"Wir müssen uns all den Dingen stellen, vor denen wir Angst haben"
Mo 18.11.24 | 06:10 Uhr | Von Magdalena Bienert
dpa/C.Gateau
Er ist Modeschöpfer, Autor, Maler, auch mal TV-Juror oder Schirmherr – die Ideen gehen Wolfang Joop nie aus. Heute wird der gebürtige Potsdamer 80 Jahre alt, und er ist umtriebig wie eh und je. Von Magdalena Bienert
Von Rente und ruhigem Leben ist bei Wolfgang Joop wenig zu spüren. Die Finca auf Ibiza ruft und kleine Reisen rund um seinen Geburtstag. Viel unterwegs sei man, sagt sein Lebensgefährte zu einer rbb-Interviewanfrage. Mit einem Radio-Interview werde das leider nichts mehr. Joop sei nach einer Erkältung auch nicht gut bei Stimme. Schade. Doch die rbb-Archive sind glücklicherweise voll mit Ton-Aufnahmen, die zeigen, wie humorvoll, reflektiert und tiefgründig Wolfgang Joop ist.
Behütet auf Gut BornstedtBegegnungen, Orte und Architektur haben den Designer schon immer inspiriert. Spricht man über ihn, muss man auch über den Ort sprechen, der den Künstler Joop als Kind geprägt hat: der Bauernhof seiner Großeltern in Bornstedt, um die Ecke vom Potsdamer Schloss Sanssouci.
Über seine Kindheit erzählte er, dass es nicht viel Betreuung gegeben habe, es habe immer viel zu tun gegeben auf dem Bauernhof, so dass man ihn, "den süßen kleinen Jungen", oft ins Bett gesteckt hätte. "Man setzte mir die Katze auf die Decke, weil der arme Junge ja was zu spielen haben musste, und ich röchelte dann, weil ich eine Katzenallergie hatte und das einzige, was mir übrig blieb zu tun war, auf kleinen Zettelchen meine Gedanken darzustellen." Er zeichnete Bilder zu den Märchen, die er gehört hatte, "Hänsel und Gretel oder meistens eher Gretel".
Bild: imago images/Mauersberger
Am 18. November 1944 wird Wolfgang Joop in Potsdam geboren. Seine Kindheit ist geprägt von der Nachkriegszeit, er wächst zunächst auf Gut Bornstedt auf, dem Bauernhof der Großeltern am Park von Sanssouci. 1954 übersiedelt die Familie nach Braunschweig, wo ihn der Vater bereits mit zehn Jahren auf eine Kunsthochschule schickt.
Bild: imago images/teutopress
In Braunschweig studiert Joop zuerst Werbepsychologie, dann Kunstpädagogik. Beide Studien bricht er ab. 1970 gewinnt er zusammen mit seiner damaligen Ehefrau Karin Benatzky einen Modewettbewerb der Zeitschrift Constanze. Damit startet seine Karriere als Designer. Das Foto zeigt ihn zusammen mit der Verlegerin Aenne Burda (Mitte) in der ARD-Sendung Chic.
Bild: dpa/Scheidemann
Mit der Gründung des Labels JOOP! legt er 1982 den Grundstein für seinen internationalen Erfolg. Hier ist Joop umgeben von Models mit einer seiner zahlreichen Auszeichnungen, dem Goldenen Spinnrad.
Bild: imago images/Tinkeres
Die Familie ist ein wichtiger Anker in seinem Leben. Auch nach der Scheidung 1985 von Karin Benatzky (rechts im Bild) bleiben sie über die beiden gemeinsamen Töchter Jette (links) und Florentine verbunden.
Bild: dpa/Eventpress Herrmann
1996 bekennt sich Joop offen zu seiner Bisexualität. Mit seinem Partner Edwin Lemberg, mit dem er auch beruflich zusammenarbeitet, ist er da bereits seit 16 Jahren liiert. Hier sind die beiden beim Neujahrsempfang der Berliner Morgenpost im Axel Springer Haus in Berlin, 2011. (Quelle: dpa/Eventpress Herrmann)
Bild: dpa/Wagner
Joop kreiert Damen- und Herrenmode, bringt eine Parfum-Kollektion heraus, ist ein überaus erfolgreicher Geschäftsmann und sucht das Licht der Öffentlichkeit. Hier mit Claudia Schiffer in der ZDF-Livesendung "Wetten daß...?" 1998 in Bremen. Im selben Jahr hatte das Top-Model seine Frühjahr- und Sommer-Kollektion präsentiert.
Bild: dpa/Herrmann
2001 verkauft Joop sein Unternehmen, kehrt 2003 mit dem experimentellen Label Wunderkind in die Mode zurück und erntet Anerkennung auf internationalen Laufstegen in Paris und New York. 2004 präsentiert das südsudanesische Supermodel Alek Wek seine Herbst-Winter-Kollektion in Berlin.
Bild: dpa/Simon
Als Juror bei "Germany’s Next Topmodel" gewinnt Joop 2014 eine neue Fanbasis und zeigt eine humorvolle Seite seiner Persönlichkeit. Hier thront er zwischen Heidi Klum (links) und dem Mega-Star der Modelszene Naomi Campbell (2. von rechts).
Bild: dpa/Pedersen
Joop gilt als Multitalent: In den 80ern ist er Honorarprofessor an der HdK Berlin, er malt, betätigt sich als Bildhauer, arbeitet als Schauspieler, schreibt für verschiedene Medien und verfasst mehrere Bücher - hier mit seinem Buch "Dresscode, das 2015 erschien.
Bild: imago images/Passig
Jette und Florentine, Joops Töchter, sind ebenfalls in kreativen Berufen tätig. Jette Joop (li) ist eine bekannte Modedesignerin, Florentine (re) hat sich als Illustratorin, Malerin und Autorin einen Namen gemacht.
Bild: imago images/Eibner
Heute lebt Joop wieder in seiner Heimatstadt, verbringt Zeit mit seiner Familie, besonders seinen Enkelkindern, und widmet sich ruhigen künstlerischen Projekten. Aus dem Rampenlicht hat er sich weitgehend zurückgezogen, bleibt aber weiterhin kreativ.
Bild: dpa/Bahlo
Aus Anlass seines 80. Geburtstags wird in Potsdam 2025 eine Ausstellung über Joops Lebenswerk zu sehen sein - hier Joop bei der Unterzeichnung des entsprechenden Dokuments mit Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).
Eigentlich wollte Wolfgang Joop Maler werden. Doch es kam anders. Neben Karl Lagerfeld und Jil Sander wurde er der erfolgreichste deutsche Modedesigner. Mit seiner Marke "JOOP!" schuf er ein Imperium und verkaufte Lizenzen in die ganze Welt.
Als kreativer Autodidakt eroberte er schnell die Welt. Von Potsdam-Bornstedt über Braunschweig hin nach: New York. Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre machte er sich hier erst mit einer Pelzkollektion einen Namen, und dann gingen seine Parfums durch die Decke. "Alle Rekorde" hätte es geschlagen, das Parfum eines Deutschen, in einer Zeit, wo Chanel und Balmain ganz oben standen. "Unvorstellbar dieser Erfolg", reflektierte Joop 2019.
picture alliance/NurPhoto/R.Mathalone
"Cowboy Core" und "Mob Wife Aesthetic" sind zwei Modetrends, die in diesem Jahr viral gegangen sind. Diese "Mikro-Trends" setzen sich oft kurz durch, um vom nächsten abgelöst zu werden. Das ist zwar nicht nachhaltig, hat aber auch positive Aspekte. Von Marie Röder
Wunderkind und VisionärWolfgang Joop hatte Visionen, dachte international, deutsche Mode war für ihn keine Inspiration, er nannte sie "so tragbar und unverrottbar und bezahlbar". Was ihn interessierte, war "die Erotik, die Verführung, die von einem Stück Kleid ausgeht".
Bis 2001 verkaufte der Modeschöpfer und Geschäftsmann all seine Firmenanteile an der Marke "JOOP!". Er fand, dass er sich damit von seinen Idealen entfernt hatte und die Lizenzprodukte seelenlos geworden waren. Anders sollte es mit seiner experimenteller ausgerichteten Nachfolge-Marke sein: 2003 gründete er zusammen mit seinem Geschäfts- und Lebenspartner Edwin Lemberg die Luxus-Modelinie "Wunderkind", von der er sich 2017 trennte.
2017 zog Joop auch zurück nach Gut Bornstedt, das immer im Familienbesitz geblieben war. Ein Ort, nachdem sich Joop sein "ganzes Leben lang gesehnt" habe. "In diesem dörflichen, auch ländlich und royalistischen Mix, bringt es einem viel bei." Bis heute blieb er Potsdam tief verbunden, übernahm 2020 die Schirmherrschaft fürs neue Tierheim.
Wolfgang Joop war Anfang 70, als er bei mehreren Staffeln von Heidi Klums TV-Show "Germany's Next Topmodel" als Juror auftrat. Mit seiner authentischen Art wurde er schnell zum Publikumsliebling, zeigte sich nahbar und empathisch. Mit 75 veröffentlichte der Autor und Designer seine Autobiografie "Die einzig mögliche Zeit", fast 500 Seiten dick. Dafür hatte er vorab 6.000 Seiten handbeschrieben - bis heute schreibt und skizziert er alles per Hand und auf Papier.
In einem Interview mit dem "ZEITmagazin" sagte Wolfgang Joop, er hätte nicht damit gerechnet, 80 zu werden. Er kenne auch keine Gleichaltrigen, sondern würde nur Zeit mit jüngeren Leuten verbringen.
Sich alt fühlen, Angst haben vor dem Tod, das sind keine Optionen für den Modeschöpfer. "Ich hoffe immer, dass im letzten Moment, in dem Moment des Sterbens, nach der Qual, der Moment der Erlösung - der muss doch fantastisch sein. Wir müssen uns all den Dingen stellen, vor denen wir Angst haben. Sie zu ignorieren, erhöht die Angst."
Er sei mit sich im Reinen – aber das sei ein Entschluss: "Es gibt immer noch ein Wenn und Aber, irgendeine Kondition, die nicht erfüllt ist. Aber ich sage, ich mache mit mir Frieden. Das ist mein Leben, und das ist mein Leben gewesen."
Sendung: Antenne Brandenburg, 18.11.2024, 07:10 Uhr