KTM ist pleite: Wie es mit dem Motorradhersteller weitergeht

14 Tage vor

Wien. Europas größter Motorradhersteller KTM ist insolvent. Betroffen sind mehr als 3000 Mitarbeiter. Der Fall hat auch eine politische Dimension.

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Foto Berliner Morgenpost

Dass KTM aktuell keine großen wirtschaftlichen Sprünge macht, das war seit längerem bekannt. Dass es derart schlecht um dieses Flaggschiff der österreichischen Marken-Produktion steht, kam dann aber doch überraschend. Kurz: KTM ist pleite. Am Freitag dieser Woche will der Motorrad-Hersteller ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beantragen. Das gab der Konzern nun bekannt. Das Verfahren soll dem Management etwas Zeit verschaffen, das Unternehmen neu aufzustellen.

Allerdings brennt es bereits lichterloh: Laut Arbeiterkammer – einer Interessenvertretung der Angestellten – ist bereits fraglich, ob überhaupt die Löhne für den November sowie die Weihnachtsgelder ausbezahlt werden können. Bisher war vor allem von Arbeitszeitverkürzungen über den Winter die Rede gewesen. Am Montag werden nun Betriebsversammlungen beginnen. Und ausgegangen werden kann davon, dass die Pleite dieses Traditionsbetriebs auch politische Unwegsamkeiten nach sich ziehen wird.

KTM: 3.400 Beschäftigte arbeiten in der Motorrad-Sparte

Denn KTM ist ebenso Kernstück wie Flaggschiff wenn es um „Made in Austria“ geht. Seit 1953 werden unter dem Namen KTM in Mattighofen in Oberösterreich Motorräder produziert. In seiner aktuellen Form existiert der Betrieb seit 1992. Ein Jahr zuvor war der ursprüngliche Betrieb in die Insolvenz gegangen und in vier unabhängig voneinander agierende Unternehmen aufgeteilt worden: die Motorrad-Sparte, die Fahrrad-Sparte, die Kühler-Sparte, die Komponenten produziert, sowie den Werkzeug-Bau.

Von den jetzigen finanziellen Nöten betroffen ist die Motorrad-Sparte: Die Pierer Mobility AG – benannt nach Eigentümer Stefan Pierer –, zu der auch die Töchter KTM-Components und KTM-Forschung sowie die Entwicklung gehören. Sie alle sind jetzt direkt betroffen. In Summe arbeiten dort 3.400 Menschen. Das Werk ist wirtschaftliches Zentrum der gesamten Region. Der Produktionsort Mattighofen selbst hat 1400 Einwohner.

Ein Ausstellungsraum der KTM Motohall im österreichischen Mattighofen. 3400 Beschäftigte zählt die Motorradsparte. © picture alliance / Hufton + Crow/VIEW | Hufton+Crow

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Foto Berliner Morgenpost
KTM-Chef Stefan Pierer ist der achtreichste Österreicher – und bestens vernetzt in der Politik

Hinzu kommt allerdings eine politische Tangente. Und die hat mit dem Vorstandsvorsitzenden Stefan Pierer selbst zu tun. Auf der Liste der reichsten Österreicher wird Pierer laut Forbes auf Platz acht gelistet. Auf 1,2 Milliarden Dollar wird das Vermögen des Unternehmers geschätzt. Vor allem aber wird Pierer auch als einer der einflussreichsten Österreicher gehandelt. Und hier liegt der Stoff für Zoff.

Pierer gilt als politisch bestens vernetzt. Er ist Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich. Er war einer der Großspender für den damaligen neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz (430.000 Euro) bei dessen erster Wahl 2017 Nationalratswahl. Unklar war, ob die Spende gemeldet wurde. Schließlich gab es politisch Tumult um eine Lebensversicherung in Liechtenstein, die über eine AG in der Schweiz sowie eine Firma auf den Virgin Islands befüttert und zwei Wochen vor Inkrafttreten eines Steuerabkommens entleert wurde. Was allerdings eine Steuernachzahlung zur Folge hatte, da das Abkommen auch rückwirkend in Kraft getreten war.

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Konkurrenz aus China ist vor allem im Mittelklasse-Motorradmarkt groß

Aufgebracht hatte den Fall 2017 die SPÖ. Im ÖVP-geführten Finanzministerium wurde in Folge anscheinend intensiv recherchiert, wer der SPÖ das gesteckt haben könnte. Und Nachrichten des damaligen Finanzministers legen zumindest eine gewisse freundschaftliche Nähe zu dem Unternehmer nahe. Politische Gegner interpretierten diese Nachrichten im Lichte der Partei-Spende an Kurz allerdings auch als politische Deckung. Bei den Corona-Hilfen schnitt Pierer schließlich ordentlich mit (11 Millionen Euro) – um sich selbst zugleich eine saftige Dividende auszuschütten (sieben Millionen Euro).

Aber da lief es auch noch rund für KTM. Der Konzern fuhr Umsatzrekorde ein und expandierte. 2019 hatte KTM 60 Prozent des spanischen Herstellers GasGas übernommen. Dann stieg KTM mit 25 Prozent beim italienischen Hersteller Agusta ein – und erhöhte diesen Anteil erst im März 2024 auf 50 Prozent. Jetzt spricht Stefan Pierer aber eher von einer „Redimensionierung“ der KTM AG, die nötig sei. Denn vor allem im Mittelklasse-Motorradmarkt ist die Konkurrenz aus China groß.

Hohe Produktionskosten, hohe Zuliefererkosten, hohe Lohnnebenkosten

Das Szenario einer Insolvenz sei „durchaus bei uns in den Köpfen gewesen“, so Daniel Nobis der Gläubigervertretung „Alpenländischen Kreditorenverband (AKV)“. Denn: Es habe ja bereits die Medienberichte über eine notwendige Überbrückungsfinanzierung im dreistelligen Millionenbereich gegeben. Überraschend sei allerdings, „dass es doch so in zeitlicher Nähe zum Restrukturierungsverfahren der Pierer Industrie AG kommt.“

Und auch hier lauert mitten in der Regierungsbildung auf Bundesebene – ÖVP, SPÖ und NEOS verhandeln über eine Koalition – politischer Konfliktstoff: Denn KTM kämpft durchaus mit strukturellen Österreich-spezifischen Standortproblemen wie hohen Produktionskosten, hohen Zulieferkosten oder hohen Lohnnebenkosten. Hinzu kommt: Die Wirtschaftsprognosen sind derzeit düster. Und der Spielraum ist ausgabenseitig minimal: Österreich kämpft mit einem riesigen Budgetloch.

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