Was Donald Trumps Sieg für die deutsche Wirtschaft bedeutet

6 Nov 2024

analyse

Folgen für die Wirtschaft "Ökonomisch schwierigster Moment"

Stand: 06.11.2024 15:01 Uhr

Wer ist Präsident USA - Figure 1
Foto tagesschau.de

Donald Trump hat das Comeback ins Weiße Haus geschafft. Das hat nicht nur Folgen für Amerika, sondern auch für Deutschland. Ökonomen sind sich sicher: Trumps Wirtschaftspolitik könnte uns massiv schaden.

Nach vier Jahren Abwesenheit hat Donald Trump es geschafft: Er ist zum US-Präsidenten gewählt worden. Für Deutschland wird das aller Voraussicht nach massive wirtschaftliche Konsequenzen haben. Denn die USA sind der wichtigste Handelspartner im Außenhandel. Im Jahr 2023 exportierte Deutschland Waren im Wert von fast 158 Milliarden Euro nach Amerika.

Trump gilt als Verfechter des Protektionismus. Das bedeutet: Er möchte die heimische Wirtschaft schützen - auch auf Kosten anderer Länder. Ausländische Wettbewerber sollen auf dem inländischen Markt benachteiligt werden, damit US-Anbieter besser abschneiden als die Konkurrenz. Um das zu erreichen, kündigte Trump während seines Wahlkampfes zahlreiche wirtschaftspolitische Maßnahmen an.

Importzölle von zehn oder 20 Prozent

So sprach er davon, höhere Steuern auf Produkte etwa aus Deutschland oder der Europäischen Union (EU) einzuführen. Er drohte mit Importzöllen in Höhe von zehn bis 20 Prozent, auf Produkte aus China sogar in Höhe von 60 Prozent. Gleichzeitig plant er, die Steuern für Unternehmen in den USA zu senken. Am liebsten würde er die Einkommenssteuer komplett abschaffen und die Ausfälle durch seine Importzölle kompensieren. "Wir wollen die Hunderte Milliarden Dollar aus den Zöllen zum Nutzen unserer Bürger einsetzen und damit unsere Staatsschulden abzahlen", sagte Trump im Oktober auf dem Detroit Economic Forum.

Besonders abgesehen hat es Trump auf die ohnehin schon krisengebeutelte deutsche Autoindustrie. Wie er in einer Rede am Sonntag in Pennsylvania sagte, sollen ausländische Unternehmen durch Zölle ihren Beitrag zum US-Haushalt leisten, falls sie keine Werke in den USA selbst errichten.

Fokus auf Binnenmarkt nötig

"Das erhöht den Druck auf europäische Unternehmen, ihre Produktion in die USA zu verlagern", sagte Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Deutschland und die EU müssten ihren Wirtschaftsstandort dringend stärken. "Nur ein dynamischer Binnenmarkt ist ein Garant dafür, nicht zwischen den Wirtschaftsblöcken USA und China zerrieben zu werden", so Wambach.

Kritisch blickt auch der Außenhandelsverband BGA auf Trumps angekündigte Zölle. "Importzölle auf europäische und chinesische Produkte sehen wir kritisch. Die Welt braucht weniger und nicht mehr Handelsbeschränkungen", betonte BGA-Präsident Dirk Jandura. Ein amerikanischer Präsident könne und dürfe nie ausschließlich "America First" sein.

"Herausforderungen, auf die wir nicht vorbereitet sind"

Neue Handelsbeschränkungen kämen zu einer ungünstigen Zeit. Denn die deutsche Wirtschaft erholt sich ohnehin nur langsam. Mit Trumps Sieg beginne "der ökonomisch schwierigste Moment in der Geschichte der Bundesrepublik", kommentierte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick. Zur ohnehin wirtschaftlich schlechten Lage in Deutschland kämen nun außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen hinzu, "auf die wir nicht vorbereitet sind", so Schularick.

ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sieht Deutschland dieses Mal deutlich schlechter vorbereitet als beim ersten Wahlsieg Trumps im Jahr 2016. "Während seiner ersten Amtszeit ging es uns gut in Deutschland. Da haben wir das Wirtschaftswunder 2.0 gefeiert. Jetzt aber sind wir der kranke Mann Europas."

Ihm zufolge hätte es keinen schlechteren Zeitpunkt für die Wahl Trumps geben können. "Denn genau die Branchen, die von einem Handelskrieg getroffen werden, leiden aktuell ja schon: die Automobilindustrie und das Verarbeitende Gewerbe." Die Wirtschaftsprognosen für Deutschland müssten nun angepasst werden, "sodass wir in Deutschland jetzt 2025, aber auch 2026 eher über eine Rezession sprechen", so Brzeski gegenüber der ARD-Finanzredaktion.

Schaden von bis zu 180 Milliarden Euro

Wie sehr Trumps Strafzölle die gesamte deutsche Wirtschaft treffen könnten, zeigen Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Die Wirtschaftswissenschaftler gehen - je nach Szenario - von einem Schaden zwischen 130 und 180 Milliarden Euro innerhalb der vierjährigen Amtszeit aus. Das wären vier Prozent der deutschen Gesamtwirtschaftsleistung. Das ifo-Institut in München rechnet damit, dass deutsche Exporte in die USA durch Zölle um etwa 15 Prozent zurückgehen könnten.

Europa könnte Gegenzölle erheben

Die voraussichtliche Verteuerung deutscher Produkte in Amerika ist das eine. Der europäische Gegenschlag ist das andere. Denn höhere US-Zölle könnten möglicherweise zu Gegenzöllen der EU führen. Eine entsprechende Strategie entwickelte die EU bereits im Sommer. Danach könnte sie mit ähnlich hohen Zöllen auf US-Produkte zurückschlagen. Das würde die Handelsbeziehungen stark belasten.

"Die transatlantischen Beziehungen stehen vor einem Epochenwechsel", warnte Siegfried Russwurm, Bundespräsident des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). "Zu befürchten ist, dass der Ton rauer, der protektionistische Kurs konsequent fortgeführt werden wird." Die Wahl sei ein Weckruf für Deutschland und Europa. "Wir müssen die vorhandenen Strategien zur Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigungsfähigkeit und für den Umgang mit China mit deutlich mehr Tempo weiterentwickeln", so Russwurm.

Schon Joe Biden fuhr einen protektionistischen Kurs - jedoch vor allem in Bezug auf China. Er ließ nicht nur die Zölle seines Vorgängers weiterlaufen, er erhöhte sie zuletzt teilweise sogar. Zusätzlich verhängte er Exportverbote auf Technologien wie Halbleitern. Das protektionistische Handeln wird unter Trump, so glauben Experten, aller Voraussicht nach zunehmen. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die USA weiter von einer offenen, globalen Zusammenarbeit entfernen", warnte die Leiterin des ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Lisandra Flach.

Bundestag legt Aktuelle Stunde ein

Der BDI glaubt, Europa müsse offen für Kompromisse sein und den USA Vorschläge machen, wie Zölle auf beiden Seiten vermieden werden könnten. Es komme auf eine Zusammenarbeit an, von der beide Seiten profitieren können. "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass erfolgreiche Vereinbarungen und Abkommen mit Trump möglich sind", sagte der BDI-Präsident Russwurm.

Der Bundestag kündigte an, sich am Donnerstag mit dem Ausgang der Wahl zu beschäftigen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat eine Aktuelle Stunde beantragt. Dort soll es um die Konsequenzen des Wahlergebnisses für Deutschland gehen. Denn unklar ist auch, wie sich die Zusammenarbeit in der NATO gestalten wird, wie es mit der Unterstützung für die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Angriff weitergeht und wie sich die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen entwickeln.

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