Neujahrsspringen der Vierschanzentournee: Jetzt geht es um ...
Andreas Wellinger reist als Führender der Vierschanzentournee nach Innsbruck
Foto: Matthias Schrader / APDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Drama, Baby: Lange war am Neujahrstag vom angekündigten starken Wind in Garmisch-Partenkirchen nur wenig zu spüren. Dann aber, als im Finale nur noch die besten zehn Springer des ersten Durchgangs auf ihren Start warteten, wehte es aus allen Richtungen. Besonders hart traf es Ryōyū Kobayashi. Der Japaner hatte den ersten Durchgang für sich entschieden, und als alle Athleten ihre Sprünge schon hinter sich gebracht hatten, saß er einsam oben auf dem Balken und wartete auf seinen Start. Der Wind ließ aber nicht nach, Kobayashi musste wieder runter, ein Vorspringer kam. Erst nach Minuten des Wartens ging der Japaner in die Spur – und meisterte die Aufgabe mit Bravour. Er landete erst nach 135,5 Metern, verdrängte Andreas Wellinger auf Platz drei und jubelte erleichtert.
Das Ergebnis: Nur der Slowene Anže Lanišek war am Montag stärker als Kobayashi und gewann das Neujahrsspringen. Dritter wurde Andreas Wellinger. Lesen Sie hier den Bericht des Neujahrsspringens.
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Es spitzt sich zu: Im Kampf um den Gesamtsieg spielt Lanišek nach seinem schwachen Wettkampf in Oberstdorf keine Rolle mehr. Dafür verspricht der Zweikampf zwischen Wellinger und Kobayashi Spannung pur. Wellinger kam nach seinem Sieg zum Auftakt mit drei Punkten Vorsprung nach Garmisch, nun landete Kobayashi vor dem Deutschen, knabberte etwas vom minimalen Rückstand ab und liegt nur noch 1,8 Pünktchen zurück. Umgerechnet auf die Weite ist das ein Meter. In den vergangenen 15 Jahren gewann der Halbzeitführende 12 Mal auch die Tournee. Allzu viel geben sollte man auf eine solche Statistik bei diesem Mini-Abstand aber nicht.
Der Garmisch-Fluch: Jeder Skispringer hat Anlagen, die ihm liegen und welche, auf denen verlässlich wenig geht. Man kann diese Serie durchbrechen, Wellinger etwa mag und kann die Schanze in Oberstdorf eigentlich nicht und gewann dennoch . Stefan Kraft aber kämpft weiter mit seinem Garmisch-Fluch. In den Vorjahren belegte der Österreicher die Ränge 31, 49, 13, 28,18, einmal blieb er in der Quali hängen. »Ich warte seit Jahren, dass sie das Springen endlich mal absagen«, sagte der Führende im Gesamtweltcup halb im Spaß, halb im Ernst. Diesen Gefallen tat ihm natürlich keiner. Kraft wurde diesmal Sechster. Ein akzeptables Ergebnis. In der Gesamtwertung hat er als Dritter aber schon 25,2 Punkte Rückstand auf Wellinger. Aus dem Dreikampf um den goldenen Adler wurde am Montag ein Duell.
Stefan Kraft hat wohl keine Chancen mehr auf den Gesamtsieg
Foto: Anna Szilagyi / EPASicher gelandet: Kraft erkannte nach dem Neujahrsspringen an, dass die zwei derzeit besten Skispringer ganz vorne stehen. Kobayashi bewies seine Nervenstärke – und Wellinger seine Lernfähigkeit. Am Vortag verpatzte er in den Trainings und in der Qualifikation die Landung. Am Montag dann stand er seine gewaltigen Sätze auf 138 Meter und 137,5 Meter blitzsauber. »Wir haben das analysiert, und Andi hat das perfekt umgesetzt«, lobte Bundestrainer Stefan Horngacher.
Andiiiiii: 22 Jahre warten deutsche Skisprungfans auf den nächsten Gesamtsieg eines DSV-Athleten bei der Vierschanzentournee. Entsprechend groß ist die Sehnsucht. Und das merkt man auch an der Unterstützung der Zuschauer. 21.000 kamen nach Garmisch, mehr passen nicht ins Olympia-Skistadion. Und die allermeisten waren wegen Wellinger da. Immer, wenn der 28-Jährige zu sehen war, tönten laute »Andiiiiii«-Rufe durchs Stadion. Wellinger nimmt den Hype locker, gibt aber zu: »Die Tage sind schon voll. Körper und Geist müssen einiges verarbeiten.«
Andreas Wellinger springt seinen Fans entgegen
Foto: Anna Szilagyi / EPAOhne Loch: Über wenig wird im Skispringen leidenschaftlicher diskutiert wie über die Anzüge der Athleten. Jeder Zentimeter mehr an Stoff sorgt für eine größere Tragfläche in der Luft, was die besten Springer der Welt wiederum in zusätzliche Meter umwandeln. Die Springer reizen die Maximalgröße ihrer Anzüge aus, regelmäßig kommt es deshalb zu Disqualifikationen. Fast wäre der Anzug auch Wellinger zum Verhängnis geworden. Nach dessen Sieg in Oberstdorf tauchten Bilder vom Qualifikationswettkampf auf, auf denen ein Loch im Anzug des Tourneeführenden zu sehen war. Es entstand laut Wellinger beim Jubeln und hätte auch im Sprung zu keinem Vorteil geführt. Regelkonform war es dennoch nicht, der DSV-Athlet hätte disqualifiziert werden können. Dass es dazu nicht kam, war reines Glück. Es wird zufällig festgelegt, wer in die Materialkontrolle muss. Wellinger erwischte es nicht. In Garmisch sprang er dann lochfrei auf Rang drei.
Tournee gelaufen: Bei Wellinger ist die Stimmung bestens. Bei Teamkamerad Karl Geiger nicht. Auch er machte sich Hoffnungen auf den Gesamtsieg, landete in Garmisch aber nur auf Platz 16 und rutschte im Gesamtklassement auf Rang 14 ab. »Ich habe mich hier unglaublich schwergetan«, sagte er: »Aber zum Glück läuft es bei Andi, er weiß, was er zu tun hat.«
Mehr zur Vierschanzentournee
Überflieger a.D.: Skispringen ist eine gemeine Sportart. Helden von einst werden innerhalb von kürzester Zeit zu Hinterherfliegern von heute. Das erfahren gerade der dreimalige Tourneesieger Kamil Stoch und Vorjahresgewinner Halvor Egner Granerud am eigenen Leib. Beide kommen nicht in Schwung, besonders der schnelle Abstieg des Norwegers Granerud verblüfft. Nach einer missratenen Qualifikation trafen die beiden Könner im ersten Durchgang schon im vierten Duell aufeinander. Stoch setzte sich durch, Granerud – im Vorjahr scheinbar noch unbesiegbar – hüpfte lediglich auf 128 Meter und verpasste wie schon in Oberstdorf das Finale.
Kein Kaffee mit Andi: Für ein Bonmont sorgte bei der Pressekonferenz nach dem Springen noch der Japaner Kobayashi, der immer wieder auffallend lustlos zu solch Fragestunden kommt. Ein Journalist wollte wissen, wie sein Verhältnis zu Wellinger ist und ob die beiden auch mal zusammen einen Kaffee trinken würden. Kobayashi schaute verdutzt und antwortete knapp: »Ich trinke keinen Kaffee«. Wäre das auch geklärt.
Ryōyū Kobayashi hat nur minimalen Rückstand auf Andreas Wellinger
Foto: Matthias Schrader / APSo geht’s weiter: Noch am Abend reist das deutsche Team die knapp 70 Kilometer rüber nach Innsbruck, wo es schon am Dienstag mit der Qualifikation auf der Bergiselschanze losgeht. Schon oft wurden Tourneehoffnungen vom launigen Innsbrucker Föhnwind verblasen. Wellinger bleibt aber gelassen. »Für mich ist das keine Schicksalsschanze«, sagte er, »ich mag sie«. Auch die Wetterprognose macht Hoffnung, für den Wettkampf am Mittwoch (13.30 Uhr/ TV: ZDF und Eurosport) ist nahezu Windstille angekündigt.