TV-Sender: Warum Thomas Rabe bei RTL Deutschland Chef bleibt

8 Aug 2023
RTL

Wann immer Thomas Rabe (58) in den vergangenen Monaten auf seine merkwürdige Ämterhäufung angesprochen wurde, gab er eine klare Antwort: Kurzfristig habe sich niemand anderes finden lassen, um RTL Deutschland durch schwierige Monate zu führen. "Ganz sicher nicht länger als ein Jahr" wolle er die größte private deutsche Sendergruppe führen, prognostizierte er im August 2022; Anfang dieses Jahres verlängerte er die selbst gesetzte Frist bis Ende 2023.

Nun hat Rabe den Anspruch aufgegeben, sich in absehbarer Zeit wieder vom Nebenjob bei der Tochter-Tochtergesellschaft nur auf seinen Job als Chef von Bertelsmann und der größten Tochtergesellschaft RTL Group in Luxemburg zurückzuziehen. "Es gibt keine Suche nach einem neuen Geschäftsführer für RTL Deutschland", sagte er am Dienstag. "In Anbetracht der Herausforderungen, vor denen wir stehen, halten wir es nicht für sinnvoll, die personelle Aufstellung schon wieder zu verändern."

Rabe bleibt damit auf unbestimmte Zeit Herr über die deutsche Geschäftsführung mit Co-Chef Matthias Dang (56), Finanzchefin Ingrid Heisserer (50), Andreas Fischer als Chef für das operative Geschäft und dem Programmverantwortlichen Stephan Schmitter (48) - und stiftet damit neuen Unfrieden in der Gruppe.

Die Macht der schlechten Zahlen

Schon seit Langem gibt es im Konzern Kopfschütteln über die Ämterhäufung, mehr oder weniger offen wird Rabe eine personelle und intellektuelle Auszehrung vorgeworfen . Führungskräfte verließen reihenweise das Haus, teilweise freiwillig, teilweise nicht. Zugleich ist Rabes finanzielle Bilanz nach gut elf Jahren als Konzernchef ausgezeichnet.

Ausgerechnet bei RTL Deutschland schreibt er nun aber nach zwölf Monaten im Amt auch finanziell eine Negativgeschichte. Zeitgleich mit der Personalie senkte die RTL Group die ohnehin niedrigen Jahresprognosen – vor allem mit Hinweis auf die Situation in Deutschland. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen soll nur noch 950 Millionen Euro betragen, das sind rund 50 Millionen Euro weniger als erwartet. Grund ist der Rückgang der Umsatzprognose von 7,3 bis 7,4 Milliarden auf nur noch sieben Milliarden Euro.

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres lag das bereinigte Ergebnis mit 250 Millionen Euro um die Hälfte unter dem Wert des ersten Halbjahres 2022. Vor allem im deutschen TV-Markt seien geringere Ergebnisbeiträge erzielt worden. Für das zweite Halbjahr erwartet RTL stabile bis leicht wachsende TV-Werbeumsätze, im laufenden dritten Quartal aber noch rückläufige Zahlen. In den ersten sechs Monaten waren diese Erlöse um 12,5 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro gefallen, besonders in Deutschland lief das Werbegeschäft schlecht.

Ein Chairman, den es nicht gibt

Für die Entwicklung ist Rabe nicht direkt verantwortlich. RTL Deutschland schlug sich in einer Werbeflaute beachtlich und steigerte den Marktanteil, der mittlerweile nach RTL-Angaben 5,8 Prozentpunkte höher ist als beim strauchelnden Konkurrenten ProSiebenSat.1. Auch der von viel Unruhe begleitete Verkauf von Gruner+Jahr-Zeitschriften soll demnächst erledigt sein. Zuletzt wurden die Beteiligung am Landlust-Verlag Deutsche Medien-Manufaktur und die Titel P.M., Business Punk und Salon einzeln verkauft. Für 11 Freunde und Art soll ein Abschluss bevorstehen. Am Ende soll ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag erlöst werden. Zum Weihnachtsgeschäft wird außerdem das ins inhaltlich ins Stocken geratene, aber wachstumsstarke RTL+-Multimedia-Angebot verbessert; ein wesentliches Zukunftsprojekt.

Dass sich Konzernchef Rabe ausgerechnet bei der kleinsten von ihm geführten Tochtergesellschaft mit verfehlten Prognosen und einem um 12 Prozent niedrigeren Gewinn verabschiedet, wäre intern aber wohl noch schwieriger zu vermitteln gewesen als die Ämterhäufung.

Die versucht er nun durch einen kommunikative Volte zu entschärfen. Er werde sich zunehmend in die Rolle eines Chairman begeben, sagte Rabe – eine Funktion, die es bei RTL Deutschland allerdings formal gar nicht gibt. Und auch einen formalen Ausstieg aus der Geschäftsführung wollte er nicht ausschließen. "Bis auf Weiteres ohne Frist heißt nicht, dass es 2025 immer noch so sein muss."

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