin auf Anfrage mit: „Als Klub ist es unser Ziel ein unterschiedliches, markenstarkes und sowohl national als auch international relevantes Portfolio an Partnern zu haben. Wir sehen uns hier auf einem guten Weg.“

Unglückliche Sponsorenauswahl

In der Vergangenheit hatte Bayer nicht immer ein glückliches Händchen mit seinen Sponsoren. Unrühmlicher Höhepunkt war Hauptsponsor Teldafax, der Billigstromanbieter prangte von August 2007 bis Juni 2011 auf der Brust der Werkself. Ein mehrjähriger Rechtsstreit mit dem Insolvenzverwalter der Teldafax-Gesellschaften endete mit einem Vergleich, Bayer zahlte 13 Millionen Euro zurück.

Während beim VfL Wolfsburg Mutterkonzern Volkswagen das Trikot sponsert, war die Bayer AG oder ein Bayer-Medikament zuletzt in der Saison 1999/2000 auf dem Trikot zu sehen. Eine bewusste Entscheidung des Klubs, denn man hatte Angst, auf ewig auf die Bayer AG als Trikotsponsor angewiesen zu sein und irgendwann keine marktgerechten Preise mehr zu erzielen, berichtet ein Bayer-Kenner. Als dann im Jahr 2000 RWE Trikotsponsor wurde, gab es im Mutterkonzern etliche Diskussionen und Kritik.

Die jährlichen Zuwendungen durch Bayer betragen rund 25 Millionen Euro, und auch ohne Trikotsponsoring ist die Bindung zwischen Konzern und Fußballverein äußerst eng. Der Konzernname ist Teil des Vereinsnamens sowie des Stadionnamens und das diesjährige Heimtrikot wird von einem großen roten (Bayer-)Kreuz geziert.

Zusätzlicher Trikotsponsor?

Eine weitere Möglichkeit für Bayer, zusätzliche Sponsoreneinnahmen zu generieren, wäre ein weiterer Trikotsponsor für die Pokalwettbewerbe. Borussia Dortmund macht es vor. In der Bundesliga läuft der BVB mit 1&1 auf der Brust auf, im DFB-Pokal und in der Champions League mit einem Evonik-Schriftzug. Auch Leverkusens Finalgegener Bergamo hat für das Finale mit dem weltweit bekannten Streamingdienst Paramount+ einen neuen Trikotsponsor präsentiert.

Eine Option für die Barmenia, die als Privatkunden-Versicherer nur im deutschen Markt aktiv ist? Darauf angesprochen bestätigt Scholz, dass es diesbezüglich bei der Vertragsverlängerung durchaus Überlegungen gab. „Wir haben uns dagegen entschieden, da wir die Gefahr sehen, dass die Marken verwässern.“

Und auch Carro schreibt: „Wir haben in Barmenia einen hervorragenden Partner, der während der langfristigen Vertragsverlängerung im letzten Sommer immer daran interessiert war, den Klub ganzheitlich und über alle Wettbewerbe zu unterstützen.“ Diese Klarheit als Marke und in der Außendarstellung helfe beiden Seiten und erlaube vielfältige Aktivierungsmöglichkeiten.

So geht es für Bayer und Barmenia nächste Saison gemeinsam auf die größtmögliche Bühne des Vereinsfußballs, die Champions League. Vielleicht sogar als ungeschlagener Triple-Gewinner.

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