Boeing-Skandal: Zweiter Whistleblower tot

15 Tage vor

Boeing hat die Whistleblower-Vorwürfe zu baulichen Mängeln bei der 737 Max stets zurückgewiesen. Gavin McIntyre/dpa

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Foto WESER-KURIER

Binnen drei Monaten ist der zweite Whistleblower beim Flugzeugbauer Boeing unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Die Familie des 45-jährigen Joshua Dean verlangt Aufklärung.

Der ehemalige Qualitätsprüfer beim Boeing-Zulieferer Spirit AeroSystems hatte gravierende Mängel bei der Produktion eines wichtigen Bauteils entdeckt, die zu einem gefährlichen Druckverlust in der Flugkabine der 737 Max führen könnten. Er hängte die gefährlichen Schlampereien an die große Glocke, nachdem der Hersteller nichts dagegen unternommen hatte. Jetzt ist Joshua Dean tot. Er erlag einer mysteriösen Lungeninfektion, an der er völlig überraschend erkrankt war.

Für seine Mutter, Virginia Green, ist das unerklärlich. Ihr Junge trank nicht, rauchte nicht, aß gesund und machte regelmäßig Sport. „Er war so gesund, dass er nicht einmal einen Hausarzt hatte“, sagt Green. Umso mehr verwundert sie, wie schnell ihr Sohn abbaute. Weil das Krankenhaus in Wichita im Bundesstaat Kansas ihm nicht helfen konnte, flogen Rettungshelfer ihn in eine Klinik von Oklahoma City.

Die Ärzte hätten ihr gesagt, sie hätten so etwas wie bei Joshua „noch nie gesehen“. Die Bronchien seien „total zu gewesen“. Am Ende hing er an der Beatmungs- und Dialysemaschine, weil auch seine Organe nacheinander versagt hätten. Ein Schlaganfall führte dann bei dem von seinen Angehörigen als „Gesundheitsfanatiker“ beschriebenen Mann zum Tod.

Sein ehemaliger Arbeitgeber Spirit Aero-Systems sprach von „erschütternden Nachrichten“ für die Familie des im April vergangenen Jahres gefeuerten Qualitätsmanagers. „Unsere Gedanken sind ganz bei Ihnen.“

Warme Worte für einen, mit dem das Unternehmen rechtlich seit Monaten über Kreuz lag, was viel Geld gekostet hat. Joshua Dean sagte in einem Prozess von Boeing-Aktionären gegen den Zulieferer aus und klagte selbst wegen Vergeltung durch den Arbeitgeber. Weil er auf die Produktionsmängel hingewiesen habe, habe ihn Spirit Aero-Systems gewarnt. „Wenn du zu laut bist, stellen wir dich still“.

Doch Dean blieb nicht ruhig, sondern ging an die Öffentlichkeit, um auf „schweres und grobes Fehlverhalten des leitenden Qualitätsmanagements der 737-Produktionslinie“ aufmerksam zu machen. Ein brisanter Vorwurf nach dem Absturz zweier fabrikneuer Maschinen vom Typ 737 Max, die 2018 und 2019 mit Hunderten Menschen an Bord abgestürzt waren. Mit dem Schrecken davon kamen im Januar die Passagiere einer 737 Max 9 von Alaska Airlines, die während des Flugs einen Rumpfteil verloren hatte.

Noch mysteriöser macht den Tod des Whistleblowers, dass ein zweiter Geheimnisverräter in der Boeing-Produktion, John Barnett, Anfang März tot in einer Hotelgarage von Charleston aufgefunden worden war. Der 62-jährige Manager hatte an dem Tag zum dritten Mal über Qualitätsmängel in dem Werk, das die Langstreckenmaschine 787 baut, aussagen wollen.

Seine Anwälte, die auch Dean vertraten, bezweifeln, dass es sich um einen Selbstmord handelte. Er sei „bestens gelaunt“ gewesen, weil er sich darauf gefreut habe, dieses düstere Kapitel in seinem Leben hinter sich zu lassen. „Wir sahen keine Anzeichen dafür, dass er sich das Leben nehmen würde“, teilten Brian Knowles und Robert Turkewitz in einer Erklärung mit. Die Ermittlungen dauern an.

Ein dritter Whistleblower, der Ingenieur Sam Salehpour, der bei einer Anhörung im April im US-Senat schwere Anschuldigungen gegen den Flugzeugbauer erhob und „ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der 787 und 777“ anmeldete, hat allen Grund, sich zu fürchten. Ihm sei nahegelegt worden, „den Mund zu halten“.

Mutter Virginia Green will dem Ableben ihres Sohnes Joshua auf den Grund gehen. Sie beantragte eine Obduktion, um den rätselhaften Tod des stets kerngesunden Whistleblowers zu klären: „Wir wissen nicht, ob ihm jemand was angetan hat oder ob er wirklich sehr krank war.“

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