„Der beste 10er aller Zeiten!“ Mit diesem vielversprechenden Slogan ging der Sport-Streaminganbieter Dazn vor ziemlich genau acht Jahren an den Start. Das britische Unternehmen wollte Fußballfans mit 9,99 Euro pro Monat eine günstige Alternative zu teuren Privatsendern wie Sky bieten. Auch ich war direkt hin und weg. Die Geschichte wirkte so realistisch, wie dass der Hamburger SV und Schalke 04 das Champions-League-Finale 2026 spielen.
Acht Jahre später ist die Euphorie ungefähr so stark verpufft wie die deutschen EM-Träume in diesem Sommer in der 119. Minute des Viertelfinales gegen Spanien. Satte 45 (!) Euro kostet der Spaß jetzt pro Monat. Im Jahresabo kostet es immerhin „nur“ 35 Euro, dafür ist man dann aber auch ein Jahr lang gebunden. Neukunden können außerdem nur noch auf einem Gerät gleichzeitig streamen. Allein dieser Fakt lässt mich mehr vor Wut kochen als Ex-Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni in seiner legendären Rede im Jahr 1998. Am vergangenen Wochenende hat Dazn das Fass bei mir aber endgültig zum Überlaufen gebracht.
Denn mittlerweile läuft sogar mitten in der Übertragung Werbung. Bei Übergängen zu Wiederholungen und Zeitlupen wird bei Dazn jetzt Werbung für Bitpanda eingeblendet. Viel zynischer kann man sich gegenüber der wachsenden Kritik am absurden Kommerz im Fußball nicht präsentieren. Dazn wollte als Gegenstück zu Sky trumpfen, mit weniger Werbung, weniger Show und niedrigeren Preisen. Das genaue Gegenteil ist mittlerweile der Fall. Dazn ist sogar deutlich schlimmer als die Konkurrenz. Höchste Zeit also, mein Abo zu kündigen. Eine Abrechnung.
Dazn: Falsches Versprechen gegen das Monopol von SkySpitzenfußball aus diversen europäischen Profiligen, Fokus auf das Sportliche, weniger unnötig aufgebauschte und lange Vor- und Nachberichterstattung rund um die Spiele. Es klang fast zu schön, um wahr zu sein. Ich bin eingefleischter Fußballfan, seit ich denken kann. König Fußball ist meine große Leidenschaft. Sky war eigentlich immer schon unbezahlbar für mich, da habe ich dann entsprechend über das Konto meines Vaters oder in der Kneipe geschaut.
Sky hatte damals alle Spiele für sich allein im Angebot. Wer zusätzlich auch Spiele der Champions League oder des DFB-Pokals sehen wollte, zahlte für das Abo je nach Umfang des Pakets entsprechend zwischen 30 und 50 Euro. Das Bundeskartellamt schritt ein, weil es die Gefahr einer Monopolstellung erkannte. Durch die Zerstückelung auf mehrere Anbieter erhofften sich die Entscheider, dass am Ende die Endkunden durch fallende Preise profitieren.
Also kam Dazn auf den Markt, und die Hoffnung der Fans auf weniger stark belastete Konten beim Fußballschauen wuchs rasant. Für 10 Euro im Monat fast täglich Fußball streamen: „Wow, wie geil ist das denn bitte?!“ Der niedrige Preis blieb jedoch ein Traum. Weil Dazn – anders als erhofft – nicht schnell genug viele Kunden für sich gewinnen konnte, ging das Unternehmen mit den Jahren Stück für Stück mit den Preisen nach oben. Erst auf 14,99 Euro, dann sprunghaft auf 29,99 Euro, also das Doppelte (!).
Ebenfalls verdoppelt hat sich in dieser Zeit der Umsatz des Unternehmens: von 1,44 Milliarden im Jahr 2021 auf 2,94 Milliarden Euro 2023. Die Verluste sind allerdings trotzdem weiterhin hoch, auch wegen der extrem teuren Rechte für immer mehr Wettbewerbe, die sich der Sender auf dem Rücken seiner teuer bezahlenden Kunden erkauft. Denn Eigentümer und Milliardär Len Blavatnik, amerikanisch-britischer Oligarch, schiebt ohne großes Zögern regelmäßig weitere Hunderte Millionen zu, um die Bilanz aufzuhübschen. Mittlerweile ist man bei 44,99 Euro pro Monat angelangt, um Dazn in vollem Umfang zu „verdauen“ (denn von „genießen“ kann hier keine Rede sein).
Eins steht fest: Ich bin mit meinem Zorn nicht allein. In den sozialen Medien von Dazn hagelt es seit Monaten heftige Kritik von den Fans. Wer einen Blick in die Kommentarspalten von Dazn bei Instagram, Facebook und Co. wirft, erkennt schnell, wie entrüstet die Kunden von der Preisgestaltung und der Außendarstellung des britischen Streaminganbieters sind, dessen deutscher Sitz im bayerischen Ismaning in der Nähe von München liegt. Selbst unter einem Post zu Programmhinweisen sind die Top-Kommentare: „Verpisst euch aus der Bundesliga“, „Geht doch bitte einfach pleite“ oder „Ihr macht mit euren Preisen unseren Sport kaputt.“ Auf dem Vergleichsportal Trustpilot hat Dazn eine Bewertung von 1,1 von 5 Sternen. Das sagt alles!
Und was kommt von Dazn als Reaktion auf die massive und zahllose Kritik der Kunden? Richtig. So viel wie das, was Juan Bernat aus Sicht von Uli Hoeneß für den FC Bayern gespielt hat: ein Scheißdreck. Dazn ignoriert den Ärger seiner Nutzer einfach weg. Und nicht nur die Preise sind mittlerweile meilenweit von dem entfernt, was der Sender einst versprach. Vor und nach den Spielen wird mittlerweile genauso gelabert, analysiert und mit teuer eingekauften Promi-Fußballexperten à la Michael Ballack philosophiert wie bei Sky. Aus guter, professioneller und sachlicher Berichterstattung ist auch bei Dazn eine reine Show geworden.
Miserable Qualität bei Streams: Dazn gibt Nutzern groteske TippsNoch dazu ist die Qualität der Streams häufig ungefähr so, als würde man in Ostsibirien versuchen, eine Live-Übertragung der Nasa aus dem All über einen alten Röhrenfernseher zu schauen. Auch dort kommt vom Kundensupport – wenn überhaupt mal eine Reaktion kommt – in der Regel nicht mehr als ein förmlicher Verweis auf technische Probleme und der Tipp, das Gerät neu zu starten. Wow, toll, danke für den Tipp! Bei Technik-Fragen einfach Dazn fragen. „Aus- und wieder anmachen“, genial!
Ich kann bei mir und Dazn mittlerweile von einer gescheiterten Ehe sprechen. Am Anfang schaute ich verliebt auf den neuen Sender – wir waren wie ein junges, naives Pärchen, welches glaubt, schon im Teenager-Alter die Liebe des Lebens gefunden zu haben. Mittlerweile ist grauer Alltag eingekehrt, Frust hat sich angestaut, die Wortwahl wird rauer und lauter. Statt Liebe bleibt nur noch Zorn. Mir bleibt also nichts anderes übrig als die Scheidung. Und das Gefühl, die letzten acht Jahre meines Lebens mit dem falschen Partner verschwendet zu haben. Danke für nichts, Dazn!
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