Messerangriff auf Kind in Wangen: Was zu Opfer, Tat und Täter ...

5 Apr 2024

Der Mann, der am Mittwochnachmittag mutmaßlich ein Kind in einem Supermarkt mit einem Messer angegriffen hat, ist dem Haftrichter vorgeführt worden. Die Tat hatte sich am Mittwochnachmittag gegen 15 Uhr in Wangen im Allgäu ereignet.

Wangen im Allgäu - Figure 1
Foto Schwäbische

Die Polizei nahm kurz nach der Tat einen 34-jährigen aus Syrien stammender Mann mit niederländischer Staatsangehörigkeit fest. Der mutmaßliche Täter wurde am späten Donnerstagnachmittag dem Haftrichter vorgeführt. Die Vernehmung dauerte bis in die Abendstunden hinein an.   

Der 34-Jährige wurde später wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht worden, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitagmorgen mit.

Staatsanwaltschaft geht von verminderter Schuldfähigkeit aus

„Wir gehen bei dem Mann von einer verminderten Schuldfähigkeit oder einer Schuldunfähigkeit aus“, sagte die Erste Staatsanwältin Tanja Vobiller auf Anfrage. Konkret heißt das, dass der mutmaßliche Täter psychisch krank sein könnte.

Rund 80 Menschen hatten sich am Donnerstagabend als Reaktion auf die Tat zur Mahnwache auf den Parkplatz des Norma-Supermarkts versammelt. Eine unter dem Namen „Demo Lindenberg Info-Gruppe“ firmierende Facebookgruppe hatte dazu unter der Parole „Hand in Hand für Deutschland“ aufgerufen.

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Unter jenen, die zur Mahnwache kamen, waren Freunde, Bekannte, Nachbarn und offensichtlich auch ein naher Verwandter des schwer verletzten Mädchens. Aber auch etwas schrille Personen und Vertreter der Parteien „Die Basis“ und AfD sowie frühere Teilnehmer von Demos gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen.

Mahnwache mit sehr gemischtem Publikum

Auch zwei Reporter des rechtspopulistischen Online-Boulevardmagazins "Nius" des ehemaligen "BILD"-Chefredakteurs Julian Reichelt waren vor Ort. Die Reporterin der Schwäbischen Zeitung wurde als "blöde Kuh" beschimpft und der Schwäbischen unterstellt, man habe nicht berichtet. Dabei hatte Schwäbische.de als eines der ersten Medien überhaupt die Meldung verbreitet und den ganzen Tag über aktualisiert. Auch die Information über die Nationalität des Mannes hatte Schwäbische.de als erstes Medium exklusiv erhalten und umgehend in die Berichterstattung aufgenommen.

Unterdessen laufen die Ermittlungen zu der Tat, die derzeit die Menschen in Wangen bewegt und die bundesweite Aufmerksamkeit der Medien hervorgerufen hat, auf Hochtouren. Dabei geht es unter anderem auch um die Frage, weshalb sich der Mann mit niederländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland und im Allgäu aufgehalten hat. Laut Staatsanwältin Tanja Vobiller und Ravensburgs Polizeipräsident Uwe Stürmer ist dies derzeit Gegenstand der Ermittlungen.

Wangen im Allgäu - Figure 2
Foto Schwäbische

Klar scheint bereits zu sein, dass der Mann „einen Bezug zu Wangen hatte“, so Vobiller. Nach Angaben Stürmers hat sich der 34-Jährige „seit einiger Zeit“ in der Stadt aufgehalten: „Er hatte offensichtlich eine Schlafstelle in Wangen“, so der Polizeipräsident. Wo diese war, müsse noch geklärt werden.

Augenzeuge entwaffnet Mann und ruft Polizei

Das gilt auch für die Frage, ob und gegebenenfalls welchen Bezug der mutmaßliche Täter zu den in unmittelbarer Nähe des Supermarkts gelegenen Flüchtlingsunterkünften hatte – eine Frage, die seit Bekanntwerden der Tat am Donnerstagmorgen in Wangen im Raum steht.

Ein Zeuge, der sich zeitgleich in dem Supermarkt aufhielt, hatte das Geschehen bemerkt und dem Angreifer das Messer abgenommen. Nach Angaben einer Polizeisprecherin habe sich der mutmaßliche Täter nicht weiter gewehrt, sei aber aus dem Supermarkt geflüchtet. Der Zeuge sei dem Mann hinterhergelaufen und habe die Polizei verständigt. Diese konnte den Tatverdächtigen dann widerstandslos festnehmen.

Kind nach Messer-Attacke operiert und stabil

Das Kind, das zur Tat in Begleitung seiner Mutter war, wurde in eine Klinik gebracht und dort operiert, wie die Polizei bereits in der Nacht zum Donnerstag mitteilte. Es befindet sich demnach außer Lebensgefahr in einem stabilen Zustand und "ist auf dem Weg der Besserung", wie eine Polizeisprecherin Schwäbische.de bestätigt hat.

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Bei dem Supermarkt handelt es sich um den Norma in der Zeppelinstraße, in der Nähe des Wangener Bahnhofs. Die Filiale war vor rund einem Jahr im Februar neu eröffnet worden.

Wangener OB entsetzt über Messerangriff in Supermarkt

Oberbürgermeister Michael Lang (parteilos) zeigte sich über die Tat sichtlich bestürzt: "Eine solche Tat habe ich, haben wir hier noch nie erlebt. Wir sind alle fassungslos." Eine solche Tat mache "sehr betroffen", so Lang.

Die Familie steht unter Schock ob dieses schlimmen Ereignisses. Wir sind gedanklich bei ihr.

Oberbürgermeister Michael Lang

Langs Mitgefühl gilt der Familie der Vierjährigen, die ihm bekannt sei. Am Vormittag habe er mit dem Vater gesprochen und alle erdenkliche Hilfe der Stadt angeboten. "Die Familie steht unter Schock ob dieses schlimmen Ereignisses. Wir sind gedanklich bei ihr."

Wangen im Allgäu - Figure 3
Foto Schwäbische

Voll des Lobes ist Wangens Rathauschef für den Mann, der dem mutmaßlichen Täter das Messer abgenommen und die Polizei verständigt hatte: Er habe "wertvoll und beherzt" eingegriffen: "Das tut gut."

Angesichts auch während der Ferien laufender Betreuungsangebote für Kinder und des in der kommenden Woche wieder beginnenden Schulunterrichts rät Michael Lang Lehrkräften, Erzieherinnen, aber auch Eltern gegenüber den Kindern „so offen und transparent wie möglich“ über die schreckliche Tat zu sprechen. Er betont, kein Psychologe zu sein, sagt aber: „Das halte ich immer für die richtige Vorgehensweise.“ Falls nötig, böten Beratungsstellen von Caritas und Diakonie Hilfe an.

Ermittlungen der Kriminalpolizei dauern an

Die Norma-Filiale in der Zeppelinstraße war am Mittwoch für die Arbeit der Spurensicherung und der Ermittler geschlossen geblieben. Die Vernehmungen dauern nach Angaben der Polizeisprecherin an. Menschen, die noch etwas von der Tat mitbekommen hätten, etwa, weil sie zur Tatzeit dort einkaufen waren und dann den Laden auch schnell verlassen hätten, könnten sich beim Polizeirevier in Wangen, Telefon 07522/9840, melden.

Der Fall hat überregionales Medieninteresse ausgelöst. Am Donnerstagvormittag finden sich auch einzelne Kamerateams am Norma ein. Der Supermarkt ist wieder geöffnet. Kunden füllen ihre Einkaufswagen und können den Laden wie üblich nutzen. Absperrungen oder ähnliches im Markt gibt es nicht.

Kunden in Wangen zeigen sich schockiert

„Viel Freude am Einkauf“ steht auf einem Plakat an der Eingangstür. Diese vergeht Norma-Kundin Helga Timmermann aus Argenbühl sofort, als sie erfährt, was am Mittwochnachmittag im Norma geschehen ist: „Ich habe bislang nichts mitgekriegt“, sagt sie, nach ihren Eindrücken befragt. Entsetzt schlägt sie ihre Hände vors Gesicht: „Ich bin geschockt. Da wird es mir ganz anders.“

Sie sei am Mittwoch gegen zehn oder halb elf beim Einkaufen gewesen. Tief atmet die Kundin durch: „Dass bei uns so etwas Schreckliches passiert!“ Man spürt: Sie kann und will es nicht glauben. Und: Sie bleibt erst einmal in ihrem Auto sitzen, bevor sie dann doch zum Einkaufen geht.

David Pichler, Susi Weber (Foto: Susi Weber)

Rosmarie Renner aus Wangen kommt mit ihrem vollen Einkaufswagen aus dem Laden: „Ich habe es gerade im Radio gehört. Das ist der Hammer“, sagt die Wangenerin und fragt: „Ist man denn nirgendwo mehr sicher?“

Im zum Norma benachbarten Hensler-Dienstleistungszentrum praktiziert Zahnärztin Katharina Wieneke. Sie hat über einen Patienten mitbekommen, dass im Norma etwas geschehen ist, allerdings nicht genau, was. „Uns hat man erzählt, dass da eine Prügelei gewesen ist.“ Die Behandlungszimmer liegen zum Norden hin. Lediglich vom Wartezimmer aus hat man einen Blick auf den Parkplatz. Auch Wieneke und ihr Personal sind schockiert.

Der Verkaufsleiter von Norma und andere Mitarbeiter beantworten an diesem Tag keine Medienanfragen. Das sei auch mit Polizei und Staatsanwaltschaft so abgesprochen.

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