Scholz Vertrauensfrage Liveticker: Jetzt live aus dem Bundestag
Hinter den Kulissen eines historischen Tages: Kanzler Scholz stellt im Bundestag die Vertrauensfrage. Der stern ist dabei – und hält fest, was Sie nicht in den Nachrichten hören.
Wie viele Tonnen Gewicht werden heute wohl auf dem Kanzler Lasten, wenn er das Reichstagsgebäude betritt? Dieser historische Tag soll das Ende seiner Kanzlerschaft besiegeln. Knapp sechs Wochen nach dem Bruch der Ampel-Koalition stellt Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittag die Vertrauensfrage (mehr zum Prozedere lesen Sie hier).
Nach Vertrauensfrage drei Wochen ZeitEr will sie vorsätzlich verlieren – nur so wäre der Weg zu Neuwahlen frei. Dafür vorgesehen ist der 23. Februar 2025. Es gilt als sicher, dass Scholz eine Kanzlermehrheit fehlen wird. Auch wenn schon mancher aus der AfD seine Stimme für ihn angekündigt hat. Überraschungen? Jedenfalls nicht ausgeschlossen.
Der stern hält für sie auch das fest, was sie nicht in den Nachrichten hören, die kleinen und großen Geschichten, das Menschliche an diesem historischen Tag . Oder hätten Sie gewusst, welche Politikerin heute ihren Geburtstag feiert? Erleben sie mit uns diesen Tag.
Kapitel
CDU beginnt die Aussprache für die Opposition
Scholz verspricht Mindestlohn von 15 Euro
Kanzler Scholz begründet seine Vertrauensfrage
Die Grünen wollen sich in der Vertrauensfrage enthalten
Jetzt kommt die Retourkutsche auf Oppositionsführer Friedrich Merz, der Habeck als das "Gesicht der Wirtschaftskrise" bezeichnet hatte.
Die Ampel-Regierung habe ein "schweres Erbe", eine "schwere Verschuldung" geerbt. Da gibt es Lachen aus den Reihen der Union, doch Habeck führt aus: Seit 2018 habe Deutschland kein richtiges Wachstum mehr verzeichnet, es gebe ein strukturelles Problem in der Wirtschaft. Und das gehe zurück auf Fehlentscheidungen während der Großen Koalition unter Führung der Union. Unter anderem auch darauf, dass man sich in Abhängigkeit von russischer Energie begeben habe.
Robert Habeck beginnt seine Rede staatstragend, und will offensichtlich die großen Zusammenhänge betonen. Man dürfe nicht nur auf die eigene Partei, oder nur auf Deutschland blicken. "Wir waren alle, alle drei, genervt voneinander", die Ampel habe zurecht einen schlechten Ruf gehabt, gibt er zu. Olaf Scholz sitzt mit versteinertem Gesicht auf der Regierungsbank.
Doch sei das die Situation: Gescheiterte Regierung in Frankreich, eine niederländische Regierung die hochzerstritten sei, Belgien habe keine Regierung. Es sei nicht gut, dass Europa in dieser Weltlage so mit sich beschäftigt sei.
Deshalb habe er alles dafür getan, dass die Regierung Bestand habe - und teilt gegen die FDP aus: "Man darf in einer Regierung nicht gegen die Regierung sein." Doch selbstverständlich wolle man in dieser Lage nun den Weg für Neuwahlen frei machen - weshalb die Grünen sich nun enthalten wollen. Er warnt aber auch: es gebe keine Garantie, dass es schnell eine neue Regierung gebe, oder dafür, dass diese dann reibungsloser arbeite.
Für die Grünen jetzt Robert Habeck. Da kommen Erinnerungen auf: 19 Jahre liegt die letzte Vertrauensfrage zurück. Am 1. Juli 2005 wählte Gerhard Schröder dieses Instrument, um Neuwahlen zu erreichen.
Nach ihm sprach Angela Merkel, dann Joschka Fischer. Es wurde eine legendäre Rede, in der Fischer der Kanzlerkandidatin Merkel korrekt voraussagte, ihre guten Umfragewerte würden bei der Wahl zusammenfallen "wie ein Soufflé im Ofen, wenn man hineinpiekt". Darauf hofft 2025 auch Olaf Scholz für Friedrich Merz…
Während Habeck ans Pult tritt, schreibt sein Parteifreund Omid Nouripour bei X:
Das Signal von heute: Wir sind voll im Wahlkampf. Inhaltlich, emotional, persönlich. Das war eine harte Auseinandersetzung zwischen dem Kanzler und seinem Herausforderer. Gut so. Es braucht Kontrast, Reibung zwischen den großen etablierten Parteien. Sonst braucht man sich nicht wundern, wenn die Populisten weiteren Zulauf bekommen. Auffällig: Scholz und Merz ignorierten die AfD komplett.
Aber der Streit der beiden offenbarte auch ein Kernproblem: Eine echte Vision, ein großes Projekt - vor allem in der Wirtschaftspolitik - hat keiner der beiden. Scholz und Merz verlieren sich allzu häufig im Klein-Klein. Scholz setzt auf altbekannte sozialpolitische Klassiker, Merz will die Ampel-Politik in Teilen zurückdrehen. Noch besser wäre eine Antwort auf die Frage: Wo würden die beiden das Land mal so richtig nach vorn drehen?
„Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen“
Friedrich MerzFriedrich Merz beendet seine 20 minütige Rede mit den Worten: „Sie haben ihre Chance gehabt, sie haben sie nicht genutzt. Sie, Herr Scholz, haben Vertrauen nicht verdient.“
Merz verspricht: Die Rente ist sicher! Olaf Scholz hatte Union und FDP in seiner Rede vorgeworfen, die Rente kürzen zu wollen. "Es wird mit uns keine Rentenkürzungen geben", sagt Friedrich Merz jetzt. "Wer was anderes sagt, der lügt." Hui.
Und dann versichert der CDU-Chef: "Auch das Renteneintrittsalter bleibt." Wer allerdings länger arbeiten wolle, der könne länger arbeiten und zwar steuerfrei. "Wir wollen diese Gelegenheit geben." Wieder Gelächter bei der SPD.
Wird das jetzt eine "Blut, Schweiß und Tränen"-Rede?Friedrich Merz stimmt das Land auf härtere Zeiten ein. "Das, was vor uns liegt, ist eine gewaltige Kraftanstrengung für unser Land", sagt der Kanzlerkandidat der Union. "Es gibt viele, die arbeiten sehr viel. Aber insgesamt ist die Arbeitszeit in unserem Land zu niedrig."
Aus der SPD-Fraktion kommen Zwischenrufe, Gelächter. Merz stoppt. "Dass sie darüber lachen, zeigt, auf welchem Planeten sie leben", sagt er in Richtung der Sozialdemokraten. "Wir werden uns alle ein bisschen mehr anstrengen müssen."
Friedrich Merz dreht jetzt hier einmal die volle Runde, wie der Plumpsack. Nachdem er mit Olaf Scholz fertig ist, giftet er gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Der inszeniere seine Selbstzweifel nur und erkläre die Leute für blöd. "Sie sind das Gesicht der Wirtschaftskrise", ruft er. Habeck und Scholz sitzen ruhig auf der Regierungsbank.
Friedrich Merz legt mächtig los. Er fragt, warum Scholz alles, was er angekündigt habe, nicht in all den Jahren an der Regierung getan habe. 22 Jahre lang habe die SPD regiert, und Scholz viele Jahre lang als Minister und zuletzt als Kanzler. Dazu habe er nichts gesagt: "Wo waren Sie denn? Auf einem anderen Stern?"
Wo also war der Kanzler in den vergangenen Jahren? Merz zählt es auf: "Sie waren SPD-Generalsekretär, Arbeitsminister, Finanzminister, dann sozialdemokratischer Bundeskanzler!" Das ist die Antwort auf Scholz' Rede, der offenbar sehr vieles von dem ändern will, für das er bisher gekämpft hatte.
Merz will ihm die Glaubwürdigkeit nehmen. Nicht schlecht. Er selbst hat die letzten Jahre ja in der freien Wirtschaft verbracht.
Die Atmosphäre ist kalt im Plenum. Scholz blickt während der Rede von Friedrich Merz starr geradeaus, würdigt seinen Herausforderer keines Blickes.
Merz wiederum wirft dem Kanzler vor, "peinlich" zu agieren. Das Plenum ist unruhig. Nur einer strahlt eine gewisse Ruhe aus: Armin Laschet. Meiner Kollegin Heike Boese ist aufgefallen, dass der Ex-Kanzlerkandidat in der allerletzten Reihe sitzt, entweder zwei Handys checkt (während Scholz-Rede) oder nicht mit der Union klatscht (während Merz-Rede).
Merz wirft Scholz "blanke Unverschämtheit" vor.Friedrich Merz beginnt seine Rede mit einer Verteidigung der FDP. Auch eine interessante Wahl. Merz wirft Scholz Respektlosigkeit gegenüber Christian Lindner vor, weil der ihm die "sittliche Reife" abgesprochen hatte. Merz: "Eine blanke Unverschämtheit!"
Läuft sich hier schon ein neues Bündnis warm? Schwarz-Gelb gilt künftig nicht mehr nur in Dortmund? Dieser Anfang seiner Rede dürfte die Gerüchte nähren.
CDU beginnt die Aussprache für die Opposition
"Ich vertraue auf ihre Vernunft und ihre Urteilskraft", wendet sich Scholz abschließend an die Bürgerinnen und Bürger. Ohne "sittliche Reife, ohne Anstand" lasse sich ein Land nicht regieren, es brauche Verantwortungsbewusstsein für das ganze Land, Zusammenhalt und Besonnenheit.
"Für unser Land, für Deutschland, werde ich jeden Tag alles weiter geben. Und dafür bitte ich Sie um Ihr Vertrauen. Schönen Dank." Rhythmisches Klatschen in der SPD-Bundestagsfraktion, kein Applaus von den grünen Noch-Koalitionspartnern.
Auch der "Ein-bisschen-Frieden-Kanzler" hat wieder einen Auftritt.
"Wir schicken ganz sicher keine deutschen Soldaten in diesen Krieg, nicht mit mir als Bundeskanzler!", ruft Scholz. Ob sich daran im Falle einer Friedenslösung in der Ukraine etwas ändern würde, lässt Scholz offen. Der Kanzler betont: Deutschland schütze die Souveränität der Ukraine, auch durch militärische Unterstützung. "Und wir wollen, dass das Töten endlich endet."
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