Bundesrat entscheidet über Cannabis-Freigabe

22 Mär 2024
Bundesrat

Die umstrittene Legalisierung von Cannabis in Deutschland kommt heute abschließend in den Bundesrat. Das vom Bundestag beschlossene Gesetz ist dort nicht zustimmungsbedürftig, die Länderkammer könnte es aber in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schicken und damit vorerst abbremsen.

Nach den Plänen der Ampel-Koalition sollen Besitz und Anbau der Droge mit zahlreichen Vorgaben für Volljährige zum Eigenkonsum zum 1. April erlaubt werden. Zum 1. Juli sollen dann auch nichtgewerbliche Vereinigungen zum gemeinschaftlichen Anbau an den Start gehen können.

Klage droht

CDU-Chef Friedrich Merz bekräftigte vor der entscheidenden Sitzung des Bundesrats den Widerstand der Union. „Ich hoffe, dass die Länder den Vermittlungsausschuss anrufen und das Cannabis-Gesetz dort bleibt und dort nie wieder herauskommt“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Sollte der Bundesrat gegen den Willen der Union stattdessen grünes Licht für die Legalisierung geben, wäre das eine fatale Fehlentscheidung.“ Merz warnte vor massiven Auswirkungen auf die Gesundheit insbesondere junger Menschen. Zudem müssten Tausende abgeschlossene Strafverfahren neu aufgerollt werden.

Ähnlich äußerte sich die bayerische Landesregierung. „Das Cannabis-Gesetz muss unbedingt komplett gestoppt werden“, sagte Ministerpräsident Markus Söder der „Augsburger Allgemeinen“. Bayern unterstütze die Anrufung des Vermittlungsausschusses, ebenso wie Baden-Württemberg. „Wir wehren uns entschieden gegen die Legalisierung von Drogen“, betonte der CSU-Chef. Von Cannabis gingen schwere Gesundheitsgefahren aus. Zudem steige nach Ansicht von Experten die Kriminalität an und der Straßenverkehr werde gefährlicher.

Die Union will im Fall einer Regierungsübernahme 2025 die Legalisierung von Cannabis sogar kippen. „Nach einer Regierungsübernahme würde die Union das Gesetz umgehend rückgängig machen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Verfassungsklage dagegen habe „vermutlich wenig Aussicht auf Erfolg“.

Das sagen die Länder

Mecklenburg-Vorpommern will sich hingegen enthalten, wie Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) vor der Sitzung sagte. Das Land sehe es kritisch, dass große Cannabis-Plantagen entstehen könnten. Der Bund habe aber verbindlich zugesagt, dass das Gesetz an dieser Stelle verändert werde, sagte sie mit Blick auf eine Protokollerklärung der Regierung.

Thüringen will nach Worten von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ebenfalls nicht den Vermittlungsausschuss anrufen. Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) sagte, er persönlich halte das Gesetz für äußerst schwierig. Die Vollzugsbehörden müssten auf die Umsetzung vorbereitet sein, die Zeit bei einem Inkrafttreten zum 1. April sei aber viel zu kurz.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) nannte das Gesetz eine „Katastrophe für Deutschland“ und warnte: „Welche Welle da auf uns zurollt ist, vollständig unverantwortbar.“ Er sei nicht bereit, damit in einen Vermittlungsausschuss zu gehen. „Ich setze mich für Cannabis mit niemandem an einen Tisch.“ 

Auch der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, will der Teil-Legalisierung nicht zustimmen. Das Gesetz sei ohnehin fragwürdig, er halte es für „Unsinn, Cannabis zu legalisieren“, sagte er im Deutschlandfunk. „Das Gesetz ist einfach handwerklich so schlecht gemacht, dass es in den Ländern überhaupt nicht umsetzbar ist, wenn es zum 1. April in Kraft tritt“, betonte der CDU-Politiker. Günther könnte sich aber durchaus ein späteres Inkrafttreten des Gesetzes im Oktober vorstellen.

Kontrolle durch Polizei fraglich

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bekräftigte die Drohung der Unions-Innenminister mit einer Klage. Man müsse zwar erst einmal abwarten, ob nun der Vermittlungsausschuss angerufen werde und was dann dort herauskomme, vorher habe eine Klage keinen Sinn, sagte Herrmann der Deutschen Presse-Agentur in München. Wenn aber schon der Drogenkontrollrat der Vereinten Nationen erklärt habe, dass das deutsche Gesetz gegen internationale Verträge verstoße, dann müsse dem auf jeden Fall nachgegangen werden. Herrmann räumte allerdings ein, es sei keine ganz einfache Frage, wie das Ganze am Ende dann vor Gericht gebracht werden könnte.

Herrmann hält das Gesetz auch für praktisch nicht umsetzbar. „Was kann eigentlich wo überhaupt kontrolliert werden“, fragte der CSU-Politiker. Als Beispiele nannte er Vorgaben, wie viele Pflanzen jemand zu Hause in seinem Wohnzimmer haben dürfe, oder die Abstandsregelungen zu Schulen und Kindergärten beim Konsum. „Sollen die Polizisten jetzt den Abstand messen?“, fragte Herrmann. Das sei alles weltfremd und unpraktikabel.

Ob im Bundesrat die Stimmenmehrheit für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zustande kommt, war vorerst ungewiss. Hintergrund ist auch, dass sich Landesregierungen üblicherweise enthalten, wenn sie inhaltlich nicht einig sind. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war schon auf die Länder zugegangen und hatte Bedenken aufgegriffen. In einer Erklärung, die im Bundesrat zu Protokoll gegeben wird, sichert die Regierung unter anderem mehr Unterstützung für Prävention und Aufklärung zu. Kommen sollen demnach auch einige nachträgliche Änderungen am Gesetz etwa für flexiblere Umsetzungsregeln.

Nur Volljährige dürfen konsumieren

Die Bundesregierung bekräftigt in der Erklärung, dass eine vorgesehene Amnestie für Fälle, die künftig legal sein sollen, aus Gerechtigkeitsgründen geboten sei. Aus den Ländern waren Sorgen vor einer Überlastung der Justiz wegen anfallender Fallprüfungen laut geworden.

Nach dem vom Bundestag im Februar beschlossenen Gesetz soll für Erwachsene ab 18 Jahren der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum legal werden. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen erlaubt sein und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Kiffen im öffentlichen Raum soll in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingang.

Erlaubt werden sollen auch nicht-kommerzielle „Anbauvereinigungen“ für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben - im Monat höchstens 50 Gramm je Mitglied. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll eine erste Bewertung unter anderem dazu vorgelegt werden, wie es sich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.

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