Nikolaus ist für orthodoxe Christen ein besonders wichtiger Heiliger

21 Tag vor
Wann ist Nikolaus

DOMRADIO.DE: Der Gedenktag des Heiligen Nikolaus ist in der katholischen Kirche "nur" ein nichtgebotener Gedenktag. Er ist vor allem bei Kindern für die Schokolade und die kleinen Geschenke beliebt. Wie wichtig ist er aber für die Christen der orthodoxen Kirchen? 

Erzpriester Radu Constantin Miron (Griechisch-orthodoxer Erzpriester, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland / ACK): Wahrscheinlich wäre in einem Ranking der Heilige Nikolaus sehr, sehr weit vorne. Es ist immer schwer, mit Superlativen zu arbeiten, aber er ist ein sehr beliebter Heiliger. Das äußert sich nicht zuletzt daran, dass bei allen vorwiegend orthodoxen Völkern der Vorname Nikolaus in allen seinen Varianten immer auch unter den ersten fünf der vergebenen Namen steht. Der Nikolaus ist für uns Fleisch und Blut. 

DOMRADIO.DE: Nikolaus stammt ja aus Kleinasien, wurde in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts in Lykien geboren. Was macht denn der aus Ihrer Sicht in unserem Leben zu diesem besonderen Heiligen? 

Miron: Das Besondere ist die Vielfältigkeit dieser Person. Er war zunächst einmal ein ganz "normaler" Bischof einer kleinen Hafenstadt, in Myra. Aber er war darüber hinaus eben noch etwas, was man heute vielleicht als Manager, vielleicht sogar als Kommunalpolitiker bezeichnen könnte. Er war ein sehr sozial engagierter Mensch. Und er war auch in Sachen Glaube und Verteidigung des Glaubens ein sehr robuster Mensch. 

Erzpriester Radu Constantin Miron

"Nikolaus war auch in Sachen Glaube und Verteidigung des Glaubens ein sehr robuster Mensch."

Es gibt ja die Geschichte, dass er bei dem Konzil von Nicäa im Jahr 325, das wir ja im nächsten Jahr als 1700-jähriges Jubiläum feiern, angeblich aufgestanden sein soll und Arius, dem "Christusleugner", wie er ihn genannt hat, eine Ohrfeige verpasst hat. Das passt so gar nicht zu dem süßlichen und vielleicht etwas verkitschten Nikolaus, den wir kennen. 

Und apropos "süß": Zumindest in Griechenland ist es ein anderer Bischof, der die Geschenke bringt, nämlich der heilige Basilius von Caesarea, der am 1. Januar gefeiert wird. Da gibt es also die Geschenke und die Süßigkeiten in der Silvesternacht. Mit dem Ergebnis, dass griechische Kinder hierzulande sich gleich mehrfach beschenken lassen können. 

DOMRADIO.DE: In der katholischen Kirche wird er ja meist als Bischof mit Bischofsstab und Mitra dargestellt. Wie wird er denn zum Beispiel auf der Ikonostase der Gotteshäuser bei den orthodoxen Christen dargestellt? 

Miron: Die Ikonen haben ja immer einen Code, so nenne ich das mal. Sie haben eine bestimmte Form der Charakterisierung. Und natürlich ist Nikolaus als Bischof erkennbar, auch durch seine Mitra. Im Osten ist sie ja ein bisschen kronenförmiger als im Westen, das heißt, er trägt nicht eine so spitze Mitra. Aber er ist schon erkennbar. 

Die Ikonenschreiber, wie wir sie nennen, bemühen sich nicht einander zu kopieren, aber sie arbeiten schon innerhalb eines vorgegebenen Bildes. Das heißt, man erkennt eine Ikone an ihrem Titel. Aber der Nikolaus wird auch am Gesicht erkannt und an der Form des Bartes und so weiter.

DOMRADIO.DE: In Italien werden seine Gebeine in Bari verehrt. Wie wichtig sind denn diese Reliquien auch für die orthodoxen Christen? 

Miron: Ich war sowohl in Myra, dem heutigen Demre in der Türkei als auch in Bari, in Italien. Vor einigen Jahren hörten Sie dort mehr Russisch auf der Straße als Türkisch, bzw. Italienisch. Das habe ich so in der Türkei sonst nie erlebt, dass eigentlich alle Geschäfte auch russische Beschriftungen hatten. 

Auch in Italien gab es viele russische Pilger. Soweit ich weiß, gab es sogar eine Zeit lang Direktflüge nach Bari aus Russland. Das hat sich natürlich jetzt alles durch den Krieg verändert. Aber was Reliquien angeht, ich sage es mal etwas launisch, lieben orthodoxe Christen die vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als die Katholiken. Oder sie sind zumindest noch mehr im Bewusstsein. 

Dementsprechend ist eine Pilgerfahrt nach Bari für denjenigen, der das kann, schon etwas Wichtiges. Dass die Reliquien dort sind, ist natürlich auch so eine Geschichte, die man je nach Standpunkt anders sieht. Die italienischen Ritter, die sie seinerzeit im 11. Jahrhundert geholt haben, waren vielleicht eher Piraten. Die Bevölkerung von Myra will den Vorwurf des Raubes der Reliquien bis heute nicht aufgeben, vor allem als es dort noch bis 1923 christliche Gemeinden gab. 

DOMRADIO.DE: Sie sind auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). Nikolaus wird in nahezu allen Konfessionen verehrt. Kann er auch eine Art Verbindung zwischen den verschiedenen Konfessionen sein? 

Miron: Unbedingt. Schon die Geschichte der Nikolausverehrung in Deutschland hat etwas mit einem Dialog zwischen Ost und West zu tun. Es gibt ja diese nicht sicher belegte Geschichte, dass die Kaiserin Theophanu, die im 10. Jahrhundert nach Deutschland kam, ganz überrascht war, hier keine Verehrung des Heiligen Nikolaus vorzufinden. 

Erzpriester Radu Constantin Miron

"Nikolaus ist ein gemeinsamer Schatz von Ost und West."

Sie soll es gewesen sein, die diese Nikolausverehrung aus dem Oströmischen Reich, aus Konstantinopel, nach Deutschland gebracht hat. Wie so häufig, kann man solche Dinge eigentlich nur anhand von Indizien beurteilen. Und ein Indiz, das allerdings nachgewiesen wurde, ist, dass die Zahl der Nikolaus-Kirchen in Deutschland zu ihrer Zeit und auch nach ihrem Tod rapide angestiegen ist. 

Nikolaus ist der Patron der Seefahrer. Deswegen hatte dann jeder Hafen eine Nikolaus-Kapelle. Aber auch an jeder größeren Straßenkreuzung von Fernstraßen gab es eine Nikolauskapelle oder ein Nikolausheiligtum. Also, Nikolaus ist ein gemeinsamer Schatz von Ost und West. Er ist jemand, mit dem jeder etwas anfangen kann, mit dem jeder sich identifizieren kann. 

DOMRADIO.DE: Wir leben in einer Zeit, in der es viele Anfragen an die Christen in Europa und anderswo gibt. Was kann uns denn der Heilige Nikolaus heute sagen? Was können wir von seinem Leben und von seinem Tun für unser Verhalten heute lernen? 

Miron: Ich bin gerade dabei, seine Christusnachfolge neu zu entdecken. Es geht um eine Nachfolge, die immer den ganzen Menschen umfasst. Die hat Nikolaus gelebt und hat über die auch gepredigt. 

Erzpriester Radu Constantin Miron

"Es reicht nicht zu sagen, Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch, wenn ich selbst nicht diese Nachfolge auch in meinem Leben umsetze." 

Das heißt, es reicht nicht zu sagen, Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch, wenn ich selbst nicht diese Nachfolge auch in meinem Leben umsetze. 

Da passt die berühmte Geschichte, in der er den armen Mädchen die Goldbeutel durchs Fenster wirft - daher kommt wohl der Brauch hierzulande mit den Geschenken. Das bedeutet: ein Christentum, das nicht ein soziales Christentum ist, ist eigentlich unglaubwürdig. Und ich glaube, gerade in einer Gesellschaft, die das Christliche nicht mehr kennt, kann so eine Vorbildgestalt schon hilfreich sein. 

Das Interview führte Mathias Peter.

Heiliger Nikolaus

Nikolaus ist einer der am meisten verehrten Heiligen der Christenheit. In der katholischen Kirche wird er häufig als "Nothelfer" angerufen; die orthodoxen Christen bezeichnen ihn als "Wundertäter". Von der historischen Person gilt nur als sicher, dass Nikolaus im vierten Jahrhundert Bischof von Myra an der heutigen türkischen Mittelmeerküste war. Seine Reliquien werden in der süditalienischen Hafenstadt Bari verehrt.

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