Edin Dzeko von Inter Mailand: Der Schwan aus Sarajevo

12 Mai 2023
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Erstellt: 11.05.2023, 14:56 Uhr

Von: Thomas Kilchenstein

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Kann es noch: Edin Dzeko (rechts), 37 Jahre alt mittlerweile, trifft sehenswert für Inter.

Kann es noch: Edin Dzeko (rechts), 37 Jahre alt mittlerweile, trifft sehenswert für Inter. © afp

Dank Edin Dzeko steht Inter Mailand mit einem Bein im Champions-League-Endspiel.

Wahrscheinlich, schrieb ein Spaßvogel kurz nach dem unerwartet klaren 2:0-Sieg von Inter im Mailänder Stadtderby gegen AC, profitiere der Stürmer Edin Dzeko noch immer vom beinharten Training des Felix Magath. Für die Älteren: Coach Magath, der das Image eines gnadenlosen Schleifers als Kompliment verstand, leitete in der Saison 2008/09 den VfL Wolfsburg in der Bundesliga an, es war die Saison, in der just dieser Klub ziemlich überraschend Deutscher Meister wurde, und Edin Dzeko, 23 Jahre alt seinerzeit, 26 Tore zum Triumph beisteuerte.

Edin Dzeko ist inzwischen 37 Jahre alt, aber von Altersmüdigkeit keine Spur. Der Mann aus Sarajevo, einst vor dem Krieg in seiner bosnischen Heimat geflohen, trifft verlässlich, am Mittwochabend in der Champions League gegen den Rivalen AC traf er wirklich sehenswert zum frühen 1:0. Oder besser gesagt: Er trifft endlich wieder. Ein bisschen war der hochaufgeschossene Mann in eine kleine Sinnkrise geraten. Der Angreifer hatte eine lange torlose Zeit hinter sich bringen müssen, von Januar bis Anfang Mai ging der Stürmer tatsächlich leer aus, in vier Monaten schoss er nur Fahrkarten, in der Serie A genauso wie in der Champions League. Dann platzte gegen Hellas Verena (6:0) der Knoten, da traf er gleich doppelt. „Manchmal kommen die Tore nicht“, sagte er zu dieser Pechsträhne, er sei geduldig und cool geblieben, vertrauend darauf, dass er der Mannschaft mehr geben könne als Tore.

Tatsächlich ist Edin Dzeko ein Phänomen. Wer sich in einer Sturm-Konkurrenz mit Weltmeister Lautaro Martinez und Büffel Romelu Lukaku, der aktuell nur Ergänzungsspieler ist bei Inter, durchsetzt, der muss einiges an Qualität aufweisen, Dzeko, der als zweitältester Torschütze in der Champions League (hinter dem Waliser Ryan Giggs) in die Geschichte eingeht, ist dank seiner Statur der ideale Zielspieler. Er macht die Bälle, auch die schwierigen, fest, ist immer anspielbar, zwar nicht mehr der schnellste Profi, aber clever an der Kugel. Er war erstaunlich lauffreudig, ließ sich zeitweise zurückfallen und leitete selbst Angriffe ein. Und er hätte sogar noch einmal treffen können, scheiterte aber freistehend, es wäre das 3:0 gewesen.

Dass er bei Inter in dieser Runde bereits 47 Pflichtspiele (14 Treffer, fünf Vorlagen) absolviert hat, spricht auch für den vier Sprachen sprechenden Bosnier. Für Inter, in der Liga nur auf Platz vier, hat sich die Verpflichtung von Dzeko längst als Glücksgriff erwiesen. 2,8 Millionen Euro mussten die Mailänder vor zwei Jahren lediglich an AS Rom überwiesen, um den 127-fachen bosnischen Nationalspieler in die Lombardei zu locken, ein Schnäppchen. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, aber reif für die Rente fühlt er sich nicht. In Italien nennen sie ihn „Schwan aus Sarajevo“, der zudem lange bei Manchester City auf Torejagd ging (189 Spiele/72 Tore).

Inter hat mit diesem Auswärtssieg die Tür zum Finale in Istanbul weit aufgestoßen. Der AC, in der Liga auf Platz fünf, enttäuschte auf ganzer Linie, der Doppelschlag durch Dzeko (8.) und einen anderen alten Bekannten aus der Bundesliga, Henrich Mchitarjan (11.), hatte ihnen früh den Nerv gezogen. Eigentlich unvorstellbar, wie dieser AC im Viertelfinale den italienischen Meister SSC Neapel aus dem Wettbewerb hatte werfen können. Einzige Erklärung: Der angeschlagene Stürmerstar Rafael Leao fehlte Milan, bei denen der Ex-Frankfurter Ante Rebic kaum noch eine Rolle spielt, mehr als ihnen lieb sein kann.

Finale in Manchester

Vielleicht hat Inter gerade noch die Kurve bekommen. Die Saison verlief in Schwankungen, ernsthaft hatte Inter nie um den Scudetto mitspielen oder SSC Neapel Paroli bieten können. Trainer Simone Inzaghi stand mehrmals vor dem Rausschmiss. Immerhin holten sich die Blauen in Riad den italienischen Supercup (durch ein 3:0 gegen AC Milan). Bei den Auftritten in der Königsklasse schwangen sich die Inter-Profis stets zu besonderen Leistungen auf.

Dass fünf der zwölf Halbfinalist der drei internationalen Wettbewerbe aus Italien stammen, sagt einiges über die Breite in der Spitze der Serie A aus, wo sich hinter Neapel, Juventus, Lazio, die beiden Mailänder Klubs, Bergamo und AS Rom gegenseitig heiße Kämpfe liefern.

Dass Inter (oder gar AC) aber ernsthaft in Istanbul dem Finalgegner die Stirn bieten können, dafür fehlt die Fantasie. Das wahre Finale um den Henkelpott findet kommenden Mittwoch in Manchester statt, zwischen City und Real Madrid.

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