Varta-Aktie: Varta-Aktionären droht der Totalverlust

22 Jul 2024
Varta-Aktie
Schuldenschnitt Varta-Aktionären droht nun der Totalverlust

Nach dem Autozulieferer Leoni setzt auch der Batteriehersteller Varta auf einen Schuldenschnitt via StaRUG. Die Folgen für Aktionäre sind dramatisch, das Konfliktpotenzial ist enorm – und diese Kanzleien mischen mit.

Der schwäbische Batteriehersteller Varta versucht mit einem radikalen Schnitt den finanziellen Neustart. Das angeschlagene Unternehmen aus Ellwangen will voraussichtlich am Montag beim Amtsgericht Stuttgart ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren anmelden, teilte Varta am Sonntagabend mit.

Die fast 500 Millionen Euro schwere Schuldenlast müsse deutlich reduziert werden, dazu sei frisches Kapital von knapp 100 Millionen Euro nötig, sagte der als Sanierer an Bord geholte Vorstandschef Michael Ostermann. Wird der Schuldenschnitt umgesetzt, werden die bisherigen Aktionäre entmachtet, ihre Anteile werden de facto wertlos.

Möglich macht dies das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG). Mit diesem Verfahren soll verhindert werden, dass ein operativ lebensfähiges Unternehmen in die Insolvenz rutscht. Dabei kann der Widerstand einzelner Gläubiger, aber auch der Aktionäre ausgehebelt werden. Auf diesem Weg hatte sich im vergangenen Jahr der Nürnberger Autozulieferer Leoni saniert. Auch dort verloren die Aktionäre alles, was auf heftige Kritik von Anlegerschützern stieß.

StaRUG-Verfahren gelten als komplex, weshalb nach Informationen der WirtschaftsWoche aus dem Markt zahlreiche spezialisierte Kanzleien die verschiedenen Parteien beraten. Konkret sollen die Krisenspezialisten der Stuttgarter Kanzlei Grub Brugger den Batteriehersteller in Sachen StaRUG beraten, während sich die Wirtschaftskanzlei DLA Piper um den Finance-Bereich kümmert. Schon im vergangenen Jahr wurde Varta bei den Verhandlungen mit den finanzierenden Banken über ein Restrukturierungskonzept von DLA unterstützt.

Die Alt-Finanzierer sollen dem Vernehmen nach auf  Noerr setzen, während Freshfields die neuen Geldgeber berät. Und der österreichische Varta-Großaktionär Michael Tojner, der über die Montana Tech Components investiert ist, hat nach Marktinformationen Teams der Wiener Anwaltssozietät Fellner Wratzfeld & Partner sowie von Clifford Chance verpflichtet.

Steigt Porsche ein?

Im Gespräch sind nun zwei konkurrierende Vorschläge: Einer sei eine gemeinsame Kapitalspritze des bisherigen Großaktionärs Michael Tojner sowie des Sportwagenbauers und Varta-Kunden Porsche. Der andere Vorschlag komme von den Gläubigern.

Welche der beiden Lösungen zum Tragen komme, sei noch offen, sagte Ostermann, der im Mai zu Varta gekommen war. „Am Ende ist mir wichtig, dass wir eine gute Lösung für die Varta haben.“ Die bisherigen Aktionäre würden in beiden Fällen leer ausgehen. Daher kam es nicht überraschend, dass die Varta-Aktie nach Eröffnung der Märkte am Montagmorgen um fast 80 Prozent auf ein Rekordtief von 2,10 Euro einbrach. Inzwischen hat der Wert bei einem Kursminus von rund 68 Prozent im Vergleich zum Vortag stabilisiert.

Ohne eine Reduzierung der Schulden könne Varta nicht angemessen investieren, erklärte Ostermann. „Ziel ist ein Schuldenschnitt.“ Doch dabei müssen die Banken und die Hedgefonds mitspielen, die sich in einen Konsortialkredit über 235 Millionen Euro eingekauft haben. 250 Millionen Euro hat sich Varta mit Schuldscheindarlehen geliehen.

Eine hohe zweistellige Millionen-Kapitalspritze sei die Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen von den Gutachtern eine positive Fortführungsprognose bekomme, sagte Ostermann. Diese wiederum ist die Basis, um eine Insolvenz zu vermeiden. Michael Tojner, der gut 50 Prozent der Varta-Anteile hält, würde gut die Hälfte dazu beisteuern und damit die Mehrheit behalten, der Rest könnte von Porsche kommen. Damit wäre Varta bis 2027 durchfinanziert.

„Wir können bestätigen, dass Porsche in Verhandlungen (mit Varta) steht“, sagte ein Sprecher des Sportwagenbauers laut der Nachrichtenagentur „Reuters“. Der Volkswagen-Tochter geht es vor allem um die großen Lithium-Ionen-Batteriezellen, die im nächsten Porsche 911 GTS verwendet werden sollen. „Das Ziel unseres Engagements wäre, diese Schlüsseltechnologie am Standort Deutschland zu erhalten.“ Porsche hatte signalisiert, die Mehrheit an der Varta-Tochter V4Drive zu übernehmen, die die Auto-Batterien herstellt. Doch das allein reicht offenbar nicht aus. „Unter bestimmten Umständen könnten wir uns daher vorstellen, uns auch an einer finanziellen Neuaufstellung der Varta AG insgesamt zu beteiligen“, erklärte der Autobauer. Die Gespräche dazu liefen aber noch.

Grund für die Schieflage sind laut Ostermann Investitionen aus den Jahren 2021 und 2022, die sich bisher nicht ausgezahlt hätten – in die großen Lithium-Ionen-Batterien, aber auch in die Mini-Akkus für Kopfhörer. V4Drive war der große Hoffnungsträger für Varta, entpuppte sich aber als Belastung. Mangels Aufträgen legte das Unternehmen den Bau einer Fabrik für große Lithium-Ionen-Batterien auf Eis.

Einen Jahresabschluss für 2023 hat das Unternehmen bisher nicht vorgelegt – wegen eines Cyber-Angriffs im Frühjahr, aber auch wegen der unsicheren Zukunft. Bis das Sanierungskonzept umgesetzt sei, werde es mindestens bis in die zweite Augusthälfte dauern, erklärte Varta.

Mit Material von Reuters

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