Köln nur 4:4 gegen Karlsruhe FC gibt in einem wilden Spektakel den Sieg aus der Hand

Köln · Nach einem Blitzstart hat der 1. FC Köln in einem Acht-Tore-Spektakel den nächsten Sieg verschenkt. Trotz dreier Tore in den ersten 15 Minuten kam der Bundesliga-Absteiger gegen den Karlsruher SC nur zu einem 4:4.

FC-Spieler Julian Pauli (rechts, mit FC-Spieler Leart Paçarada) und Karlsruhes Fabian Schleusener (Mitte) kämpfen um den Ball.

Foto: dpa/Marius Becker

Das Spektakel in Müngersdorf trug ein Gesicht: Leart Pacarada setzte allerdings ein wenig Begeistertes auf, als er ein Spiel zu erklären hatte, das eigentlich kaum eine schlüssige Erklärung zuließ. Seine Mannschaft hatte eine Partie leichtfertig zu Ende gebracht, zu dessen Beginn schwerlich an einem Sieg des 1. FC Köln zu zweifeln war. Er sehe aus wie jemand, sagte Linksverteidiger Pacarada, „der eine 3:0-Führung zu einem 4:4 hat kommen lassen“.

Es wirkte wahrlich ein wenig irrational, was sich da abspielte auf dem Rasen in Müngersdorf. Nicht, weil das Spiel mit zehnminütiger Verspätung angepfiffen wurde. Auf der Aachener Straße stadtauswärts, in Höhe des Alten Militärrings, hatte der Mannschaftsbus des Karlsruher SC die richtige Ausfahrt verpasst. Eine Verspätung war programmiert, und so musste die Mannschaft von Trainer Christian Eichner, dem früheren FC-Profi, die letzten Meter zum Stadion zu Fuß hinter sich bringen. Doch auch die anschließende Partie hatte Kurioses zu bieten. Der FC verkehrte dabei die Auftritte der vergangenen Wochen ins Gegenteil in diesem wilden Spektakel.

Stand er gegen Magdeburg (1:2) und Düsseldorf (2:2) in dem dringenden Verdacht, die Effektivität vor des Gegners Tor in der Kabine vergessen zu haben und in der Defensive einigermaßen wehrhaft gewesen zu sein, offenbarte die Mannschaft von Trainer Gerhard Struber diesmal ein gänzlich anderes Gesicht. Beim gerechten Remis gegen widerstandsfähige Gäste griff das alte Fußball-Urteil: vorne hui, hinten pfui! Tatsächlich hatte der FC mit 3:0 geführt, da war erst eine Viertelstunde absolviert. Und auch oder gerade nach dem Treffer zum 4:2 mit dem Pausenpfiff, lag der erste Sieg nach zuvor lediglich einem Punkt aus zwei Spielen auf dem berühmten Silbertablett. Doch daraus wurde nichts, weil in der Abwehrarbeit eine in dieser Saison selten aufgetretene Unordnung, ja Überforderung, zu sehen war.

Schwächen in der Defensive

Natürlich, es seien „verlorene Punkte“, wie es Pacarada empfand. Jener Protagonist des Spiels, der zwar mit vier Torvorlagen in der ersten Hälfte einen Zweitligarekord aufstellte, doch auch in der Rückwärtsbewegung große Schwächen offenbarte. Das zweite Gesicht. „Auch nach der 3:0-Führung hatte ich nicht das Gefühl, dass wir defensiv gut stehen und wir das Spiel extrem unter Kontrolle hätten“, sagte der Kosovare, „Wir haben zwar die Tore erzielt, aber trotzdem waren wir immer wieder einen Schritt in den Zweikämpfen zu spät, haben dem Gegner, anders als zuletzt, viele Möglichkeiten geboten.“ Dabei hatte Struber eine eingespielte Formation ins Rennen geschickt. Er bot dieselbe Startelf auf wie beim unglückseligen 2:2 in Düsseldorf, also erneut mit Luca Waldschmidt im Angriff. Dejan Ljubicic, dem die Mandeln entfernt wurden, fehlte wieder. Die Kölner mussten nicht lange warten auf ihren Schnellzug an der Station Müngersdorf/Stadion. Keine drei Minuten waren absolviert, da Pacaradas Pass Luca Waldschmidt am linken Strafraumeck erreichte. Der Ex-Nationalspieler setzte sich mit etwas Glück durch und hämmerte den Ball aus spitzem Winkel unter die Latte (3.) – als ob er die zuletzt mangelnde Abschlussqualität zu seinem Glück zwingen wollte. KSC-Torhüter Max Weiß blieb ohne Abwehrchance. Das „Trömmelchen“, die FC-Torhymne der „Räuber“, war kaum verklungen, als erneut Pacarada sein spielerisches Potenzial zeigte. Sein wunderbarer langer Pass aus der eigenen Hälfte landete mit chirurgischer Präzision bei Damion Downs, der den Ball elegant und in vollem Lauf mitnahm und durch die „Hosenträger“ von Weiß im Tor unterbrachte (7.). Der berühmte Knoten schien geplatzt. Die Effektivität hielt Einzug in Köln: zwei Torschüsse, zwei Tore.

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Der 1. FC Köln empfängt den Karlsruher SC

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Doch die Karlsruher schüttelten sich nur kurz. Eine Volleyabnahme von Kapitän Marvin Wanitzek entschärfte FC-Torwart Jonas Urbig mit einem glänzenden Reflex (11.). Dann aber zeigte wieder Köln Offensivstärke. Erneut war es Pacarada, der Downs am linken Strafraumeck auflegte, und der Stürmer überwand Weiß mit einem wohltemperierten Schlenzer (15.). Wer nun jedoch dachte, der Sieg sei nur eine Frage der Höhe, der sah sich getäuscht. Denn die Karlsruher liefen an – wie es so schön heißt – mit dem Mute der Verzweiflung. Der so offensivstarke Pacarada, sein Pendant auf der rechten Seite, Jan Thielmann, erlebte einen rabenschwarzen Herbstnachmittag, konnte eine Flanke Sebastian Jungs nicht verhindern – und Wanitzek überwand FC-Torhüter Jonas Urbig (19.). Nun war es ein wildes Spiel. Der Schnellzug am Rhein fand keine Bremse. Und der KSC über rechts wieder Zugang in den Kölner Strafraum. Eine Flanke, diesmal von Dzenis Burnic, rutschte durch die FC-Abwehr und erreichte erneut Wanitzek, der den Ball butterweich ins Tor schlenzte (27.) – der komfortable Kölner Vorsprung war dahin.

Trotz Führung keine Kontrolle

Ruhe zum Durchschnaufen blieb kaum. Erneut flog eine Flanke der Gäste über Pacaradas Seite in die gefährliche Zone, doch der Kopfball von Fabian Schleusener klatschte an die Latte (41.). Als sich alle im brodelnden Stadion schon auf den Pausenpfiff eingerichtet hatten, schlug dann doch noch mal das „Trömmelchen“, die FC-Torhymne, auf die KSC-Coach Eichner doch so gerne verzichtet hätte. Pacarada – wer sonst? – bediente mit einer scharfen Hereingabe Tim Lemperle, der den Ball über die Linie drückte – 4:2 (45.+2). Trotz aller Offensivfreude: Auch deutliche Mängel der Kölner im Defensivverhalten wurden zur Pause offensichtlich.

Das änderte sich auch nach dem Wechsel nicht. Nach einer Karlsruher Ecke durfte sich Leon Jensen am ersten Pfosten über reichlich Freiraum freuen und köpfte den Ball zum Anschluss ins Tor (51.). Die Struber-Elf wirke auch weiterhin in der Defensive konfus, nicht entschlossen genug. Einen Schuss Wanitzeks aus der Distanz musste Urbig passieren lassen, dem die Sicht versperrt war (55.) – der Ausgleich durch den dritten Treffer des KSC-Kapitäns. Und der Schlusspunkt dieser irrwitzigen Aufführung. „Trotz der 3:0- und 4:2-Führung hatten wir nie die Kontrolle und die Dominanz, die uns bislang ausgezeichnet hat“, befand auch Struber und sprach von einem „bitteren Beigeschmack, es nicht gut gelöst zu haben. Die Basics haben nicht gestimmt, wir haben uns zu passiv verhalten“. Widerrede wäre da kaum angebracht.