Anlegerschützer zu Varta Aktie: „Ich persönlich würde aussteigen“

Interview

Drohender Totalverlust Anlegerschützer zu Varta: „Ich persönlich würde aussteigen“

Varta-Aktie - Figure 1
Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

Batterien von Varta. Der Hersteller steckt in einer schweren Krise

© CHROMORANGE / Michael Bihlmayer / Picture Alliance

Varta zieht mit dem Sanierungsgesetz StaRUG ein Instrument, das zum Missbrauch einlädt, kritisiert Daniel Bauer, Vorstandschef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Die Anleger stehen damit vor dem Totalverlust

Capital: Herr Bauer, der Batteriehersteller Varta hat am Montag ein sogenanntes StaRUG-Verfahren am Amtsgericht Stuttgart angemeldet. Was ist das und was bedeutet das für die Aktionäre? DANIEL BAUER: Das StaRUG gilt seit 2021 und ist eine Möglichkeit für Unternehmen, sich selbst zu sanieren, bevor sie Insolvenz anmelden müssen, eine letzte Chance sozusagen. Im Fall Varta soll das Grundkapital auf null herabgesetzt werden. Aktionäre erleiden somit einen Totalverlust, die Varta-Aktie wird so von der Börse genommen. Das würde auch bei einer Insolvenz passieren, für Investoren macht es also zunächst keinen Unterschied, ob ein Unternehmen ein StaRUG oder die Insolvenz anmeldet.

Aber Varta ist ja noch nicht insolvent, sondern will sich davor schützen. Macht das keinen Unterschied? Wir wissen noch nicht, was genau los ist. In sechs bis acht Wochen will Varta die Entscheidung bei einer außerordentlichen Hauptversammlung begründen und hoffentlich eine Erklärung für den hohen Kapitalverlust angeben. Das Unternehmen muss dem Amtsgericht zudem in Gutachten, die auch Gläubiger und Aktionäre einsehen dürfen, belegen, dass eine Insolvenz etwa aufgrund von Überschuldung droht. Varta hat schon länger Finanzierungsprobleme und der Sanierungsplan aus dem vergangenen Jahr hat nach Angaben Vartas nicht ausgereicht. Im Gutachten sind dann aktualisierte Prognosen zu Umsatz- und Cash-Flow, die wir aktuell noch nicht kennen.

Varta-Aktie - Figure 2
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Auch wenn Varta sich erklären will – das hört sich an, als würde das Unternehmen seine Eigentümer enteignen. Darf das Unternehmen das einfach so? Das StaRUG erlaubt das, wenn sich etwa die Gläubiger einig sind und das scheint bei Varta der Fall zu sein. Dann könnten sogar Großaktionäre überstimmt werden und deren Anteile auf Null gesetzt werden. Das ist allerdings bei Varta nicht notwendig: Der österreichische Investor Michael Tonjer, der mehr als 50 Prozent der Anteile hält, muss nicht überstimmt werden, denn er soll im Gegensatz zu den Streubesitzaktionären wohl Bezugsrechte für die neuen Aktien erhalten. Und Porsche, der bisher einzige große Kunde Vartas im Automobilbereich, erhält so die Chance, günstig einzusteigen. Tonjer und Porsche wollen die Kapitallücke von rund 100 Mio. Euro gemeinsam schließen. Der Großaktionär hat so alles in der Hand. 

Die anderen Aktionäre gehen also leer aus und Porsche kann günstig einsteigen? Das kann man so sagen, ja. Wir kritisieren schon lange, dass Anleger einen Totalverlust erleiden und das StaRUG darüber hinaus zur Bereicherung einlädt. Auch beim Autozulieferer Leoni etwa ist so der frühere österreichische Großaktionär Stefan Pierer zum Alleinaktionär geworden.

Warum kann Varta nicht einfach eine reguläre Kapitalerhöhung machen? Hier ist der Knackpunkt. Vor dem StaRUG haben Gläubiger und Aktionäre über Maßnahmen wie eine Kapitalerhöhung oder einen Zinsverzicht verhandelt. Das war natürlich schwieriger, weil sich nur eine Bank oder ein großer Aktionär mit einem Veto die schönsten Pläne hat durchkreuzen können. So befreit sich Varta von den Widerspenstigen und entgeht berechtigten Fragen der Mitaktionäre auf zukünftigen Hauptversammlungen. Das Unternehmen muss sich zukünftig nur noch gegenüber Tonjer und Porsche rechtfertigen.

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Aber was können Aktionäre denn jetzt machen?Ich persönlich würde aussteigen. Selbst wenn es Bezugsrechte im Rahmen einer Kapitalerhöhung geben sollte, dürfte der Wert der Aktie nicht stark steigen und man muss neue Liquidität zur Zeichnung der Kapitalerhöhung eines bisher wenig erfolgreichen Unternehmens aufwenden.

Die Krise bei Varta verschärft sich, die Rettung soll nun ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren bringen. Auch Porsche will helfen. Aktionären droht ein riesiger Verlust

Eine Klage lohnt sich nicht? Wir haben es im Falle des Möbelherstellers Steinhoff in den Niederlanden und andere Aktionäre beim Datingportal Sparks Network versucht und Gutachten eingereicht, die belegen, dass noch ein Unternehmenswert für die Aktionäre da ist. Leider hat das nicht geklappt. Ich vermute daher, dass der Klageweg steinig und teuer werden dürfte. Zunächst muss man aber noch abwarten, bis die vollständigen Unterlagen bekannt sind. Dann kann man final entscheiden.

In Varta sind auch große Vermögensverwalter, teils aus den USA, investiert. Werden die sich nicht wehren wollen?Ich würde mich freuen, wenn es jemand probieren würde, glaube aber nicht daran. Die meisten Investoren, die zuletzt noch da waren, waren passive Investoren, also ETF-Anbieter, die über den Index gekommen sind und nicht anders können. Ich gehe davon aus, dass die aktiven Fonds alle bereits ausgestiegen sind. 

Gibt es denn die Chance, dass das Justizministerium beim StaRUG nachbessern wird?Nein, da bewegt sich zumindest aktuell nichts. Aktionäre haben in Berlin keine Lobby. Hinzu kommt, dass das StaRUG die Umsetzung einer EU-Richtlinie ist, was die Chancen weiter minimiert. 

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