Zugunglück in Indien: »Als der Unfall passierte, dachten wir, wir ...

3 Jun 2023

Etwa 300 Tote, mehr als Tausend Verletzte im Krankenhaus: Die Zugkatastrophe im indischen Bundesstaat Odisha sorgt international für Entsetzen. Menschen, die das Unglück erlebt haben, berichten von grausamen Szenen vor Ort.

Zugunglück Indien - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

03.06.2023, 22.22 Uhr

Rettungskräfte versammeln sich um die beschädigten Waggons an der Unfallstelle in der Nähe von Balasore im Bundesstaat Odisha

Foto: DIBYANGSHU SARKAR / AFP

Es war eines der schwersten Zugunglücke der letzten Jahrzehnte: Bei dem Unfall in Indien sind nach jetzigem Stand mindestens 288 Menschen ums Leben gekommen. Hunderte wurden verletzt, wie die Behörden des Bundesstaats Odisha mitteilten. Die Zahl der Toten könnte noch steigen. Drei Züge waren laut Behörden an dem Unfall beteiligt, der sich in einer ländlichen Gegend im Bezirk Balasore, gut 200 Kilometer südwestlich von Kolkata, am Freitag gegen 19 Uhr Ortszeit ereignete. Wie genau das alles passierte, war auch am Samstag nicht ganz klar.

»Das wird mich mein Leben lang verfolgen«

Mittlerweile mehren sich die Berichte von Menschen vor Ort. Sie erzählen von grausamen Erlebnissen. »Überall Leichen, vielen fehlten Körperteile, Menschen, die in den Waggons feststeckten, schrien um Hilfe«, sagte ein Überlebender der Zeitung »The Hindu«. »Ich sah Menschen mit verstümmelten Körperteilen und entstellten Gesichtern. Das wird mich mein Leben lang verfolgen.«

Ompal Bhatia war mit drei Freunden auf dem Weg nach Chennai zur Arbeit. Plötzlich gab es ein lautes, heftiges Geräusch und sie spürten, wie der Zug sich plötzlich rückwärts bewegte und umkippte. »Als der Unfall passierte, dachten wir, wir seien tot«, sagte Bhatia der Nachrichtenagentur Reuters. »Als wir merkten, dass wir noch lebten, machten wir uns auf den Weg zum Notfenster, um aus dem Zug zu steigen. Der Waggon war von den Gleisen abgekommen und auf die Seite gefallen«.

Als er und seine Freunde ausstiegen, herrschte überall Chaos. »Wir sahen eine Menge toter Menschen. Alle versuchten entweder, ihr Leben zu retten, oder suchten nach Angehörigen«, sagte er.

Über Tausend Menschen in Krankenhäusern

Der Zug wird häufig von Tagelöhnern und Menschen benutzt, die als billige Arbeitskräfte in der Industrie um Chennai und Bangalore arbeiten. Er verkehrt entlang der Ostküste Indiens und braucht mehr als 24 Stunden für die über 1600 Kilometer lange Strecke.

Bis jetzt wurden 1175 Patienten in private Krankenhäuser eingeliefert, von denen 793 entlassen wurden, heißt es laut Gesundheitsministerium von Odisha. 382 Patienten werden weiterhin im Krankenhaus behandelt, von denen zwei in einem kritischen Zustand seien.

An dem Unfall waren laut BBC drei Züge beteiligt: Der Coromandel Express, der nur wenige Stunden zuvor im Bahnhof Shalimar im Bundesstaat Westbengalen gestartet war und in die südliche Stadt Chennai fahren sollte. Der Howrah Superfast Express, der im Bahnhof Yesvantpur in Bengaluru gestartet war und Howrah erreichen sollte und ein Güterzug, der im Bahnhof Bahanaga Bazar stand.

17 Waggons entgleist

Bahnsprecher Amitabh Sharma sagte der BBC, der Coromandel Express sei zuerst entgleist. Ein Beamter des Eisenbahnministeriums erklärte, der Bahnhof Bahanaga Bazar verfüge über vier Gleise. »Auf den Gleisen 1 und 4 waren Güterzüge abgestellt. Die Personenzüge fuhren parallel und gleichzeitig auf den Gleisen zwei und drei. Warum und wie der Coromandel Express entgleiste und mit den Güterzügen zusammenstieß, muss noch untersucht werden«, sagte er. Die Waggons des entgleisten Zuges seien auf die beiden hinteren Waggons des Howrah Superfast gefahren und hätten auch diesen entgleisen lassen.

In einer Pressemitteilung der Regierung von Odisha heißt es, dass insgesamt 17 Waggons der beiden Personenzüge entgleisten und schwer beschädigt wurden. Bahnminister Ashwini Vaishnaw sagte der Nachrichtenagentur ANI, er habe eine Untersuchung zur Ursache der Katastrophe angeordnet. Einem vorläufigen Bericht zufolge sei ein Signalfehler für den Unfall verantwortlich, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Die Solidarität nach dem Unglück ist groß. Viele Menschen haben schon in der Nacht des Unfalls in Krankenhäusern Blut für die Verletzten gespendet. »Ich hoffe, dass das einige Leben rettet«, sagte ein Spender der Nachrichtenagentur ANI. Odishas Verwaltungschef Pradeep Kumar Jena sagte, er habe viele Anfragen von Blutspende-Interessierten erhalten.

Premierminister Narendra Modi besuchte am Samstag den Unglücksort und Verletzte in einem Krankenhaus. Dort sagte er laut örtlichen Medien: »Die Verantwortlichen werden schwer bestraft.« Es seien demnach Instruktionen gegeben worden, bei der Untersuchung überall genau hinzusehen.

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