Böhmermann gegen Nuhr: „ZDF Magazin Royale“ zeigt Parodie ...

26 Mär 2023

In den vergangenen beiden Tagen waren gleich zwei Dieter Nuhrs im Fernsehen zu sehen.

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Der eine lieferte am Donnerstagabend Pointen im Ersten:

„Unsere Banken können nicht insolvent werden, solange der Wirtschaftsminister nicht weiß, was das ist.“„Die PS-Protzer in Berlin, die ihre Erektionsängste mit Motorengeheul übertönen.“„Ein guter Geruch weist heute darauf hin, dass der Partner eine Umweltsau ist – der hat geduscht.“

Der andere am Freitagabend im Zweiten:

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„Die Grünen wollen jetzt feministische Außenpolitik machen. Was ist das überhaupt? Frauenquote an der Front? Müssen die Hälfte der Panzer Leopardinnen sein?“„Unsere Hauptstadt, wo junge Fachkräfte Menschen regelmäßig mit dem Messer bedrohen.“„Auch wir Biodeutschen haben ja unsere Probleme. Wenn Busfahrer streiken, und unsere Klimakleber ihre SUVs nehmen müssen, um zur Demo nach Bali zu kommen.“Zwei diametrale Weltbilder

Beide Nuhrs trugen Lederjacken in Brauntönen, dunkelblaue Shirts, Tränensäcke. Und beide raunten so kehlig ins Mikrofon, dass man sie für ein und dieselbe Person halten könnte. Doch nur in der ARD gab’s das Original bei „Nuhr im Ersten“; beim ZDF trat ein Double auf – Sendungstitel „Nuhr im Zweiten“, produziert vom „ZDF Magazin Royale“.

Jan Böhmermann und sein Team strebten nach einer perfekten Persiflage: Gleicher Studiolook, gleiche Einspielmusik – und auch die Inhalte der Witze waren identisch. Beide Nuhrs stichelten gegen Achtsamkeit und Gleichstellung, gegen die Grünen und die Deutsche Bahn.

Dieter Nuhr, der echte.

Dieter Nuhr, der echte.

© Quelle: Dirk Knofe

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Nuhr, 62, ist als Kabarettist seit Jahren so erfolgreich wie umstritten. Wegen seiner Anti-Greta-Thunberg-Witze, wegen islamkritischer Äußerungen, wegen merkwürdiger Pogrom-Vergleiche.

Nuhr klagt dagegen, die daraus folgenden Shitstorms hätten seine „soziale Vernichtung“ zum Ziel. Man wolle ihn ausschließen, indem man ihn etwa als „rechts oder Volksverräter oder Klimaleugner oder Corona-Leugner“ hinstelle.

Gesellschaftlich gesehen ist Nuhr so etwas wie das kabarettistische Sturmgeschütz all jener, die das Gendern verachten, „Klimahysterie“ beklagen und mit Begriffen wie Diversität oder Alltagsrassismus nichts anfangen können.

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Auf der anderen Seite der Skala stehen das aufklärerische „ZDF Magazin Royale“ und Jan Böhmermann, der sein Publikum mit den Worten „Guten Abend, meine Damen und Herren und alle dazwischen und außerhalb“ begrüßt.

Nuhr und Böhmermann, das sind zwei verschiedene Weltbilder: konservativ gegen links-progressiv, Wokeness gegen stolzer alter weißer Mann.

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Böhmermanns glänzende Karikaturen

Das „Magazin Royale“ wollte mit seiner Sendung dem Kollegen aus dem Ersten „den Spiegel vorhalten“, das sei die „vornehmste Aufgabe von Satire“, verkündet der ZDF-Nuhr-Darsteller gleich zu Beginn. Ihm schwebe eine Sendung „ganz ohne Denk- und Sprechverbote“ vor. Auch wenn es heutzutage unmöglich sei, „keine Gefühle zu verletzen“.

In der halbstündigen Folge wird dann nicht nur gegen Nuhr ausgeteilt, sondern gegen die Comedykultur in Deutschland als Ganzes. Dafür sorgen die Gastauftritte von weiteren Doubles im „Switch Reloaded“-Stil.

Ein hysterischer Luke-Mockridge-Imitator im Kapuzenpulli steigt ein mit: „Entschuldigung – würd’ ich sagen, wenn ich was falsch gemacht hätte.“ Mockridges Ex-Freundin wirft ihm unter anderem sexualisierte Gewalt vor; ungeachtet dessen geht Mockridge im April auf Deutschland-Tour.

Phillip Lind als Luke Mockridge bei „Nuhr im Zweiten“.

Phillip Lind als Luke Mockridge bei „Nuhr im Zweiten“.

© Quelle: Screenshots ZDF-Mediathek

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Dann tritt mit „Özturk Özcan“, „einer von uns“, wie der ZDF-Nuhr ihn ankündigt, eine Kunstfigur mit türkischen Wurzeln auf und zerlegt den deutschen Humor. Während das Fake-Studiopublikum bei seinen ausländerfeindlichen Witzen johlt („keine Sorge, ich bin kein Terrorist“), herrscht demonstratives Schweigen bei Witzen zur deutschen Vergangenheit („ihr kennt eure Grenzen – außer zwischen 1933 und 1945″).

Es folgt ein an Bernd Stelter erinnernder Boomer-Comedian in der Kategorie eines Ingolf Lück oder Torsten Sträter, der mit Innenbanddehnung und Midlife-Crisis hadert.

Das Finale der Show liefert das Lisa-Eckhart-Double Milli Probst, die das Provokationsmuster der österreichischen Kabarettistin seziert. In enger Lederhose und hochhackigen Schuhen lästert sie über kulturelle Aneignung, Cancel-Culture und die virtuelle „Woke-Stapo“. Und sie reißt einen aus der Show geschnittenen Witz über Juden.

Dazwischen poltert Nuhr-Darsteller Sebastian Rüger gegen Transgender-Politik und das „Strafgefühlsbuch“, mechanisch belacht vom durchschnittlichen Ü50-Publikum. Die Persiflage wirkt stellenweise derart realistisch, dass manch arglosen Zuschauerinnen und Zuschauern der Satireansatz verborgen geblieben sein dürfte.

Sie sollten spätestens aufgewacht sein, als zum Ende der Show die Punkband „Team Scheisse“ einen ironischen „Anti-Antifa“-Song grölt – und verdeutlicht, auf welcher Seite man hier steht.

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Die österreichische Schauspielerin Milli Probst als österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart.

Die österreichische Schauspielerin Milli Probst als österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart.

© Quelle: Screenshots ZDF-Mediathek

Böhmermann hat frei

Das gilt auch für die Nachbetrachtung auf Twitter, wo sich die Lager um Böhmermann oder Nuhr versammeln. Das politische Kollektiv Anonymous Germany schwärmt: „Einfach genial! Unbedingt anschauen!“

Während die Patriotische Plattform kübelt: „Unglaublich, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk unsere Zwangsgebühren aus dem Fenster schmeißt. Versteht eigentlich jemand die Idee hinter #nuhrimzweiten?“

Wie gesagt, nicht alle dürften den Sinn der Show verstanden haben.

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Jan Böhmermann übrigens wurde im Publikum von „Nuhr im Zweiten“ kurz eingeblendet – er überließ dem hervorragenden Cast die bitterböse Abrechnung mit Nuhrs bitterbösem Humor ganz allein.

Und Nuhr selbst? Hält sich vorerst bedeckt. Auf Twitter postete er ein Reisebild von seiner aktuellen Tournee, demonstrativ grinsend.

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